"Setzt Euch große Ziele" - Gespräch mit Pater Jose Maniparambil

Pater Jose Maniparambil ist ein bekannter Mann.  Nicht unbedingt in Deutschland, aber in seiner Heimat Indien.  Er hat 26 Bücher und zahllose Artikel geschrieben, betätigt sich als Maler, Sozialarbeiter, Pfarreipriester, Organisator und Bibelinterpret.  Wenn immer möglich, predigt und unterrichtet der Professor für Bibelwissenschaft Exerzitien in vielen Ländern der Welt.  Jetzt ist er nach Berlin gekommen, zur Vinzentiner Kongregation "St. Clemens".

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Maniparambil ist ein Gelehrter, der sich nicht nur mit religiösen Fragen auskennt.  Deshalb beginnen wir unser Gespräch auch nicht mit Religion, sondern mit Wirtschaft.  Er plädiert für eine ethisch ausgerichtete Wirtschaft, die sich an realen Werten orientiert.  Für staatliche Eingriffe in die Wirtschaft müsste man das richtige Maß finden, meint er.  Man dürfe aber bei aller Kritik an Gewinnen, die nur auf dem Papier erwirtschaftet werden und fragwürdigen Produkten wie faulen Krediten nicht vergessen, dass die Staatswirtschaft sozialistischer und kommunistischer Länder überhaupt nicht funktioniert habe.  Zudem hänge es vom einzelnen Wirtschaftszweig ab, wieviel staatlicher Eingriff sinnvoll sei – es gebe einen Unterschied zwischen Informations- und Rüstungstechnologie.  Die Aufgabe der Religion sieht er vor allem darin, der Wirtschaft einen moralischen und ethischen Weg aufzuzeigen.  Denn das ultimative Ziel wirtschaftlichen Strebens müsse das Wohl der Menschen sein.

Das gilt seiner Ansicht nach für alle Religionen, die in Indien in weitgehender Harmonie zusammen leben.  Die gewalttätigen Fundamentalisten seien nur Wenige.  Auch in Pakistan und Bangladesh wünsche sich die Mehrheit der Bevölkerung, mit Indien in Frieden zusammen zu leben.  Christen, die in allen drei Ländern nur eine Minderheit stellen, könnten eine wichtige Rolle dabei spielen, die vorhandenen Konflikte zu überwinden.  Mit der Botschaft der Liebe, wie Jesus Christus sie verkündet hat.

Allerdings sind auch die Christen in Indien keine Einheit.  Sie spalten sich in Katholiken und eine Vielzahl protestantischer Gruppen.  Teilweise versuchen diese Gruppen, sich gegenseitig zu missionieren.  Andere streben eine Zusammenarbeit aller Christen in Indien an. 

Zusammenarbeit nicht nur zwischen christlichen, sondern zwischen allen unterschiedlichen Gruppen des riesigen Subkontinents ist für Maniparambil ein wichtiger Teil der Vision von Indien.  Eines Landes, das Dutzende von Sprachen und mehr als eine Milliarde Menschen in sich vereint.  Und das trotz seiner enormen Größe nie einen Krieg angefangen habe, betont er.  Dass sei unter anderem der integrativen Kraft der hinduistischen Mythologie zu verdanken.  So gebe es Hindus, die Jesus und Mohammed verehrten und sie in ihren Glauben integrierten.  Auch der friedliche Charakter des Buddhismus habe Indien geprägt, obwohl der Buddhismus dort nicht mehr so verbreitet ist wie in früheren Jahrhunderten.        

Geprägt wurde es aber nicht nur von Religionen, sondern auch von Menschen.  Besonders für den jetzigen Premier- und früheren Finanzminister Manmohan Singh findet Maniparambil lobende Worte.  Singh, der die Wirtschaft Indiens liberalisierte, gilt als Vater des indischen Wirtschaftswunders.  Er hat einen entscheidenden Anteil daran, dass man beim Begriff Indien mittlerweile eher an IT-Experten als an verhungernde Kinder denkt.   Maniparambil weist darauf hin, dass Singh eigentlich Ökonom und kein Politiker sei.  Wie auch der frühere Staatspräsident Abdul Kalam ursprünglich Ingenieur und Wissenschaftler war.  Es waren Männer der Praxis, die Indien auf seinen Weg zum Wohlstand gebracht haben.  Kalam, der seine Autobiographie „Wings of Fire“ nannte und in ihr schrieb:  „Kleine Ziele sind ein Verbrechen.  Setzt Euch große Ziele!  Große Träume!“. 

Gerade Christen haben in Indien bereits viele große Ziele verwirklicht:  Obwohl sie nur zwei Prozent der Bevölkerung stellen, sind 14 Prozent der Schulen und Krankenhäuser christliche Einrichtungen. 

Wichtig sei auch der im Christentum sehr viel stärker als in anderen Religionen verbreitete Gedanke, dass jeder Mensch sein Schicksal selbst in die Hand nehmen kann – und soll.  Allerdings gebe es auch unter Christen einige Fundamentalisten, die der Sache keinen guten Dienst erweisen würden.  Zudem brauche es eine vollständige Erneuerung des Bildungssystems, die sich den Anforderungen der modernen Welt anpasse.  Zurzeit sei es immer noch eine Kopie des alten britischen Systems.  Die Kolonisierung durch die Briten ist für Maniparambil ein komplexes Thema.  Zwar gebe es positive Effekte, wie die noch heute fahrende indische Eisenbahn und andere Teile der Infrastruktur.  Doch auch der Streit um Kaschmir, den Indien und Pakistan seit Jahrzehnten ausfechten und die Zwietracht zwischen den Religionen gehe auf britischen Einfluss zurück.  Jetzt aber ist es Zeit für ihn, in die Zukunft zu sehen.  Einer hoffentlich friedlichen und wohlhabenden Zukunft für Indien, in der die Goldene Regel Beachtung findet:

So wie ihr von Menschen behandelt werden möchtet, so behandelt sie auch 

(Matthäus, 7,12)


st-clemens-berlin.de

Foto: Jose Maniparambil

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Michael Mahrenholz

Das Gute liegt tief in unseren Herzen,leider haben es viele vergessen weil Sie mehr auf Ihren Verstand hören.Der menschliche Verstand ist der kleine Bruder des Herzens und das wird auch immer so sein Gott sei Dank

Gravatar: Pauline

Wunderbarer Artikel! Christen verkünden das Evangelium - die frohe Botschaft. Diese Saat wird gute Früchte bringen. Das Gute wird immer siegen.

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