Bosbach und Willsch

Wie Mutti ESM-Sünder bestraft

Klaus-Peter Willsch und Wolfgang Bosbach sind gestandene CDU-Urgesteine. Weil sie sich gegen den ESM und die Euro-"Rettungs"-Politik der Regierung gewandt haben, hat Angela Merkel die beiden kaltgestellt.

Veröffentlicht:
von

Die traditionelle Theologie lehrt die Existenz von sieben Todsünden. Und auch der säkulare Zeitgenosse kennt sie zumindest noch aus dem Kino. Schließlich gibt es den Film „Sieben“ mit Morgan Freeman in der Hauptrolle. Oder war es Laurence Fishburne? Samuel L. Jackson? Schwierig auseinanderzuhalten ... aber egal.

Das Todsündenkonzept taugt unverändert zur Erläuterung diverser Sachverhalte. Zum Beispiel mit Blick auf die aktuellen Schwierigkeiten im Euroraum: Da sind Völlerei, Wollust und Trägheit, die die hilfsbedürftigen Staaten in die Krise geführt haben. Da sind Neid und Habgier, die sie nach gigantischen Hilfspaketen rufen lassen. Da ist der Hochmut der Besitzenden, die meinen, sie könnten alle, aber auch wirklich alle Lasten schultern. Und da ist schließlich der Zorn auf die Vielfalt Europas, der um jeden Preis eingeebnet werden muss – koste es, was es wolle.

Die fünf Todsünden wider den ESM

Doch trotz ihrer beeindruckenden Erklärungskraft haben sogar die Todsünden heutzutage einen schweren Stand: Sie erscheinen auch manch Eingeweihtem als nicht mehr „zeitgemäß“ und „irgendwie künstlich“. Aber selbst wenn man sie „gewiss nicht völlig verändern“ kann, kann man doch zumindest „Kriterien erarbeiten, anhand derer wir sagen können“: Die Todsünden lassen sich grundsätzlich beibehalten. Allerdings nur in reduzierter Anzahl, mit neuem Inhalt und mit ins Gegenteil verkehrter Zielrichtung.

Und auf der Basis einer solchen Nouvelle Théologie nach Hausmacherart gibt es dann gar immer noch Lästerungen, die nicht vergeben werden, jedenfalls nicht von der Allerhöchsten. Schuldig geworden in diesem Sinne sind die Bundestagsabgeordneten Klaus-Peter Willsch und Wolfgang Bosbach. Und ihre Unbußfertigkeit wird in der CDU mit Verderben bestraft, zumindest von der Herrin dieser Welt: Klaus-Peter Willsch hat nicht nur sein Amt als Unionsobmann im Haushaltsausschuss verloren, sondern auch gleich seinen Ausschusssitz an sich. Und Wolfgang Bosbach wurde vom einstigen Ministerkandidaten zum Außenseiter gestempelt, dessen Fresse selbst Ronald Pofalla nicht mehr sehen kann – worin sich ein feines Gespür für Ironie offenbart.

Doch was genau haben Willsch und Bosbach verbrochen?

… dass man ein solch scharf Urteil hat gesprochen

Die erste Todsünde der beiden Politiker besteht darin, dass sie ihre Kritik am Europäischen Stabilitätsmechanismus mit direkten Angriffen auf die Regierung verknüpft haben. So beklagt Klaus-Peter Willsch zeitungsöffentlich, dass nie „über inhaltliche Änderungen“ am ESM diskutiert worden sei. Vielmehr habe man die Parlamentarier immer nur „über den jeweiligen Verhandlungsstand informiert“ und damit „vor vollendete Tatsachen“ gestellt. Zudem wirft er der Bundesregierung vor, die Durchführungsbestimmungen zum Stabilitätsmechanismus „nur wenige Tage vor Beschlussfassung an den Bundestag übermittelt“ zu haben. Es sei so „schlichtweg nicht möglich gewesen“, fünfzehn englischsprachige Dokumente mit einem Umfang von über neunzig Seiten adäquat durchzuarbeiten. Dabei hätten die Dokumente „gemäß ihres Datums teilweise bereits wochenlang“ vorgelegen, berichtet Willsch in unbotmäßiger Offenheit. Ferner spricht er kaum verhohlen von Erpressbarkeit: Die Kanzlerin habe sich das Ja der europäischen Linken zum ESM „abpressen lassen“, indem sie „Ausgabenprogramme in dreistelliger Milliardenhöhe“ zugesagt habe.

