Brief aus Brüssel

Wieviel Christliches steckt im neuen Europa-Parlament?

Die Europa-Wahlen liegen bald ein Jahr zurück. Lässt sich bereits ein „geistliches Röntgenbild“ des Europa-Parlaments anfertigen?

Veröffentlicht:
von

Die EU solle auf den christlichen Wurzeln des Kontinents aufbauen, wünschen sich immer noch viele Europäer. Aber wird das Parlament diesem Anspruch gerecht? Bisher sieht es nicht so aus.

Zunächst: Die meisten Mitglieder nationaler Parlamente, etwa des Deutschen Bundestages, geben auf ihrer Profilseite ganz selbstverständlich ihre Religionszugehörigkeit oder -nichtzugehörigkeit an. Sie ermöglichen damit  zumindest statistisch eine „geistliche Röntgenaufnahme“ ihres Parlaments. In Straßburg hingegen sorgt schon die Frage nach der Religionszugehörigkeit der EU-Abgeordneten für Stirnrunzeln: „So etwas fragt man nicht“. Überhaupt sind religiöse Bekenntnisse in EU-Institutionen heute verpönt. Man erinnere sich an die leidenschaftliche Diskussion um den Gottesbezug in der EU-Charta. Offiziell ist also nichts bekannt über religiöse Neigungen der Mandatsträger. Man ist auf eine alte biblische Weisheit  zurückgeworfen: An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.

Diese „Früchte“ sind noch rar aber dennoch markant. Ein kleiner Korb zur Auswahl:  Erste Frucht: Zu Beginn der Legislaturperiode vergab die Gruppe der Europäischen Christdemokraten im EU-Parlament den Posten des Obmanns im Frauenausschuss an zwei Politikerinnen aus Frankreich und Schweden. Der Frauenausschuss ist für die christdemokratische Agenda wichtig, denn hier werden regelmäßig Entscheidungsvorlagen zu „Geschlechtergleichstellung“, Gender-Ideologie, Quotenregelungen, die Etablierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften sowie eines sogenannten „Menschenrechts auf Abtreibung“ vorbereitet. Dagegen protestieren in der Tat viele Abgeordnete, nicht zuletzt weil mit den Bürgerprotesten, die diese Entscheidungen provozieren, viel Arbeit verbunden ist. Statt jedoch die Arbeit des Frauenausschusses zu beeinflussen oder gar für seine Abschaffung zu plädieren, vergibt die EVP den Posten des Obmanns an zwei EVP-Politikerinnen, deren erklärte Absicht es ist, die feministischen Positionen der Liberalen und Sozialdemokraten im üblichen Konsensverfahren mitzutragen. Damit verliert der christliche und familienorientierte Flügel der EVP weitgehend an Einfluss, die EVP passt sich den Forderungen des Frauenausschusses an.

Zweite Frucht: Die in Deutschland bekannte „Woche für das Leben“ war in den vergangenen Jahren gemeinsam von den Fraktionen der EVP (Christdemokraten) und der EKR (Europäische Konservative und Reformer) organisiert und fraktionsübergreifend von Mitgliedern der Sozialdemokraten und auch Liberalen unterstützt worden. In diesem Jahr wurde sie auf Wunsch des EVP-Fraktionsvorsitzenden Manfred Weber (CSU) im Alleingang organisiert. Resultat: Die „Woche für das Leben“ im EU-Parlament beschränkte sich im Frühjahr 2015 auf eine blasse Nachmittagsveranstaltung ohne jede Außenwirkung.

Ditte Frucht: Die Intergruppe für Familie hat sich zwar endlich konstituiert. Vorausgegangen war aber ein seit den EU-Wahlen anhaltendes Ränkespiel. Die langjährige Vorsitzende Anna Zaborska sollte von ihrem Vorsitz vertrieben werden, weil sie die Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau öffentlich verteidigt. Dieser Standpunkt wird jedoch von manchen "Familienpolitikern" als gestrig und damit als das politische Konsensgeschäft störend wahrgenommen, unter anderen auch vom Vertreter der deutschen Kleinstpartei Familienpartei Deutschlands.

Vierte Frucht: Der offizielle Dialog der EU-Institutionen mit den Kirchen und Glaubensgemeinschaften führt zu einer fortschreitenden Banalisierung der christlichen Kirchen durch die EU. Nach Artikel 17 des Arbeits-und Funktionsvertrags der EU müssen alle in einem EU-Mitgliedsstaat anerkannten Kirchen oder Glaubensgemeinschaften von den EU-Institutionen angehört werden. Das führt einerseits dazu, dass der Apostolische Nuntius bei der EU schweigend in der Runde sitzt, während der Generalsekretär der COMECE (der Chef des Brüsseler Büros der Bischofskonferenzen) spricht. Dass der diplomatische Gesandte des Heiligen Stuhls im Range eines Erzbischofs sein Rederecht an einen Lobbyisten im Priesterrang abgeben muss, ist schon bemerkenswert. Andererseits führt das Konsultationsgebot der Kirchen und Glaubensgemeinschaften in der Praxis vor allem dazu, dass der Vertreter der römisch-katholischen Kirche genau nur die drei Minuten Redezeit erhält wie jeder andere Vertreter von weithin unbekannten – und in der Tat politisch völlig unbedeutenden – Glaubensgemeinschaften. In diesem Frühjahr fand der „Dialog mit den Kirchen und Glaubensgemeinschaften“ auf Geheiß des Parlamentspräsidenten Martin Schulz als „inter-religiöser Dialog“ zum Thema „Religiöser Radikalismus und Fundamentalismus“ statt. Mit der Formulierung "inter-religiös" wird allerdings suggeriert, dass es sich nur um einen Dialog zwischen den Kirchen und Glaubensgemeinschaften untereinander handelt, für den das EU-Parlament die Infrastruktur bereitstellt. Das widerspricht jedoch dem Arbeitsvertrag der EU. Ferner suggeriert die Themenformulierung, dass alle Religionen (also auch die jüdische und die christliche) mit dem islamischen Terror verglichen werden können, obwohl es um die aktuelle und vom politischen Islamismus ausgehende Terrorgefahr in den 28 Mitgliedsstaaten geht. Die Terrorgefahr wird übrigens von den Sicherheitsdiensten der EU-Institutionen in Brüssel als so akut eingeschätzt, dass ein anberaumter Meinungsaustausch im EU-Parlament mit Vertretern der verfolgten Christen im Irak aus Sicherheitsgründen kurzfristig abgesagt wurde.

Das Thema Christenverfolgung ist seit Monaten ein Top-Thema in den Medien. Dennoch unterließ der Berichterstatter Elmar Brok (CDU) in seinem Entwurf zum Jahresbericht der Hohen Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik jeden Hinweis auf die Notwendigkeit, die zunehmende und sich brutalisierende Christenverfolgung in der Welt auf höchster europäischer Entscheidungsebene zu thematisieren. Ein entsprechender Paragraph wurde erst in der Schlussabstimmung im Plenum durch einen mündlichen Änderungsantrag von konservativen Abgeordneten eingefügt, die der EVP nicht angehören.

An diesem Mittwoch (29. April) wird das Plenum in Straßburg eine Generaldebatte über die Tragödien im Mittelmeer und die Migrations- und Asylpolitik der EU führen. Außerdem steht eine Aussprache über die Ermordung der christlichen Studenten in Kenia durch die Terrorgruppe al-Schabab auf dem Programm. Solche Debatten sind als Indikatoren für ein „geistliches Röntgenbild“ kaum geeignet. Sie enden nämlich in puren nicht-legislativen, also unverbindlichen, Entschließungen. Und diese Früchte sind politisch so viel wert wie Fallobst.

Beitrag erschien auch auf: i-daf.org

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Cornelius

Meine Güte, Alfred geh´ Holz hacken!

Gravatar: Joachim Datko

Religionen bremsen die geistige Entwicklung!

Zitat: "[...] dass Sie rechnen, lesen und schreiben können verdanken sie auschliesslich der christlichen Kirche (evangelische und katholische)."

Religionen sind rückwärtsgewandt, ihnen ist in der Regel alles suspekt, was mit dem Denken zu tun hat.

Die r.-k. Kirche hatte sogar eine lange Liste mit Büchern, die ihre einfachen Mitglieder nicht lesen durften. Selbst die Kritik der reinen Vernunft von Immanuel Kant war auf dieser Liste, ein harmloses Buch. Da hatten die Oberpriester aber richtig erkannt, dass Vernunft ein Feind der Religionen ist.

Gravatar: Magnus

@Datko
Schon durchschaut!
Nach soviel Gegenwind bleibt jetzt wohl nichts anderes mehr übrig, als sich das Physiker- und Philosophen-Schild um den Hals zu hängen. Nützt aber alles nichts!

Gravatar: Karin Weber

>> Lohnt es sich noch konservativ zu sein? Konservative Werte wie Kinder und Familie, Ehre und Anstand, Blut, Schweiß und Tränen, Treue und Vaterland? Igittigitt. Damit kann man vielleicht ein KZ betreiben, aber keine moderne Volkspartei mehr. Achim Winter wundert sich, wo der Konservatismus geblieben ist – und wohin die Union entschwindet. Denn die ist vorne, nicht hinten.

Achim Winter warnt: Bloß nicht konservativ sein, sondern mit der CDU und Claudia Roth dahin, wo der Regenbogen den Boden berührt. <<

Quelle: http://www.rolandtichy.de/kolumnen/winter-oben-ohne/konservativ-der-schwitzende-dicke-onkel-in-der-ein-frau-ehe/

Gravatar: Magnus

Danke Herr Feldmann, sehr prägnant!
Kann mich Ihrem Post an Datko nur anschließen!

Gravatar: Rüdiger Braun

Lieber Herr Datko,
dass Sie rechnen, lesen und schreiben können verdanken sie auschliesslich der christlichen Kirche (evangelische und katholische).

Gravatar: Joachim Datko

Das "Christentum" war früher bei uns ein Zwangssystem!

Zitat: "Die “C”Parteien müssen ihren Namen ändern, das geht schon an Etikettenschwindel!"

Auch das wäre ein Teil der Befreiung der Menschen aus den Klauen des "Christentums". Es gibt keinen Gott, es gibt keine Götter. Die Geschichten um den angeblich wundertätigen Wanderprediger sind nicht authentisch, sie sind erlogen.

Interessant:
2014 hat die evangelische Kirche nach meiner Hochrechnung weit über 400.000 Mitglieder verloren. Es gehen unter 3,4% der verbliebenen Mitglieder am Sonntag in die Kirche.
Siehe: http://www.monopole.de/aktuelles/kirchenaustritte-steigerung-evangelische-landeskirchen-2013-2014/

Joachim Datko - Physiker, Philosoph
Forum für eine faire, soziale Marktwirtschaft
http://www.monopole.de

Gravatar: Stellmacherei

@ P.Feldmann
Hier kann ich Ihnen nur zustimmen! Die bundesdeutschen C-Parteien sind nur noch Parteien der „Kultur des Todes“, alles Vettern und Cousinen von Lenin, daher auch die FDJ-Tante an der Spitze.
Auch Ihre Anmerkungen zu dem Datko kann ich nur beipflichten. Ihre Ratschläge wird der Datko – ein Mensch frei von jeglichem Geist und außerdem vorsätzlich ignorant – selbstverständlich überhaupt nicht begreifen können.

Gravatar: Alfred

Hoffentlich hört die Zwangschristianisierung endlich auf.
Manche vergleichen das Christentum mit dem Ku-Klux-Klan.

Gravatar: Karl Brenner

Wer mehr über die Hintergründe dieses "erstaunlichen Erfolges" der Kirchengegner und Abtreibungsbeführworter sucht, der findet im Folgenden eine nette kleine Übersicht...

http://www.katholisches.info/2014/06/05/12-milliarden-fuer-abtreibungslobby-warren-buffett-der-maezen-des-todes/

Weiterere Erkenntnisse erschließen sich mit Hilfe eines Transfers.
Drastischere Worte spare ich mir.

Zur Religion:
Sie ist unvermeidlich. Gesellschaften ohne Religion sterben aus oder bringen sich und andere um (siehe Nationalsozialisten, Kommunisten, ,,,), Deshalb werden sie erbittert bekämpft.
Es waren überzeugte Christen und Juden, welche die Wissenschaften weiter gebracht haben (Kopernikus, Keppler, Newton, Leibniz, Pascal, Einstein, etc),
Und es waren überzeugte Christen, welche ihren Staat unabhängigen vorrangebracht haben.
Religion ist der Klebstoff der Gesellschaft.
Die Gegner haben nichts, außer ihren Glauben, dass der Glauben der anderen etwas falsches ist. Das ist keine besonders helle und positive Basis. Diese Leute (wie auch Buffet) suchen ihr Heil ausschließlich in der Veränderung anderer.

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang