Vorübergehende Interessensüberschneidung der Großmächte

Syrienkrieg: Annäherung zwischen Russland und USA?

In Syrien tobt nicht nur ein Bürgerkrieg, sondern auch ein Stellvertreterkrieg. Doch mit Blick auf die Entwicklung des „Islamischen Staates“ kommen Russland und die USA jetzt einander entgegen.

Foto: U.S. Department of State / Wikimedia Commons / Public domain
Veröffentlicht:
von

Die langfristigen wirtschaftlichen und geopolitischen Gegensätze zwischen den Großmächten USA und Russland sind nach wie vor deutlich. Hinsichtlich der Ukrainekrise, Krimabspaltung, Erdgaspipelines, Unterstützung des syrischen Regimes von Baschar al-Assad und des Umgangs mit dem Iran herrscht weiterhin ein nicht zu übersehender Dissens.

Doch es gibt eine Entwicklung, die mittlerweile von allen Seiten gleichermaßen mit Besorgnis betrachtet wird. Das ist die Expansion des „Islamischen Staates“ (IS) in Syrien und im Irak. Damit verbunden ist die Verbreitung dessen radikal-islamistischer Ableger in aller Welt.

Aus diesem Grunde ist plötzlich eine Verschiebung der aktuellen außenpolitischen Agenda vieler Staaten zu erkennen. Was auch immer ihre mittel- und langfristigen geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen im Nahen Osten sein mögen, momentan steht zunächst die Beseitigung des IS im Vordergrund.

Und so kommt etwas zustande, was Wladimir Putin und sein Außenminister Sergei Lawrow bereits lange angedeutet hatten und sich mittlerweile auch bei Barack Obama und John Kerry als Erkenntnis durchgesetzt hat, dass nämlich ein Zweckbündnis gegen den IS geschaffen werden müsse, ähnlich dem Zweckbündnis, das einst die USA und Großbritannien mit der Sowjetunion eingegangen waren, um das nationalsozialistische Dritte Reich zu besiegen.

Allein die Tatsache, dass höchst unterschiedliche Nationen und Militärbündnisse in Syrien und im Irak aktiv sind, erfordert eine intensive Absprache und Kooperation, da es sonst zu gefährlichen Zwischenfällen kommen könnte, wie bei dem Abschuss eines russischen Kampfjets durch türkische Militärs.

Russland will UN-Resolutionsvorschlag der Amerikaner unterstützen

Am Donnerstag, den 17. Dezember, hat Wladimir Putin wieder seine alljährliche Mammut-Pressekonferenz abgehalten, die stets interessante Hinweise auf die neuesten Tendenzen russischer Außenpolitik preisgibt. In einer außenpolitischen Stellungnahme verwies Putin darauf, dass er dem Plan von John Kerry Zustimme. Der US Secretary of State hatte am Dienstag in Moskau einen Vorschlag für eine UN-Resolution vorgestellt, der vom Kreml positiv aufgenommen wurde. Zwar ist man über die zukünftige Rolle des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad nach wie vor uneinig, doch ist man in Bezug auf die Bewertung des IS und der nicht minder radikalen Al-Nusra-Front weiter gekommen. Zuvor war Kerry zu Gesprächen mit der politischen Führung Saudi-Arabiens und des Iran in den Nahen Osten gereist.

Klar ist jetzt immerhin, dass sich alle Staaten von dem IS und der Al-Nusra-Front deutlich distanzieren und diese beiden radikal-fundamentalistischen Terrorbewegungen nicht als verhandlungswürdige Entitäten werten wollen. Damit ist wenigstens an einer Stelle eine klare Front im Syrienkrieg geschaffen worden: Beim IS und Al-Nusra gibt es freie Hand für militärisches Vorgehen aller Beteiligten. Die Komplexität des Konfliktes in Syrien ist somit etwas reduziert, was die weiteren Pläne und Verhandlungen erleichtern kann.

Putin geht mit der Türkei hart ins Gericht

Trotz dieser positiven Entwicklung gibt es weiterhin Spannungen auf anderen Ebenen. In punkto Türkei zeigte sich Putin unnachgiebig. Den Abschuss eines russischen Kampfflugzeuges wertet er als einen „feindlichen Akt“. Putins Argumentation: Wenn es ein Unfall gewesen sein soll, wie die Türkei vorgibt, warum hat sich dann die Türkei nicht schnell und deutlich entschuldigt, sondern erst die NATO angerufen, um sich als von Russland bedrängt darzustellen?

Doch die NATO hatte mit dem Vorfall nichts zu tun. Auch den türkischen Vorwurf, Russland wollte gegen die im Abschussgebiet ansässigen Turkmenen vorgehen, wies Putin zurück. Russland habe die Turkmenen in Syrien gar nicht als Problemfeld wahrgenommen. Die Türkei hätte Russland mitteilen können, dass militärische Aktivitäten über turkmenische Siedlungsgebiete in Syrien ein für die Türkei sensibles Thema seien. Doch die Türkei habe nichts dergleichen signalisiert. Russland habe der Türkei angeboten gehabt, über alle möglichen Aspekte des Syrieneinsatzes im Vorfeld zu sprechen. Doch die Türkei sei darauf nicht eingegangen.