Eine zweite Sünde, die offenbar nicht vergeben werden kann, liegt in Willschs Verweis auf die geplante Einrichtung einer zusätzlichen „Fazilität des finanziellen Beistands für Mitgliedstaaten, deren Währung nicht der Euro ist”. Diese habe die EU „relativ unbemerkt von der politischen Öffentlichkeit implementieren“ wollen, ist sich der Abgeordnete sicher. So hätte man den Boden dafür bereitet, dass künftig auch „Staaten wie Rumänien und Bulgarien ‚gerettet‘ werden“ können“. Und das durch Darlehen und Kredite im Volumen von bis zu fünfzig Milliarden Euro, über die allein in Brüssel entschieden worden wäre! Einen solchen Torpedo aus den eigenen Reihen auf eine „erweiterte Rettungspolitik“ dürfte die Kanzlerin wohl nicht verzeihen.

Integrationsideologen vs. Selbstbestimmungsrechtler

Und auch die dritte Todsünde der beiden Parlamentarier trifft die Regierenden mehr als unangenehm. Denn Wolfgang Bosbach stellt die alles entscheidende Frage: „Wollen wir ein ‚Europa der Vaterländer‘ sein und bleiben, oder sollen die Mitgliedstaaten der EU in einem europäischen Bundesstaat aufgehen?“, bringt er das eigentliche Streitthema rund um den ESM auf den Punkt. Und auch Klaus-Peter Willsch scheut sich nicht, den Finger in die Wunde zu legen und klarzumachen, dass es beim Stabilitätsmechanismus letztlich nicht um eine währungspolitische Auseinandersetzung geht, sondern um einen Konflikt zwischen „Integrationsideologen und den Verfechtern des Selbstbestimmungsrechts der Europäischen Völker”. Diesen Streit sieht Willsch übrigens durch die ESM-Abstimmung als entschieden an, denn diese sauge „das Budgetrecht“ der nationalen Parlamente aus und hinterlasse diesen „nicht mehr als dessen leere Hülle“. Diplomatischer, aber in der Sache ähnlich formuliert es Wolfgang Bosbach: Mit dem dauerhaften Rettungsschirm „dürften wir an der Grenze dessen angelangt sein, was unser Grundgesetz an Kompetenzverlagerung auf die EU-Ebene zulässt. Einige meinen sogar, schon hier wäre diese Grenze überschritten“. Wobei „einige“ hier wohl richtig liegen.

Unverzeihlich ist zweifellos auch die vierte Todsünde der beiden Abgeordneten: Sie haben die Argumentation des eigenen Wahlprogramms (un)bekümmert ad absurdum geführt. Denn für Klaus-Peter Willsch ist klar: „Ökonomisch bringt der ESM die Haftungsunion. Denn jede Anleihe, die er auflegt, um damit Schuldenstaaten zu finanzieren, ist ein Eurobond“. Dabei sollte das „strikte Nein“ von CDU und CSU zu den Eurobonds doch für die Unionsparteien der Wahlkampfschlager schlechthin werden! Doch auch Wolfgang Bosbach durchkreuzt die verwegene Idee der Parteistrategen: Mit dem ESM „gehen wir mit großen Schritten von der Währungsunion in Richtung Haftungs- und Schuldenunion, und exakt das sollte bei der Einführung des Euro vermieden werden“, schenkt er seinen Wählern reinen rheinischen Wein ein.

Und schließlich begehen Willsch und Bosbach den „Fehler“, dass sie den Stil der Debatte über den Stabilitätsmechanismus frontal attackieren – und zwar sowohl den der Binnen- als auch jenen der Butendiskussion. Innerparteiliche Auseinandersetzungen gehörten „zur politischen Arbeit wie das Holz zur Schreinerei“, räumt Wolfgang Bosbach ein. Doch dass „Kollegen“ den Journalisten „hinter vorgehaltener Hand zuflüstern, ich würde ja nur deshalb mit ‚Nein‘ stimmen, weil ich frustriert sei“, müsse als „klassischer Fall der üblen Nachrede“ gelten. Und auch Klaus-Peter Willsch spricht Klartext: Der Bundestag sei von der Regierung „unter gewaltigen Entscheidungsdruck“ gesetzt worden, so dass er letztlich „gar nicht mehr frei“ gewesen sei in seinen Beratungen. Und mit Blick auf die externe Debatte gesteht Wolfgang Bosbach, er könne sich an keine Phase seines politischen Wirkens erinnern, in der „die Diskrepanz zwischen Regierenden und Regierten so groß war, wie in dieser Zeit“. Dabei hätten gerade die einfachen Leute „ein unglaublich feines Gespür dafür, ob die Politik wirklich in der Lage ist, die gravierenden Probleme auf Dauer zu lösen, oder ob sie in größter Eile immer wieder neue Entscheidungen treffen muss, um noch Schlimmeres zu verhindern“. Direkt an die Parteiführung adressiert, fügt Bosbach hinzu: Wenn die große Mehrheit „der Deutschen die Ausweitung des Euro-Rettungsschirmes ablehnt, dann kann man diese Haltung nicht mit Hinweis darauf quittieren, die Leute würden nicht so richtig durchblicken“. Und schließlich herausfordernd gegenüber der Bundeskanzlerin: „Den Dialog mit dem Volk suchen genügt nicht, man muss ihn auch finden und dann führen“.

Den Dialog mit Bosbach und Willsch hat „man“ inzwischen geführt – und die beiden kaltgestellt.

(Schicksale der ESM-Gegner Teil 3)

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Joachim

.....Bosbach passt nicht zur AFD. Er ist nur Stimmenfänger in der CDU. Im Fall Homann hat er mit den Wölfen geheult!
Solche Mitläufer braucht die AFD nicht. Die gibt es in den Altparteien in Massen!

Gravatar: Paschasius

Mir ist eh unverständlich eine Frau ohne Kinder Mutti zu nennen.
Aber viel wichtiger wäre die Vergangenheit von IM Erika deutlicher darzustellen.
Aber eines ist viel wichtiger Ein Amtseid sollte einklagbar sein und nicht nur ein politisches Ritual ohne Bedeutung!
Politiker dürfen Meineide begehen, für diese Handlung kommt ein Bürgen nicht unter 2 Jahren ins Gefängnis !

Gravatar: Horatio Nelson

...... eine politisch gedankenzeugungsunfähige, ideenlose, Intrigantin ....
Grüße,
Horatio Nelson.

Gravatar: reiner tiroch

wenn es kracht könnte es sein, dass alle politiker kaltgestellt werden.

Gravatar: haberer

Braucht die AfD Herrn Bosbach? Ehrlich, der Mann gefällt mir, auch sein Werdegang. Hat noch eine gesunde Logik. War wohl schon zu erfahren, dass ihm sein Jurastudium geschadet hätte. Sonst regieren uns fast ausschließlich Juristen und da ist nichts mehr logisch.

Gravatar: Florian Hillen

Tja, einen Kopf wie den Bossbach gibt es in der AfD leider nicht.

Gravatar: Karin Weber

Die beiden sollen die Altlastenpartei CDU verlassen und zur AfD wechseln. Es gibt mittlerweile Alternativen zur Einheitspartei Deutschlands. Sich mit diesen Apparatschniks weiter auseinanderzusetzen bringt nichts.

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang