1945ff, 1989ff: Schocktherapie, Nützlichkeit und Moral

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Es ist ein spannender Vergleich zwischen zwei welthistorischen Umstürzen: Vor 25 Jahren ist in großen Teilen Europas der kommunistische Totalitarismus kollabiert; und vor fast 70 Jahren hat der nationalsozialistische Totalitarismus den von ihm angezettelten Weltkrieg verloren und damit auch die Herrschaft über große Teile Europas. Das waren zweifellos die beiden dramatischsten Phasen in Europa während der letzten zwei Generationen. Es gibt erstaunliche Parallelen zwischen ihnen.

Dabei soll es hier aber gar nicht um die unzähligen Verbrechen und Vernichtung von Existenzen geben, die da wie dort die Diktaturen und ihre Helfershelfer begangen haben. Mit diesen haben sich in den letzten Wochen ohnedies zahllose Rückblicke befasst. Links- wie Rechtsradikale werden sich diese auch weiterhin – wenngleich in totaler Einäugigkeit –  gegenseitig vorwerfen. Viel weniger beleuchtet wird jedoch das, was dann jeweils nachher passiert ist.

Beide Male waren Staaten ja fast von einem kompletten Nullpunkt wieder aufzubauen. Beide Male agieren – natürlich – auch die selben Menschen, die vorher im Totalitarismus gelebt haben, und die dann nachher vor der gigantischen Wiederaufbau-Notwendigkeit gestanden sind.

Rein ökonomisch ist dieser Wiederaufbau in manchen Ländern hervorragend und rasch geglückt. Einerseits nach 1945 in Deutschland und Österreich, aber auch in anderen Ländern wie etwa den Niederlanden. Andererseits gelang auch in den Ländern des nördlichen Osteuropas nach 1989 der Neuanfang sehr gut: mit Polen und drei kleinen baltischen Staaten an der Spitze, aber auch in Tschechien und der Slowakei. Schon weniger gut in Ungarn; dort glaubte man nämlich, sich eine schmerzhafte Schocktherapie ersparen zu können, da Ungarn ja schon im Kommunismus einige wirtschaftsliberale Reformen realisiert hatte.

Sehr magere Ergebnisse hat die Wende hingegen bisher in praktisch allen Ländern des Balkans gebracht. In Rumänien findet deshalb jetzt sogar ein zweiter Wende-Anlauf statt. Zum einen haben auf dem Balkan viele nationale Auseinandersetzungen zu blutigen Kriegen geführt; zum zweiten hat man es dort vielerorts nicht geschafft, politische Kontroversen in geordneten, demokratischen Bahnen auszutragen; und zum dritten ist es in keinem der Balkanländer gelungen, die schon im Kommunismus endemische Korruption auf allen gesellschaftlichen Ebenen auszurotten.

Damit können wir heute zwei ganz zentrale Erkenntnisse gewinnen.

     

  • Erstens: Je radikaler und schneller ein Neuanfang gemacht wird, umso erfolgreicher ist dieser. Sowohl in absoluten ökonomischen Daten wie auch in der relativen Entwicklung. Nur durch eine Schocktherapie kann man jeden einzelnen Bürger zu einem geänderten Verhalten bewegen. Und nur in den unmittelbaren Zeiten der Wende ertragen die Bürger einen solchen Schock.
  • Zweitens: Der allerwichtigste Teil jedes Neuanfangs ist neben der nationalen Einigkeit der Bruch mit jeder Form der Korruption – auch wenn diese etwa im Kommunismus für jeden einzelnen eine fast unverzichtbare Überlebensstrategie gewesen ist.
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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: harald44

Wieso hatte der Nationalsozialismus den II. Weltkrieg verursacht? Das stimmt doch gar nicht. Polen führte seit 1919 einen nichterklärten Krieg gegen das schutzlose Deutsche Reich, nachdem Großbritannien und Frankreich in Versailles eine Grenzziehung im Osten geschaffen hatten, die unweigerlich zu einem neuen Krieg führen mußte. Großbritannien unterstützte Polen bei allen Raubzügen gegen Deutsche und gegen das Reich an der Korridorgrenze, Frankreich lief im Schlepptau Großbritanniens, und im Hintergrund fürchteten die Ostküstenbanker der USA um ihre Kredite, die sie an die Alliierten im I. Weltkrieg vergeben hatten. Und im fernen Osten baute J. Stalin die Sowjetarmee zur stärkesten Landmacht der Welt auf mit dem Ziel die Rote Armee bis an die Biscaya zu führen.
Der II. Weltkrieg hatte viele Väter, und Adolf Hitler war der unbedeutenste unter diesen.

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