29 Jahre später

Keine 30 Jahre hat es nach dem Mauerfall und der deutschen Wiedervereinigung gedauert, um nicht nur dieses Land, sondern ganz Europa, den Westen schlechthin tiefer zu spalten, als es der Eiserne Vorhang je vermochte.

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Eine unsichtbare Grenze

Die verhasste Grenze mit ihren Zäunen, Mauern, Todesstreifen und Wachtürmen, die Deutsche von Deutschen trennte, ist weitgehend verschwunden. Es gibt nicht viele Zeitzeugen, die ihr eine Träne nachweinen. Und ganz sicher nicht dem untergegangenen System, das diese Monstrosität errichtet hat. Doch viele Menschen wünschen sich in diesen Tagen, man hätte den Stacheldraht und die Mienen nicht ganz so voreilig entsorgt (schließlich weiß man nie, wozu man das Zeug noch mal braucht).

Früher waren sich viele Freunde und Verwandte näher, obwohl sie sich nicht — oder nur einseitig — besuchen konnten. Heute sitzen sie mitunter am selben Tisch und sind doch unendlich weit voneinander entfernt. Die neue Grenze verläuft zwischen Eltern und Kindern, Geschwistern, Arbeitskollegen, quer durch Sportvereine, Betriebe, Kirchen, Schulen und Wohnzimmer. Sie ist effektiver als jede Sperranlage, denn heute ist jeder des anderen Grenzer. Wer gedanklich raus will aus dem sichersten Deutschland aller Zeiten, sollte sich besser am Hinterkopf Augen wachsen lassen!

Alles auf Anfang

Nach der Wiedervereinigung hat sich »der Westen« als Sieger gefühlt (und aufgeführt). Und rein praktisch gesehen war er das wohl auch, zumindest vorläufig. Die soziale Marktwirtschaft hatte der verkorksten Planwirtschaft eine Nase gedreht, das Versprechen von Freiheit war dem vermeintlich goldenen (in Wahrheit rostigen) Käfig von Anfang an so haushoch überlegen, dass man Menschen jahrzehntelang einsperren und ermorden musste, um sie von ihrem Glück abzuhalten.

Wie das mit Siegern so ist, diktieren sie dann eben auch die Spielregeln. Die »Wiedervereinigung« war kein Vertrag auf Augenhöhe, sie war kaum mehr als ein Anschluss; der Beitritt der ehemaligen DDR zum Staatsgebiet der BRD und ihres Grundgesetzes. Aus damaliger Perspektive war das (wohlwollend betrachtet) sicher eine pragmatische Herangehensweise und der kürzeste Weg zu den Bananen. Rückblickend betrachtet wurde damit der Grundstein für die aktuelle Krise gelegt.

Demokratie lernen

Gerne wurde, und zunehmend wieder wird, »den Ossis« unterstellt, dass sie ein Demokratie‐Defizit hätten. Meistens dann, wenn sie nicht so wählen, wie man es von ihnen erwartet. Nun mag das schon sein, dass man in 40 Jahren Diktatur die Demokratie und ihre Spielregeln nicht mit der Muttermilch aufsaugt. Vielleicht wissen die Menschen im Osten nicht, wie Demokratie geht. Sie wissen aber Eines sehr gut aus eigener Anschauung: Wie Demokratie nicht geht!

Beispielsweise wenn mehrere Parteien auf dem Wahlzettel stehen und es völlig Wurscht ist, welche man davon wählt. Weder ändern sich Personal noch Politik. Das ist nicht normal. Oder, wenn dann doch mal eine Alternative drauf steht, und diese mit staatlichen Mitteln bekämpft wird. Das ist auch nicht normal. Wenn Politiker zu ihren Arbeitgebern sprechen, als wären diese unmündige und undankbare Untertanen — auch das ist nicht normal. Oder, beispielsweise, wenn die meist gehasste Frau der Welt von den Chefredakteuren der Qualitätspresse einstimmig zur beliebtesten Deutschen aller Zeiten…

Heißt vom Osten lernen

Ehrlich, das ist nicht normal. Es sei denn, man findet die Türkei, Nordkorea oder irgendeine mittelmäßige Diktatur in der Dritten Welt »normal«. Ich weiß auch nicht, was es ist, aber bestenfalls die Karikatur einer Demokratie. Leider ist sie im Westen so langsam erodiert, wurden ihre Risse derart mit wirtschaftlichem Wohlstand zugespachtelt, dass die meisten alteingesessenen Demokratie‐Versteher sich strikt weigern, überhaupt das Problem anzuerkennen. Diese angeborene Sensibilität für Diskrepanzen zwischen Realität und verkündeter Wahrheit geht »den Wessis« irgendwie völlig ab.

Man hätte diesen Geburtsfehler der neuen, größeren Bundesrepublik durchaus vermeiden können, wenn man anerkannt hätte, welche Erfahrungen die Ostdeutschen mitbrachten. Die waren gewissermaßen wertvoller als Gold. 40 Jahre Diktatur, noch dazu friedlich wegrevolutioniert — das ist eine gute Impfung gegen totalitäre Tendenzen! Die beiden deutschen Völker hätten sich auf dieser Grundlage eine gemeinsame Verfassung geben müssen, die auch das (in großen Teilen ziemlich gute!) Grundgesetz daraufhin kritisch prüft, ob es den selbst gestellten Ansprüchen noch genügt.

Hätte, hätte, Fahrradkette

Nun ist es müßig, über vertane Chancen zu spekulieren. Die tatsächliche Entwicklung ist anderswo abgebogen, ohne vorher zu blinken. Kohl hat uns mit den »blühenden Landschaften« verarscht. Stattdessen kamen Glücksritter und drittklassige Beamte, die die Landschaften derart gründlich abgeräumt haben, dass da erst mal ausreichend Platz zum Blühen war. Im Gegenzug wurde eine mittelmäßige FDJ‐Sekretärin ins Kanzleramt geschmuggelt, die den Klassenfeind von innen heraus zersetzt und mit Hilfe einer linken Einheitsfront zermürbt hat. Honeckers postume Rache. Sind wir jetzt quitt?

Da sitzen wir nun, wir Deutschen, die hier schon länger leben, die noch nicht so lange hier leben und »ein paar«, von denen keiner so genau weiß, woher sie kommen, wie oft sie wollen und wann sie wieder gehen. Das ist unser Land, mit all seinen Ecken und Kanten, seiner glanzvollen Geschichte und den schlimmsten Verbrechen, die Menschen einander antun können. Wir haben kein anderes. Was immer auch schief gelaufen ist, es ist Vergangenheit. Hier und jetzt, genau in diesem Moment, fängt die Zukunft an. Wie sie aussieht, das hängt von Dir ab.

Wohin geht die Reise?

29 Jahre nach dem Mauerfall und 28 Jahre nach der deutschen Einheit stehen die Deutschen (wieder mal) an einem historischen Scheideweg. Wir können (wieder mal) ein isoliertes und gehasstes Land in Europa sein, in dem man Angst hat, frei zu denken, frei zu reden und frei zu wählen. Ob die offizielle Glaubenslehre dabei von der Tagesschau oder vom Minarett herunter verkündet wird, ist im Grunde egal. Wir können ein Land sein, das Abweichler bestraft und Dissidenten verfolgt. Ein Land, in dem anders aussehende Menschen misstrauisch beäugt werden, weil man nicht mehr weiß, wem man trauen kann. Wir können das »Land ohne Kultur« sein, in dem sich (zurecht) niemand integrieren will, in dem gleiches Recht vor dem Gesetz nur noch theoretisch herrscht, in dem es am Ende nur heißt: Jeder schaut, wo er bleibt, jeder gegen jeden.

Wir könnten uns zur Abwechslung aber auch mal nicht dämlich anstellen! Wir könnten diesen Feiertag zu mehr nutzen, als nur Fähnchen schwenken und schwülstige Reden halten. Es wird in den nächsten Monaten noch sehr ungemütlich, wenn sich das scheidende Regime mit letzter Kraft an die Macht klammert. Viele Menschen werden dann aufwachen, wenn es zu spät ist, wenn sie selbst unter die Räder kommen, und sei es nur als Kollateralschaden. Manche nicht mal dann. Daher meine dringende Bitte: Redet miteinander! Man muss sich da auch nicht zwangsläufig einig werden, aber es hasst sich viel schöner, wenn man weiß, wofür (wirklich)! Außerdem weiß man nie, wer morgen noch da ist…

Ich bin zwar etwas skeptisch, was historische Parallelen angeht, aber ich mag runde Daten. 30 Jahre Wende nächstes Jahr und 30 Jahre vereinigtes Deutschland in 2020 sind eigentlich zu schade, um daraus nicht den schlimmsten Alptraum von Merkel, Juncker und Konsorten zu machen: Ein in Freiheit geeintes, selbstbestimmtes Volk, das endlich zusammenwächst und sein Schicksal in die eigenen Hände nimmt. Wann, wenn nicht jetzt.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Martin Zumstein

Sehr guter Artikel. Leider ist alles wahr. Traurige Wahrheiten.

Gravatar: Manni 2

Was kann man denn auch von Kommunisten erwarten Sina?

Gravatar: Unmensch

Sie reden von Integration, es geschieht aber das Gegenteil.
Sie reden von Demokratie, wollen aber keine Alternativen.
Sie reden von Fortschritt, lassen aber alles verfallen.
Sie werden gewählt, weil die anderen sie auch wählen.

Gravatar: Ede Wachsam

@Andreas Berlin 04.10.2018 - 13:05

Ja die Frage ist berechtigt, jedoch ich als eingeborener Wessi habe der FDJlerin von Anfang an nicht getraut und sie auch nie gewählt. Konnte auch nie verstehen, wieso man die Frau so hochgejubelt hat, denn ich sah gar keine positiven Ergebnisse, sondern nur immer die alternativlose Raute und das hohle nichtssagende Geschwätz dieser Frau. Die hat ja noch mehr ausgesessen als ihr Vorgänger Herr Kohl.
2015 aber wurde mein demokratischer Kampfgeist geweckt und nun misstraue ich sämtlichen staatlichen Insitution und Einrichtungen, inklusive der glichgeschalteten Medien, bis dieses Ungbemach Geschichte ist. Anfangs habe ich als überzeugter Christ noch für sie und diese Regierung gebetet, wie es auch in der Schrift steht. Jedoch steht da auch dass der HERR keine Gottlosen regieren lässt, die ein Fallstrick für das Volk sind. Daher bete ich jetzt, dass wir von ihr und dieser korrupten Regierung und deren Steigbügelhaltern wieder befreit werden und ich unterstütze die AfD, eben die einzige Alternative zu der alternativlosen Frau und ihrem Hofstaat.

Gravatar: Otto

Preußen, Bismark,,, haben das Deutsche Reich in seiner äußeren Form erschaffen Innerlich sind wir noch ungeeint, sind wir Rheinländer, Bayern, Hanseaten, katholisch, evangelisch, links oder rechts... einfach nur Deutscher sein, hochdeutsch sprechen geht nicht?
Erkennen wir uns deswegen nicht als Volk, als Deutsche?

Gravatar: Thomas Rießler

Bei einer Spaltung der Menschen in Gut und Böse kommen eben Familienbande, Volkszugehörigkeiten und demokratische Prozesse an ihre verbindenden Grenzen, so wie es in der Bibel steht. Die Regenbogengesellschaft mag Frieden mit ihren Sünden geschlossen haben, aber nicht mit Gott.
Neulich ist es mir bei der Zauberflöte wieder aufgefallen, wie naiv wir Europäer schon seit längerer Zeit in Bezug auf die angebliche Tugendhaftigkeit und die Versprechungen der Logenbrüder sind. Jetzt müssen wir halt das blöde Grinsen der Raute ertragen. Jetzt ist sie halt da.

Gravatar: Klaus Bartholomay

Sehr sehr gute u. treffende Zustandsbeschreibung. Nach 29 Jahren ist nicht nur dieses Land wieder gespalten, sondern
auch Europa. Es wird nicht mehr miteinander geredet,sondern übereinander. Dieser Zustand ist eine Hauptursache,warum überhaupt Politiker von ganz unten,bis ganz oben diktatorisch herrschen können. Wenn
sich die von diesen Systemapparatschik's schikanierten u.
belogenen Ottonormalos nicht mal mehr einig sind,geschweige miteinander reden um sich gegen Unrecht zu erheben,dann ist abermals den Despoten freie Hand gegeben.
Nicht mal bei den Wahlen haben viele den Arsch in der Hose
abzuwählen, worüber bis zu den Wahlen geschimpft wurde.
Ein Weiter so,hat mit Garantie keine "friedliche Revolution" mehr zur Folge ....

Gravatar: Alfred

Widervereinigung hat nur den Groß Investoren geholfen. Sie haben sich an den enteigneten Landflächen gütlich getan.

Wo sind nur die Mrd. € aus den Landverkäufen geblieben? Welche Taschen wurden gefüllt?


Es war lediglich das große Fressen von Staat und Investoren.

Gravatar: Andreas Berlin

Sehr gute Analyse, Frau Lorenz!!! Ich kann mich noch gut erinnern, wie der Westbesuch damals, wenn wir von unserem Alltag in der DDR erzählt haben, fassungslos fragte: "Wie könnt Ihr Euch das nur gefallen lassen???" Haben wir ja dann irgendwann auch nicht mehr. Aber heute kommt uns vieles aus unserem Alltag total bekannt vor - und es ist genau das, was wir eigentlich für immer loswerden wollten. Und jetzt stellen wir Ossis diese Frage an unsere Brüder und Schwestern aus dem Westen: "Wie können wir uns das nur gefallen lassen!"

Gravatar: Absalon von Lund

Das Problem in Deutschland ist, daß die Katholiken Adenauer und Strauss im Westen keine Nachfolger hatten, sondern nur Lobbyisten ohne Haltung und Prinzipien. Im Osten war das viel strenger und deshalb ist Erich Mielke wieder da. Im typischen Merkel-Foto schaut sie auch schon so wie der depressive Erich. Sein Geist hat von ihr Besitz ergriffen. Es gibt unterirdisch einen Tunnel, der zum Palast der Republik führt. Dort tagt das Politbüro jeden Tag im Geiste. Wir erinnern uns, daß Adenauer die Ostpolitik nicht wollte. Er hatte Weitblick. Der Totengräber Egon Bahr, Willy Brandt, Helmut Schmidt und auch Helmut Kohl waren dafür. Deshalb haben wir jetzt die flächendeckende DDR statt rheinischen und bayerischen Frohsinn. Mit der Ökumene in der katholischen Kirche ist das genauso. Bei Katholiken wie Armin Laschet und evangelischen Pastorentöchtern wie Angela Merkel gewinnt am Ende Luther, also der Teufel. Der ehemalige Weihbischof von Salzburg, Andreas Laun, sagte: jeder Dammbruch beginnt mit einem Haarriss. Der Dammbruch steht bevor, der Haarriss begann mit dem Bestatter Egon. IWe heißt es doch: Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz. Die Dummheit der Deutschen ist ohne Beispiel in der Welt.

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