Investorenschutz versus Bürgerrechte

Wenn der Konzern Dir Gesetze vorschreibt

TTIP würde den Bürgern weniger Sorgen bereiten, wenn es transparenter und nicht unumkehrbar wäre. Korrekturen müssten im Nachhinein möglich sein, ohne Schadensersatzklagen befürchten zu müssen.

Foto: Thorben Wengert / pixelio.de
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TTIP oder nicht TTIP? Das, was die umstrittenen Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP („Transatlantic Trade and Investment Partnership“) und CETA („Comprehensive Economic and Trade Agreement“) zwischen der EU, den USA und Kanada so befremdlich und unheimlich macht, sind zum einen die verdächtige Geheimniskrämerei und zum anderen die verzwickten Investitionsschutzklauseln. Diese Klauseln erschweren es den souveränen Staaten, nachträglich Gesetze zu erlassen, die mit dem Abkommen nicht konform gehen. Es drohende horrende Schadensersatzforderungen der multinationalen Konzerne an die Staaten. Am Ende zahlt der Steuerzahler. Und es kommt noch schlimmer: Am liebsten wollen die Konzerne an den Gesetzen gleich mitschreiben. „Regulatorische Kooperation“ nennen sie das.

Sonderrecht für Konzerne: Während Bürger und kleine Firmen sich im Streitfall an die staatlichen Gerichte wenden müssen, können die multinationalen Konzerne auf geheime Schiedsstellen (ISDS – „Investor-State Dispute Settlement“) ausweichen. Statt ordentlicher Gerichte, sollen bald private Anwaltskanzleien den Schiedsrichter spielen. Und diese können sich das Ganze teuer bezahlen lassen – vom Steuerzahler, versteht sich. Was für ein Geschäftsboom wartet auf diese Anwälte, wenn sie die internationalen Unternehmen weltweit dazu ermuntern können, nationale Gesetze nach „Handels- und Investitionshemmnissen“ abzuklopfen, um Schadensersatz für angeblich entgangene Gewinne einzufordern?

Wo bleibt das Vertrauen in den Rechtsstaat?

Selbst in der freihandelsfreundlichen FAZ hat man inzwischen eingesehen, dass die so genannten Investitionsschutzabkommen (ISDS) im Grunde nichts mit Freihandel zu tun haben, sondern vielmehr ein Eingriff in die nationalstaatliche Souveränität sind. Wozu braucht man Investitionsschutzabkommen in Staaten, in denen bereits sowohl das Eigentum als auch die Vertragsfreiheit rechtlich geschützt sind? Handelt es sich hier um einen Ausdruck des Misstrauens der Investoren in die Rechtstaatlichkeit des Landes?

Deutschland gehört – im internationalen Vergleich – zu jenen Ländern mit tendenziell geringer Korruption. In Deutschland rühmt und müht man sich, ein Rechtsstaat zu sein. Rechtsstaatlichkeit hat hierzulande einen hohen Stellenwert. Wer sein Recht bekommen will, muss den üblichen Rechtsweg beschreiten. Das gilt für Bürger wie für Unternehmen. Warum sollen große multinationale Konzerne und superreiche Investoren Sonderrechte bekommen, indem ihnen besondere Rechtswege geebnet werden?

Auch wenn die Mühlen der staatlichen Gerichtsbarkeit langsam mahlen, darf es keine Abkürzungen geben, die nur von jenen beschritten werden dürfen, die es sich leisten können. Wer garantiert außerdem, dass geheime Schiedsstellen privater Anwaltskanzleien fairer seien als die ordentliche Gerichtsbarkeit? Welche Kontrollinstitutionen sollen das garantieren?

Wollen wir die „Regulatorische Kooperation“?

Geheimnistuerei macht verdächtig. Wären die Abkommen lediglich Maßnahem zur Beglückung der Menschheit, gäbe es keinen Maulkorb für Regierungen und Medien. Tatsache ist, dass zahlreiche Aspekte von CETA und TTIP tief in die demokratischen Spielräume der Staaten und ihrer Bürger eingreifen.

Ein Beispiel ist die umstrittene „Regulatorische Kooperation“. Worum geht es? Um die Zahl jener möglichen Gesetzesinitiativen und Gesetzesbeschlüsse gering zu halten, die eventuell mit den Klauseln der Abkommen nicht hundertprozentig konform gehen, sollen diese frühzeitig als „Handelshemmnis“ erkannt, gekennzeichnet und verhindert werden. Ein spezielles Gremium, nämlich der „Regulatory Cooperation Council“ – in dem unter anderem Vertreter der Konzerne und Investoren sitzen – würde vorab prüfen, ob ein Gesetzesvorhaben mit TTIP oder CETA vereinbar sei. Ist es dies nicht, soll es nicht zur Abstimmung freigegeben werden. Damit ist klar: Die Demokratie und der demokratische Entfaltungsraum der Zivilgesellschaft wird durch diese Interessensvertretungen zusätzlich eingeschränkt.

Was ist uns die Demokratie wert?

Letztlich geht es um die Frage der Priorität. Zählt am Ende primär die Sicherheit des Investors oder das demokratische Recht der Bürger auf Gesetzesinitiativen? Plutokratie oder Demokratie? Bevor man vorschnell der einen oder anderen Richtung zuneigt, wäre es sicherlich sinnvoll, wenn es zunächst einen öffentlichen und ehrlichen Diskurs gäbe. Vielleicht ergäbe sich am Ende ein Konsens, mit dem (fast) alle zufrieden sein könnten?

Doch danach sieht es momentan nicht aus. Solange die Verantwortlichen sich permanent der wichtigen Kritik entziehen, ist es nicht verwunderlich, wenn Abkommen wie TTIP, CETA und TiSA in der Bevölkerung mehrheitlich auf Ablehnung stoßen.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Markus Estermeier

Unter sehr begrenzten Umständen kann man TTIP und CETA sogar verstehen. Ich denke hierbei an unseren durch einen Ethikrat begründeten und überstürzten Atomausstieg im Jahr 2011.
Der im Jahr 2010 mit den Energiekonzernen geschlossene Vertrag zum Abschalten der Kernkraftwerke wurde damit zur Makulatur. Insbesondere die internationalen Investoren (besonders bei E.ON) sowie im Fall Vattenfall (schwedischer Staatskonzern), sehen die Kapitalgeber hier eine Möglichkeit den Staat regresspflichtig zu machen.
Mit TTIP und CETA schlägt aber das Pendel ins andere Extrem aus. Nachweislich berechtigte Restriktionen und Verbote können damit verhindert werden.

Nun hat diese Aktion ja noch ein ganz besonderes Gschmäckle. Nehmen wir als Beispiel mal Medikamente. Ist ein Medikament in Deutschland einmal zugelassen, muss der Patient im Schadensfall den konkreten Nachweis der Ursache --nicht deklarierte Nebenwirkung des Medikaments-- erbringen. Erst wenn dieser Nachweis in mehreren hundert Einzelklagen gelungen ist, wird dieses Medikament hierzulande verboten.
In Amerika läuft das etwas anders. Dort reicht ein (1) begründeter Verdacht, und viele tausend tatsächliche und vermeintliche Opfer können sich einer Sammelklage anschliessen. Der Ausgang dieses Prozesses führt dann im Erfolgsfall zum sofortigen Handelsverbot und Schadensersatzansprüchen.
Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass US-Schiedsgerichte anderen Nationen die gleichen restriktiven Rechte zugestehen werden, wie sie im eigenen Land praktiziert werden.

Gravatar: Alfred

Sie irren. TTIP bereitet den Bürgern grundsätzlich Sorgen. Das Recht würde privatisiert werden.

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