Russland bekämpft illegalen Handel mit Erdöl in Syrien

Wladimir Putin wies sinngemäß darauf hin, dass durch den Regimewechsel und dem anschließenden Chaos im Irak und durch den Bürgerkrieg in Syrien dort Regionen mit einem Machtvakuum entstanden sind. In diesem Machtvakuum ist der illegale Erdöl-Handel aufgeblüht, der durch kriminelle Organisationen gedeckt wird, die sich in den Mantel der Religion hüllen.

Dies sei der Grund für das russische Vorgehen, die Konvois und Transportwege des illegalen Erdöl-Handels zu zerstören, um damit den Terrororganisationen ihre Lebensgrundlage zu nehmen. Je mehr Russland in Syrien diese Transportwege bombardiere, desto mehr würden die Lastwagen andere Routen durch den Irak und kurdisches Gebiet wählen. In einer einzigen Region habe man mehr als 11.000 Öltanklastzüge ausgemacht, erklärte Putin.

Was die Zukunft Syriens angeht, so will man auch dort kooperieren. Putin äußerte seine Befürwortung eines demokratischen Prozesses in Syrien mit freien Wahlen. Der Prozess müsse aber insbesondere von den Syrern selbst in Gang gebracht werden. Im Grunde genommen sieht Putin seinen Plan konform mit den US-amerikanischen Ideen für die Zukunft des Landes.

Doch es ging bei der pompösen Presseveranstaltung im Kreml nicht nur um Außenpolitik. Neben den nahostpolitischen Themen ging es vor allem um die Inneren Entwicklungen in Russland. Wladimir Putin möchte Investoren dafür gewinnen, in Russland zu investieren, damit die dortige Wirtschaft wächst.

Hier stehen noch die Sanktionen im Wege – und der Druck, den Amerika auf russlandfreundliche Unternehmen ausübt. Bisher lässt der Druck nicht nach. Denn die USA und Russland haben gleich mehrere Fronten, an denen trübe Aussicht vorherrscht. Doch dass beide Staaten sich in der Syrienfrage näher kommen, ist ein gutes Signal für Syrien und gibt Hoffnung, dass es zumindest dort nicht zwischen den Großmächten eskaliert.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Neumann

Weit gefehlt!!

Annäherung nein, Minsk II auf Syrisch. Immer wenn die westliche Koalition ins Hintertreffen gerät, bietet sie einen Waffenstillstand an, um einen Konflikt einzufrieren bis sie ihre Schergen neu aufgestellt und gesammelt hat.

Nachdem Russland Syrien weitgehend befreite hat, versuchen sich die USA jetzt die Ehrennadel anzustecken und im Hintergrund den IS weiter zu stärken. Siehe hierzu der versehentliche Abwurf von Waffen in IS Gebiet und der versehentliche Mord an irakischen Soldaten bei Falludscha sowie der vollzogene Abschuss einer Russischen SU24 über Syrien durch die Türkei.

Wer die westliche Koalition auf seiner Seite hat, der braucht keine Feinde mehr.

Gravatar: ANTON AMAN

Die s.g. "Annäherung" in der Syrien-Krise zwischen den
USA und Russland hat Hintergründe!

Seit Russland in die Syrien-Krise militärisch eintrat,
hat sich die Situation wesentlich verändert, da Russland
auf Grund der ausdrücklichen Bitte des legitimen Regimes
Syriens operiert. Alle anderen Mächte, aus welchen Gründen auch immer, und diese sind geopolitischer Natur,
befinden sich in syrischem Staatsgebiet illegal!
Die USA und die Türkei verfolgen hinter der Maske des
Vorgehens gegen den IS unterschiedliche Interessen, die
Türkei im Besonderen das Bombardieren der Kurden
einerseits und andererseits das illegale Geschäft von
Öllieferungen gigantischen Ausmasses!
Russland zwang die Türkei sich aus dem Iraq zurückzuziehen und seit dem Abschuss eines russischen
Kampfjets ist der syrische Luftraum von Russland alleine
kontrolliert. Um fatale Zwischenfälle zu verhindern, versucht die USA die Kooperation mit Russland. Was die
französischen und deutschen Aktivitäten anbelangt, ist
es noch abzuwarten; es ist anzunehmen, dass Russland
eine politisch mögliche Einigung beschleunigt, um
Syrien in Gesamtheit seine Hoheit sichern zu können und
alle syrische Kräfte ihre Wahlen ohne Fremdeinmischung
abhalten können. Damit würde es auch die Zukunft von
Präsident Assad entschieden werden.

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang