EPIC-Beobachtungsstudie

Vegetarierlobby verbreitet Falschinformationen

Sterben Fleischesser früher? Ja, sagen die Lobbyisten vom Vegetarierbund Deutschlands. Doch aus der Beobachtungsstudie EPIC kann man diese Behauptung nicht herauslesen. Eher das Gegenteil.

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Anfang März verlinkten die Vegetarierlobbyisten des Vegetarierbundes Deutschland (VEBU) zu einem Artikel auf ihrer Website: »Fleischkonsum erhöht Sterberisiko«, visualisiert mit einem Friedhofsbild, das Grabsteine zeigt, soweit das Auge reicht1. Basis dieser »Todesdrohung« war die Beobachtungsstudie EPIC2. »Diese Meldung zeigt ein beliebtes Täuschungsmanöver in Sachen Ernährung: Den Menschen wird eine Ursache-Wirkungs-Beziehung vorgegaukelt, die eine Beobachtungsstudie nun mal nicht liefern kann«, kritisierte Udo Pollmer, Wissenschaftlicher Leiter des Europäischen Instituts für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften (EU.L.E. e.V.). Die Überschrift verdreht bewusst die Aussagen der Studie: »Hier wuchern die Falschinformationen: sowohl im VEBU-Beitrag als auch in der Originalstudie, die seitens der Vegetarier-Redaktion entweder nicht gelesen oder bewusst falsch interpretiert wurde.«

In dieser EPIC-Studie wurde die Sterberate mit dem Fleischkonsum korreliert. Dabei fanden die Autoren weder einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen dem Verzehr von rotem Fleisch noch von Geflügel mit den Todesfällen. Lediglich für »verarbeitetes Fleisch« will die Studie eine moderate Korrelation mit der Mortalität beobachtet haben – die jedoch bei detaillierter Analyse der Originaldaten fragwürdig ist. Im VEBU-Artikel liest sich das dann so: »Es konnte gezeigt werden, dass der Konsum von rotem, insbesondere verarbeitetem Fleisch einen hohen Einfluss auf die Gesamtmortalität hat.«

Damit wird dem Leser suggeriert, die Studie habe ergeben, dass Steaks und Hamburger sein Leben nennenswert verkürzen. »Das ist gewagt«, erklärt Pollmer. »Denn der Studie zufolge hat weder ›rotes Fleisch‹ noch ›insbesondere‹ verarbeitetes Fleisch, sondern wenn überhaupt nur verarbeitetes Fleisch einen statistischen Einfluss – und zwar auch nur einen ›moderaten‹ und keinen ›hohen‹, wie der VEBU behauptet.« Doch der VEBU setzt noch einen drauf: »Nicht nur die Gesamtmortalität erhöhte sich durch den Fleischkonsum, sondern auch das Sterberisiko an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs«. Genau das wird aber in der Studie verneint: Kein statistisch signifikanter Zusammenhang von »Rotfleisch« mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs.

Mehr Geflügel, längeres Leben!

Die EPIC-Autoren stellen fest, dass »Wenig-Geflügel-Esser« eher ins Gras beißen als »Viel-Geflügel-Esser«. Weiter war die Gesamtmortalität bei den Wenig- bis Kein-Rotfleisch-Essern höher im Vergleich zu nahezu allen anderen Gruppen. »Auch wenn diese eigentlichen Hauptbotschaften in der Studie nur Randnotizen sind, weil sie nicht ins propagierte Bild passen – allein die Tatsache, dass sogar die Autoren auf diese Zusammenhänge hinweisen, sollte dem VEBU zu denken geben«, meint Pollmer. Die Autoren resümieren dementsprechend eindeutig: »Es scheint, dass ein geringer, aber nicht ein Null-Fleischkonsum gesundheitsfördernd sein könnte.« Das muss der VEBU wohl überlesen haben. Ja, der Vegetarier muss eben bisweilen als erster ins Gras beißen – falls die Daten stimmen.

Aber wurde die Studie überhaupt richtig gelesen? Denn selbst der Zusammenhang zwischen verarbeitetem Fleisch und Mortalität ist dubios, da er auf einem verschleiernden Rechenkonstrukt basiert. Schaut man sich diese Zahlenspielchen genauer an, findet man beispielsweise folgende Info: Der »moderate« Zusammenhang zwischen verarbeitetem Fleisch und Mortalität gilt den Autoren gemäß nur für Männer, nicht für Frauen. Merkwürdig. Jedoch ergibt sich auch hier ein ähnliches Bild wie bei rotem Fleisch und Geflügel: Männer, die keine oder sehr wenig Wurst essen, landen früher im Sarg. »Dumm gelaufen«, meint Pollmer.

Nimmt man sich Studie noch näher zur Brust, kommen weitere Tricksereien zu Tage: unterschiedliche Berechnungsgrundlagen der Sterblichkeit; die statistische Signifikanz der Daten ist vielfach nicht gegeben; mathematische Berechnungslinien sind nicht nachvollziehbar. Pollmer kritisiert: »Und zu guter Letzt sucht man vergeblich nach einer klaren Definition, was die Autoren mit ›verarbeitetem Fleisch‹ eigentlich meinen. So bleibt unklar, ob beispielsweise Chicken-Nuggets Geflügel- oder Verarbeitungsfleisch sind oder für beide Kategorien verwendet wurden.« Last but not least: Wäre die Studie professionell, dann hätten die Autoren den Zusammenhang zwischen der Sterblichkeit und dem Gesamtverzehr von Wurst und Fleisch geprüft. »Genau das ist unterblieben – zumindest haben die Autoren die Ergebnisse nicht mitgeteilt. Denn die Daten zum ›Gesamtverzehr‹ fehlen. Da hätte man vermutlich schnell erkennen können, dass die ganze Studie wahrscheinlich ein Fake ist«, vermutet Pollmer.

Die Doppelmoral der Lobbyisten

Neben vegetarischer Desinformation spiegelt der aktuelle VEBU-Artikel auch die Doppelmoral wider, Studien »al gusto« ganz unterschiedlich zu bewerten: So hat der VEBU im Februar eine Studie der Medizinischen Universität Graz3 massiv angegriffen, die gezeigt hat, dass Vegetarier mehr Krankheiten haben als Fleischesser. Dabei postuliert die Studie keine Ursache-Wirkungs-Beziehung. Ganz im Gegenteil: Es wurde klar und deutlich darauf hingewiesen, dass hier nur Korrelationen vorliegen, für die es keine Erklärung gibt. Nur ein paar Tage nach der VEBU-Graz-Kritik erschien dann die »Fleischkonsum erhöht Sterberisiko«-Ente auf der Bildschirmfläche.

Nur der Vollständigkeit halber: Würde man an die Grazer Studie den aktuellen VEBU-Standard anlegen, so hätte die Headline heißen müssen: »Vegetarische Ernährung erhöht Krankheitsrisiko.« Und als Bild – passend zur Aussage der Studie – vielleicht eine psychiatrische Anstalt, denn auch Depressionen und Angststörungen traten bei den Pflanzenköstlern vermehrt auf. Deshalb folgert Pollmer: »Passt eine Studie irgendwie ins Bild, dann grölt die Szene. Passt sie nicht, dann wird öffentlich gekeift, die Studie habe Mängel, wäre schlecht gemacht und die Ergebnisse seien unbrauchbar.«

Pollmer: »Es geht doch nicht darum ›passende Studien‹ zu finden, sondern darum, belastbare Daten von Studienmüll zu trennen. Vermutlich ist es ein Streit um des Kaisers Bart, denn: Die EPIC-Oxford-Analyse hatte bereits ergeben, dass sich Vegetarier und Fleischesser in punkto Gesamtmortalität nicht unterscheiden4. Zumindest das ist halbwegs glaubhaft.«

Literatur

1. »Fleischkonsum erhöht Sterberisiko«, VEBU-Website, verlinkt am 5.3.14 von der VEBU-facebooksite

2. Rohrmann S, et al.: Meat consumption and mortality - results from the European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition BMC Medicine 2013; 63: 1-12

3. Burkert NT, et al.: Nutrition and health – the association between eating behaviour and various health parameters: a matched sample study Plos One 2014; 9: e88278- e88278

4. Key TJ1 etal.: Mortality in British vegetarians: results from the European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition (EPIC-Oxford). American Journal of Clinical Nutrition 2009; 89: 1613S-1619S

Quelle: EU.L.E. e.V.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Bismarck

Die Fleischproduktion wirkt sich vor allem ungünstig auf die Lebenserwartung der Schlachttiere aus.

Gravatar: Zeitobservist242

Eine andere Beurteilung von Ernährungslobby-ist Pollmer war auch nicht zu erwarten. Dem VEBU gebe ich als langjähriger Vegetarier (79) recht in der Beurteilung des Fleischessers.
Außerdem spielt wohl auch Ethik eine Rolle - oder ?

Gravatar: Oldchatter

Da kann ich nur sagen: Leben ist lebensgefährlich - keiner hat's bisher überlebt!!
Dann doch lieber die Zeit die mir noch bleibt mit ein paar Steaks "versüßen".
Was mag wohl die Ursache für diesen ganzen Wahn sein? Ich glaube, dass Menschen, die die Ewigkeit verloren haben, nun um jeden Tag hier auf Erden feilschen müssen.

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