Offener Brief von Alexis Tsipras

Wer hat Angst vor SYRIZA?

Alexis Tsipras will mit einem Offenen Brief den Deutschen die Angst vor SYRIZA nehmen. Doch die Betrachtung der Umstände legt nahe, dass er an den Grundproblemen Griechenland nichts ändern wird.

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Das griechische Drama hat offenbart, wie fragil das deutsch-griechische Verhältnis gewesen ist und wohl noch eine Weile bleiben wird. Plötzlich werden den deutschen von den Griechen alte Rechnungen neu präsentiert – die Schatten des Zweiten Weltkrieges sind lang. Umgekehrt fragen sich immer mehr Deutsche, ob die Griechen zuverlässige Partner in einem zusammenwachsenden Europa sein werden – und wenn nicht, wie teuer das die Deutschen kommt.

Kurz vor der Wahl hat sich der Chef der griechischen SYRIZA, also des Bündnisses linker Parteien, das am Sonntag die Wahl gewonnen hat, an die Deutschen gewendet. In einem offenen Brief, versucht Alexis Tsipras die Bedenken der Deutschen gegenüber SYRIZA zu zerstreuen. Er stellt in diesem Brief seine Sicht auf die aktuelle Problematik dar und versichert, dass seine Partei für eine Lösung eintrete und nicht Teil des Problems sei.

Als Griechenland 2010 pleite gewesen sei, habe die EU den Fehler begangen zu glauben, dass man sein Land wieder aus der Krise führen könne, wenn es nur ausreichend sparen würde. Doch damit habe man das Ziel nicht erreichen können, sondern lediglich »die Umstände für eine sich verstärkende Krise geschaffen, die die Grundlagen Europas unterminiert.« Dadurch sei die griechische Wirtschaft zerstört worden, die Bevölkerung verarmt. Tsipras: »Die griechischen Schulden sind gegenwärtig nicht tragfähig und können niemals bedient werden, insbesondere solange Griechenland einem fortgesetzten fiskalischen Waterboarding ausgesetzt wird.«

Was er zu tun gedenkt, um das Land zu stabilisieren, den Haushalt auszugleichen und die griechischen Steuerzahler zu entlasten, schreibt Tsipras indes nicht. Will er den Gordischen Knoten mühsam auseinanderfriemeln oder einfach zerschlagen? Auf Kosten der Deutschen soll die Entlastung der Griechen jedenfalls nicht erfolgen, sondern »mit Blick auf die gegenseitigen Vorteile für alle Europäer.« Vor SYRIZA müssten die Deutschen keine Angst haben, schließlich sei seine Partei unschuldig am Nepotismus und der Korruption in Griechenland, die echte Reformen verhinderten.

Den Gordischen Knoten zerschlagen?

Nun hat Tsipras die Wahl deutlich gewonnen, rund ein Drittel der Wähler scharte sich am Sonntag um SYRIZA. Die Erwartungen seiner verarmten, deklassierten Gefolgschaft sind groß. Zu groß, um sie einlösen zu können, meint der griechische Soziologe Michael Kelpanides im Interview mit der FAZ. Er sieht den charismatischen Populisten in einem Dilemma: »Je realistischer er handeln wird, desto mehr werden Gruppen seiner Klientel abfallen. Hält er dagegen an demagogischen Maximalforderungen fest, läuft er Gefahr, dass es den Europäern irgendwann zu viel wird und sie Griechenland fallenlassen.«

Ein besonderer Klotz am Bein von Tsipras sind nicht nur die Staatsschulden und die Finanzminister der Geberstaaten, sondern auch sein eigenes Parteienbündnis, das sich aus den üblichen linken Splitterparteien und Gruppierungen zusammensetzt. Normalerweise würde sie kaum jemand wählen. Doch in der gegenwärtigen Lage erscheinen sie nicht mehr nur in linken Intellektuellenzirkeln als Alternative zum korrupten System, wie Kelpanides erklärt. Es handelt sich um orthodoxe Marxisten, die nun glauben, endlich, endlich die so oft hin- und herdiskutierten Dogmen in Politik umsetzen zu können. Da die Wirtschaftspolitik keine Spielräume zulässt, werden sie sich seiner Ansicht nach der Kultur- und Bildungspolitik zuwenden.

Insgesamt aber wird SYRIZA allerdings, meint Kelpanides, sich kaum anders verhalten als die kritisierten etablierten Parteien, die das Land heruntergewirtschaftet haben. Denn auch die wurden gewählt – zum Teil von denen, die sich jetzt SYRIZA zugewandt haben. Die hohen Erwartungen von jenen »entlassenen oder unzufriedenen Staatsdienern« lasten nun auf ihr, jenen, »die ihre Stellen in der überbesetzten öffentlichen Verwaltung dem Nepotismus ihrer Abgeordneten-Patrone verdankten und ausgesorgt zu haben glaubten. Ihnen hat Syriza fest versprochen, sie wieder einzustellen.« In der Folge wird die Parteien-Partei wie die anderen auch das »System der Korruption, des Nepotismus und des Klientelismus« aufrechterhalten und fortsetzen, prophezeit Kelpanides.

Wenn man sich die schwammigen Ankündigungen Tsipras‘ in seinem Offenen Brief vergegenwärtigt, dann gewinnen Kelpanides‘ Analyse und Prognose an Plausibilität. Was will Tsipras denn tun? Er kann, wie schon andere griechische Politiker vor ihm, versuchen, die Mehrheit der Euro-Staaten zu erpressen. Wenn er sich und seine Möglichkeiten dabei nicht überschätzt. Aber auch wenn dieses Spiel funktionieren würde, dann hätte das Folgen, an denen keinem gelegen sein kann. »Ich fürchte, dass Griechenland mit einer Syriza-Regierung den letzten Rest von Respekt und Glaubwürdigkeit im Westen verlieren wird«, meint Kelpanides. Der Entfremdungsprozess wäre noch nicht am Ende, möglicherweise vertieft er sich sogar.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Anonym

Whaaa ???
Gibt es hier eigentlich nur Populisten und Lobbygruppen ???!!!!

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