Kommunen von Diskussion ausgeschlossen

TTIP: Demokratie auf den Kopf gestellt

Was haben Abkommen wie TTIP und Institutionen wie die EU gemeinsam? Sie widersprechen dem Subsidiaritätsprinzip! Statt von der Basis der Menschen aus zu denken, wird von oben herabreglementiert.

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Die als Freihandelsabkommen camouflierten internationalen Investitionsschutzabkommen TTIP, CETA und TiSA werden unser Leben verändern. Besonders in den Kommunen, Städten und Gemeinden werden die Abkommen heiß diskutiert. Denn auf sie werden große Herausforderungen zukommen. Die Bevölkerung will am Diskurs teilhaben, sie will mitwirken, mitdiskutieren, mitentscheiden. In den Städten und Gemeinden sowie in zahlreichen Vereinen und Verbänden können sie dies tun. Und sie tun es.

Doch gewollt ist dies nicht. Wir erinnern uns an die Aufforderung der EU-Kommission vor einigen Monaten, in der von den Mitgliedsländern gefordert wurde, in den Medien möglichst nur positiv über TTIP zu berichten. Nun werden auch die Kommunen einen Maulkorb bekommen. Und das sorgt für viel Kritik, Protest und Diskussionsstoff.

Wie unter anderem „Deutschlandradio Kultur“ berichtet, wurde der wissenschaftliche Dienst des Bundestages beauftragt, die Mitwirkungsmöglichkeit der Kommunen hinsichtlich der Abkommen rechtlich unter die Lupe zu nehmen. (Siehe auch hier und hier).

Und das ist dabei herausgekommen: Im Infobrief des Bundestages steht unter anderem (Abschnitt 3, Seite 6): „Unabhängig von der Frage, welche staatliche bzw. europäische Ebene für den Abschluss der geplanten Freihandelsabkommen zuständig ist, stellen diese nach den dargestellten Grundsätzen keine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft im Sinne des Artikel 28 Absatz 2 Satz 1 GG dar. Zwar mögen die Abkommen – unter Umständen auch erhebliche – Auswirkungen auf die Wahrnehmung kommunaler Aufgaben haben. Dies macht die Freihandelsabkommen aber nicht zu Angelegenheiten der öffentlichen Gemeinschaft.“

Und auf Seite 7 steht nochmals: „Dies hat zur Folge, dass auch der Gemeinderat als Verwaltungsorgan weder Beschlüsse fassen, noch sich überhaupt in politischer Hinsicht mit dem Abkommen befassen darf. Schon die Befassung als solche, d.h. schon die Erörterung des Themas, auch wenn danach kein Beschluss gefasst wird, wäre unzulässig.“

So weit, so schlecht. Doch Gesetz ist Gesetz. Haben die Kommunen überhaupt die Möglichkeit, sich irgendwie am Diskurs zu beteiligen? Hierzu sei noch mal das Gutachten zitiert: „Zulässig wäre eine Befassung hingegen, wenn diese nicht der politischen Erörterung der Abkommen, sondern etwaigen Entscheidungen gilt, die als Folge von Freihandelsabkommen auf dem Gebiet der kommunalen Aufgabenwahrnehmung zu treffen sind.“

Was heißt das alles im Klartext? Es heißt, die Kommunen dürfen jetzt noch nicht diskutieren. Aber wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist, dürfen sie über die Folgen diskutieren. Dann dürfen die Bürger und ihre Gemeinden darüber entscheiden, wer vor Ort die Suppe auslöffelt, die die Regierungen uns eingebrockt haben.

Subsidiaritätsprinzip durch Bevormundung von oben ersetzt?

Wie kann ein umfassendes Abkommen, das eine kleine Elite im Namen von rund 500 Millionen EU-Bürgern und 300 Millionen US-Bürgern beschließt, auf die Sorgen der Menschen einer kleinen Gemeinde Rücksicht nehmen, die besondere Bedürfnisse, Umstände und Traditionen hat? Die Antwort ist einfach: Gar nicht!

Dabei sollte eine funktionierende Demokratie, die der Zivilgesellschaft ein Maximum an individueller Freiheit sowie die Möglichkeit zur aktiven Einflussnahme auf den Lauf der Gesellschaft ermöglichen möchte, nach dem Prinzip der Subsidiariät organisiert sein.

Das Subsidiariätsprinzip ist ein ordnungspolitisches Konzept. Es strukturiert die Gesellschaft in Verantwortungsebenen im Sinne der freien Selbstbestimmung und Eigenverantwortung. Der Mensch als solcher ist frei und eigenverantwortlich. Was er alleine nicht regeln kann, wird auf die Ebene der Familie, dann der Gemeinde übertragen, in der er mitwirken kann. Was die Gemeinden und Kommunen nicht regeln können, wird der höheren Ordnung der Regionen und Länder übertragen. Was diese wiederum nicht leisten können, hat schließlich der Staat zu leisten. An der Spitze der Pyramide stehen die internationalen Abkommen.

Wird dieses Prinzip auf den Kopf gestellt, empfinden wir das als Zentralismus, als Bevormundung, als autoritär. Und wenn es das Leben der Menschen verändert, neu ordnet, durchdringt und auf Gleichmaß trimmt, ist es totalitär. Kein Mensch, der die Demokratie zu schätzen weiß, kann dies ernsthaft wollen.

Stichwort: GeoAußenPolitik

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: A .Riesener

Wer gauckelt so spät durch Nacht und Wind,
Es ist der Gauckler mit seinem Merkelchen.
Er hat die EU wohl fest im Kopfe,
drum schert ihn nicht des Volkes Worte….

Du Merkelchen, was schaust so blöde drein?
Siehst Gauckler, das muss wohl mein normale Fratze sein.
Doch siehst Du nicht des schweizer Demokratieschein?
Mein Merkelchen. dies darf auf keinen Fall so sein.

Gravatar: B. Franklin

Ja, <a href="http://www.spiegel.de/forum/politik/eu-reformvertrag-wie-viel-macht-darf-bruessel-haben-thread-7709-88.html#postbit_3974777" rel="nofollow">die Schaffung eines rechtswidrigen europäischen Bundesstaats</a> liess schon vor Jahren eher an ein Meistdrangsalierungsprinzip als an das Meistbegünstigungsprinzip und an Subsidiarität denken.

Ich fürchte, die Deutschen können sich auch bei ihrem großartigen <a href="http://www.spiegel.de/forum/netzwelt/kritik-beschleunigung-weihnachtsbotschaft-die-tempokritiker-thread-211198-1.html#postbit_22346269" rel="nofollow">Bundesverfassungsgericht</a> dafür bedanken, dass alles so kommt.

Gravatar: Markus Estermeier

TTIP = Investitionsschutz

Wenn sich Regierungen so locker über ihre eigenen Verträge hinwegsetzen, braucht man sich eigentlich nicht über derartige Forderungen wundern. Ein schönes Beispiel ist Vattenfall.
Zur Jahrtausendwende hat Vattenfall nach den damals gültigen Energiewirtschaftsgesetzen sicherlich ein gutes Geschäft gemacht, als es die kommunalen Energieunternehmen HEW, BEWAG und VEW sowie die Thüringer Braunkohle aufkaufte, und somit den finanzklammen Eigentümern aus der Klemme half. Die danach erforderlichen Moderniersierungen der Kohlekraftwerke --insbesondere der VEW-Bestände-- durch Rauchgasfilter wurden klaglos hingenommen. Im Jahr 2010 gab es dann die Neuregelung über den Atomausstieg. Man wurde sich auch hier einig.
Nur 1 Jahr später (Stichwort Fukushima) waren alle Vereinbarungen null und nichtig. Nicht durch Fachleute begründet, sondern von einer "Ethikkommission" bestimmt. Nebenbei werden auch noch alle konventionellen Kraftwerke durch diese unsägliche Energiewende in den Ruin getrieben.

Wer mit solch launenhaften Wendemanövern fremde Eigentumswerte zerstört, braucht sich über den Ruf nach internationaler Hilfe nicht wundern. Zuverlässige Geschäftspartner brauchen keine Schiedsgerichte.

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