Porträt Ursula von der Leyen

Sehnsucht nach der Waschmaschine

Ursula von der Leyen galt schon früh als kanzlertauglich. Doch bis jetzt hat sie immer dementiert, derartige Ambitionen zu haben. Lieber lächelt sie und legt den Zeigefinger an die Lippen.

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Ob sie die nächste Bundespräsidentin werde? Ursula von der Leyen lächelt und legt den Zeigefinger auf die Lippen. Gerne würde sie zu diesem Thema schweigen, ja, am liebsten erst gar nicht befragt werden. Bei den Journalisten, die zur Pressekonferenz versammelt sind, kommt als Botschaft an: Da ist schon geklärt, wohin die Reise geht. Aber die, die es betrifft, darf noch nichts darüber sagen.

Keine drei Tage später nominiert die schwarz-gelbe Koalition Christian Wulff als neuen Mieter für das Schloss Bellevue. Man schreibt das Jahr 2010. Führende Unionspolitiker hätten Angela Merkel darauf hingewiesen, dass zwei Frauen gleichzeitig an der Staatsspitze »nicht gehen«, heißt es. Dass zwei Männer zur selben Zeit mehr als fünf Jahrzehnte lang nie ein Problem waren, ist diesen Herren wohl entfallen. Doch auch die Kanzlerin praktiziert mit dem höchsten Amt im Staate einen ganz eigenen Umgang: »Raus oder rauf« heißt das Spiel, das sie seit jeher am besten beherrscht. Mit Kohl und Schäuble hat sie es schon gespielt, mit Merz und Koch, mit Oettinger, und nun ist halt Wulff an der Reihe. Die ersten vier „raus«, die letzten zwei »rauf« – auch so kann man das Feld der Wettbewerber lichten.

Bloß sporadisch taucht damals Ursula von der Leyens Name auf, wenn über die Nachfolge der Bundeskanzlerin spekuliert wird. Dafür gilt sie als thematisch zu eng festgelegt – auf Elterngeld und Krippenausbau, auf Jugendschutz und Frauenkram, auf Familie und Gedöns. Und in der Tat ist die Ärztin aus Niedersachsen über diese Themen in die Politik gekommen. Dass sie zugleich die Tochter von Ex-Ministerpräsident Ernst Albrecht ist, wird gern erwähnt, obschon das ein wenig unfair erscheint. Denn mit ihrem Lebenslauf hätte es von der Leyen auch so geschafft. 1958 in Brüssel geboren, studiert sie zunächst Volkswirtschaftslehre und später dann Medizin. Bewährt in Familie und Beruf, ausgestattet mit mehrjähriger Auslandserfahrung und einem oft unterschlagenen Engagement in der Kommunalpolitik, wird von der Leyen 2003 zunächst Sozialministerin im Landeskabinett von Hannover.

Bundesministerin für besondere Aufgaben

Doch dass dies nur der Auftakt ist, steht nie in Zweifel. Bereits ein Jahr später rückt die Neuentdeckung ins Präsidium der CDU Deutschlands auf, und 2005 folgt dann der endgültige Wechsel auf die große Bühne: Ursula von der Leyen wird Bundesministerin mit Spezialauftrag. Sie soll der SPD ihren »Kompetenzvorsprung« in der Familienpolitik abnehmen, den eine Mehrheit der Deutschen zu diesem Zeitpunkt auf sozialdemokratischer Seite vermutet. Dass von der Leyen dabei Erfolg hat, aber nur dadurch, dass sie die Unionspolitik selbst sozialdemokratisiert, wird parteiintern zwar mit Grummeln quittiert. Aber solange die Zahlen stimmen – die der Umfragen, nicht die der Haushaltsansätze, selbstredend –, drückt man bereitwillig ein Auge zu.

Kurz nach der Bundestagswahl 2009 rückt von der Leyen ins Arbeitsministerium auf und übernimmt dort die Nachfolge des glücklosen Franz Josef Jung. Nun verfügt die Ressortchefin über einen Etat von mehr als hundertvierzig Milliarden Euro, und sie weiß ihn auch großzügig unters Volk zu streuen. Bildungsgutscheine für Sozialleistungsbezieher zählen zu ihren Lieblingsthemen, aber auch die Forderung nach höheren Mütterrenten. Von der Leyen macht sich entgegen der abgestimmten Fraktionslinie schon früh für Mindestlöhne stark, vermag aber zugleich ihre Truppen hinter sich zu scharen, wenn immer es darauf ankommt. Zum rhetorischen Glanzpunkt ihrer vier Jahre als Arbeitsministerin wird eine Bundestagsdebatte zur Erhöhung der Hartz-IV-Sätze, in der sich von der Leyen zur Abwechslung mal zu einer klassischen Selbstverantwortungsethik bekennt. Die linke Opposition schäumt zwar ob so viel sozialer Kälte, doch die eigenen Leute feiern die Ministerin wie selten zuvor.

Sicher weiß man‘s erst am Schluss

Ursula von der Leyen ist klar, dass es im Kampf um die Merkel-Nachfolge auch darauf ankommt. Und noch auf ein paar andere Faktoren mehr. Dass ihr Geschlecht in einigen Kreisen als Malus gilt – denn wenn zwei Frauen gleichzeitig »nicht gehen«, gehen zwei Frauen nacheinander natürlich auch nicht –, dürfte der Kandidatin in spe sehr wohl bewusst sein. Und ebenso, dass sich ihre Konfession und ihre Landsmannschaft eher ungünstig fügen.

Doch all das, was man ändern kann, ändert von der Leyen mit Verve: Schon Ende 2010 lässt sie sich zur stellvertretenden Parteivorsitzenden wählen. So kann sie sich nun endlich auch zu »fachfremden« Politthemen äußern, ohne damit Argwohn zu erregen. Besonders gern spricht von der Leyen in der Folgezeit zu Europafragen, weil sie um die Bedeutung dieses Spielfelds weiß. Ihren größten Coup landet sie jedoch nach der Bundestagswahl 2013, als sie sich mit hohem Einsatz die Hardthöhe erkämpft. Das Verteidigungsressort gilt seit jeher als Schleudersitz, und das Risiko eines Scheiterns ist groß. Sechzehn Vorgänger hat die Bundesrepublik in knapp sechzig Jahren verschlissen. Doch von der Leyen erkennt die Chancen, die ihr der Posten bietet: Wer die Bundeswehrreform erfolgreich zu Ende führt und auf internationalem Parkett eine gute Figur macht, wer die Ausstattung der Truppe auf Vordermann bringt und den Wettbewerb um die besten Nachwuchskräfte entschlossen angeht, wer nicht nur in der Kita, sondern auch im Bundeswehrcamp in Afghanistan Eindruck hinterlässt, dem stehen alle Türen offen – auch jene zum Kanzlerinnenamt.

Und es steht außer Frage, dass von der Leyen genau da rein will – obwohl sie nie an Zäunen rütteln würde. Das sicherste Indiz hierfür ist ihr Dementi, das keines ist: »Angela Merkel bleibt Kanzlerin bis mindestens 2017«, lässt die Ministerin die Bild-Zeitung wissen. »Und es gilt: Jede Generation in Deutschland hat einen Kanzler. Aus meiner Generation ist das Angela Merkel«. Eine solche Aussage hat natürlich einen ganz anderen Wert, als wenn man sagt, man wolle den Posten nicht. Oder wenn man gar zu erkennen gibt, dass man Zweifel an der eigenen Eignung hegt. Was von der Leyen da abgibt, ist bloß eine Einschätzung zu einem Sachverhalt. Und wenn es anders kommt, dann hat sie sich halt geirrt. Mit diesen Worten verbaut man sich nichts.

Angela Merkel übrigens hält sich in der Nachfolgefrage wie immer alle Optionen offen: Ob sie die Staffel zur Mitte der Legislaturperiode weiterreicht oder bis zum Ende durchhält, ob sie dann verzichtet oder 2017 noch einmal antritt, ob sie eines Tages freiwillig aufhört oder es einfach darauf ankommen lässt. Klar scheint lediglich, dass die These Unfug ist, Merkel habe von der Leyen an die Spitze des Verteidigungsressorts berufen, um sie als nächste Kanzlerin aufzubauen. Wenn es hart auf hart kommt, wird die Niedersächsin ein weiteres Mal lächelnd den Zeigefinger auf die Lippen legen und erleben müssen, dass es dann doch ein anderer wird. Da kennt Merkel nix. Aber dass sie trotz der Schmach um das Präsidialamt in der Politik geblieben ist, macht eines klar: von der Leyen auch nicht.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Coyote38

Ursula von der Leyen bunkert sich im Verteidigungsministerium ein. Geführt wird mit einem handverlesenen - aber leider fachlich vollkommen "unbeleckten" - Küchenkabinett. Die Neustrukturierung des Ministeriums selbst hat nur ein EINZIGES Ziel: Die größtmögliche Verantwortungsdiffusion zum Schutz der Chefin.

Wo beim Dissertations-Plagiator Guttenberg wenigstens noch gleichermaßen schwungvoll wie falsch Entscheidungen getroffen wurden, passierte bei de Maizière schon nur noch das Nötigste und bei von der Leyen passiert mittlerweile GAR NICHTS mehr. Der Schein ersetzt das Sein. Zur Presseberichterstattung des Einsatzes am Horn von Afrika fliegt nicht etwa "dpa", "Der SPIEGEL" oder die "Frankfurter Allgemeine" mit, sondern "Brigitte", "Tina" und "Gala". Da mutiert dann auch schon mal die "weltbewegende" Tatsache, dass die Ministerin ihr Stückchen Streußelkuchen nicht gegessen hat, zur Neuigkeit. WARUM im vorliegenden Fall eine deutsche Fregatte am Horn von Afrika patrouilliert, ist Nebensache. "Die militärischen Themen liegen ihr nicht" ist ein offen kolportiertes Geheimnis im MinisterInnen-Büro. Am ALLERwichtigsten erschien Ursula von der Leyen beim Besuch auf der deutschen Fregatte "Brandenburg" am Horn von Afrika sowieso ihr "kleinmädchenhaftes" Anliegen, sich am Bug des Kriegsschiffes in "Kate-Winslet-Pose à la Titanic" ablichten zu lassen. Mit ihrem Pressesprecher wurde - wie gut unterrichtete Kreise verlautbarten - nicht etwas diskutiert, ob ein solches Verhalten "tragbar" sei, sondern nur, dass das Bild so vorbildgetreu wie möglich zu werden hätte. Die "Tina" fragte zum Schluss des Artikels noch ganz brav und servil: "Wie schafft sie das bloß alles?"

Wenn man die Personalie Ursula von der Leyen auf einen Punkt bringen möchte, dann lautet die Zusammenfassung: Ignorant, arrogant, narzisstisch, machtgeil.

Gravatar: A.Utomat

"Lieber lächelt sie und legt den Zeigefinger an die Lippen."
Ja, nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. So ist wohl am treffendsten beschrieben, wie diese Personalie die vielen bisher von ihr bekleideten Ämter, in denen sie ohne Zweifel eine Schneise der Verwüstung hinterlassen hat, geführt hat.

Wenn keine anderslautenden Wünsche vorgebracht werden, widerstehe ich einstweilen der Versuchung, handfeste Belege zu liefern.

Gravatar: A.Utomat

Da die Veröffentlichung der jüngsten Zahlen besonders auch in Form einer Übersicht von den mainstream - Medien q.e.d. vermieden und unterbunden wird, und da zu erwarten ist, dass <a href="http://home.arcor.de/menschundrecht/child%20trafficking.pdf" rel="nofollow">Entwicklungen, die Frau vdL als Familien -, Frauen - und Sozialministerin wesentlich mit angestossen hat</a>, möglicherweise einen noch fürchterlicheren Verlauf nehmen werden, wenn sie die deutsche Exekutive anführt, ist es mir ein besonderes Bedürfnis, hier einen Versuch der Veröffentlichung zu unternehmen.

Gravatar: Andreas Schneider

Ob nun der an die Lippen gelegte Zeigefinger der Nachfolger der "Raute" werden mag?

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