Zur Liturgie der Osterfreude

Die Kirche ist dunkel wie das Grab Jesu es bis zum Ostermorgen war und wie unsere Gräber es sein werden.

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Draußen aber lodert das Osterfeuer. Die 40tägige Fastenzeit ist vorbei. Das Feuer wird geweiht. Die große Osterkerze wird am Feuer entzündet und in die stockfinstere Kirche getragen. Während dieser Prozession erschallt dreimal, immer einen Ton höher, der Ruf „Lumen Christi“, worauf das Volk jeweils antwortet „Deo gratias“. Nach alter Tradition gehört dazu auch eine Kniebeuge. Nun kommt die unscheinbare Flamme in den dunklen Kirchenraum. Nach dem ersten „Lumen Christi“ wird die Kerze des Zelebranten entzündet, nach dem zweiten die der anderen Geistlichen und der Ministranten und schließlich diejenigen aller übrigen Gläubigen. Das Licht der einen Kerze, die Christus, den Auferstandenen, symbolisiert, verbreitet sich. Es wird immer heller. Schon kann in diesem Schein das Gold des in der Passionszeit geschlossenen und nun wieder geöffneten Flügelaltars in der Apsis erkannt werden. Das elektrische Licht, das wir sonst gewohnt sind, mag helfen, die Dinge dieser Welt zu sehen. Das flackernde Kerzenlicht aber will jetzt die Augen unserer Herzen berühren, damit sie sich öffnen für das Mysterium der Auferstehung, das zu feiern wir zu nächtlicher  Stunde zusammengekommen sind. Still ist es um uns. Wir hören nur die Schritte der Gläubigen, die nun mit entzündeten Kerzen ihren Platz in der Kirche suchen, die sich langsam immer mehr füllt. Die große Osterkerze wird auf den geschmückten Osterleuchter gestellt. Es wird Weihrauch aufgelegt und die Kerze beräuchert zur Ehre dessen, den sie darstellt: Christus, der Auferstandene, geht uns durch die Nacht dieses Lebens voran wie die leuchtende Feuersäule den Israeliten nächtens auf ihrem Auszug aus Ägypten.

Alle sind voll gespannter Erwartung. Dann erklingt der uralte österliche Preisgesang, das Exultet. Dieses Meisterwerk der liturgischen Tradition geht wohl zurück auf die Zeit des hl. Ambrosius (+ 397) und fand dann im neunten Jahrhundert Eingang in die Römische Liturgie. Es ist von einmaliger Schönheit nach Form und Inhalt.

Für mich gehört der Gesang dieses langen Hymnus mit der zutiefst feierlichen Melodie zu den allerschönsten Augenblicken des Kirchenjahres und meines Lebens überhaupt. Hier ist im Glauben eine Freude zu spüren, die diese Welt nicht geben kann, eine Freude, die wirklich von Gott kommt, eine übernatürliche Freude. Eine Freude, die mich verbindet mit der ganzen Kirche, welche ihrem tiefen Wesen nach Mutter ist und deren Kinder zu sein uns in dieser Nacht mit so vielen verbindet, die geographisch und zeitlich fern von uns sein mögen, aber in der Feier dieses Mysteriums jetzt wirklich ganz nahe sind als Brüder und Schwestern. Verbunden aber sind wir auch mit dem Himmel. So beginnt der Gesang mit den Worten: „Exultet jam Angelica turba caelorum: exultent divina mysteria - Frohlocket, ihr Chöre der Engel, frohlocket, ihr himmlischen Scharen“. Es liegt etwas von Ekstase in diesem Gesang. Das griechische Wort existánai bedeutet ja aus sich heraustreten. So treten wir jetzt singend oder lauschend aus uns heraus, wir verlieren uns, aber nicht, um uns in einem seligen Nirwana aufzulösen, sondern um die Freude zu spüren, zu der wir erschaffen wurden und die uns als durch Christi Kreuz Erlösten in Ewigkeit zuteil werden soll und doch schon in diese irdische Zeit hineinreicht und gerade in dieser Nacht uns so entrückend nah ist. Diese Nacht wird nun in immer neuen Variationen besungen: „Dies ist die Nacht, in der die leuchtende Säule das Dunkel der Sünde vertrieben hat. Dies ist die Nacht, die auf der ganzen Erde alle, die an Christus glauben, scheidet von den Lastern der Welt, dem Elend der Sünde entreißt, ins Reich der Gnade heimführt und einfügt in die heilige Kirche.“ Das Lied schwingt sich auf zu der ungeheuren Aussage von der felix culpa, der glücklichen Schuld: „O glückliche Schuld, welch großen Erlöser hast du gefunden! O wahrhaft selige Nacht, dir allein war es vergönnt, die Stunde zu kennen, in der Christus erstand von den Toten. Dies ist die Nacht, von der geschrieben steht: ‚Die Nacht wird hell wie der Tag, wie strahlendes Licht wird die Nacht mich umgeben.‘

Möge sich das Licht dieser Nacht in alle Herzen verströmen. Gesegnete Ostern!

Christoph Sperling, kath. Pfarrer

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