Krisenmanagement im Nahen Osten

Saudi-Arabiens undurchsichtige Außenpolitik

Saudi-Arabien gilt als Hauptfinanzier islamistischer Ideologie. Gleichzeitig inszeniert sich die saudische Regierung als Anführer einer internationalen Anti-Terror-Allianz. Wie ist das zu verstehen?

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Saudi-Arabien spielt ebenso wie Katar und die Türkei ein undurchsichtiges Spiel. Einerseits will sich das erzkonservative wahhabitisch-salafistische Königshaus als Schützer der heiligen Stätten Mekka und Medina sowie als Missionsland des Islam darstellen. Andererseits distanziert sich das Land von fundamentalistischen Islamisten, welche die salafistischen Botschaften aus Saudi-Arabien wörtlich nehmen.

Unter Kritik stehen vor allem die Geldströme, die aus Saudi-Arabien in alle Welt gehen, um Moscheen, islamische Universitäten und Koranschulen zu finanzieren. Die dort gelehrte islamische Ausrichtung des Salafismus gilt als Nährboden für islamistischen Extremismus und Fundamentalismus. Immerhin hatte sogar Sigmar Gabriel (SPD) davor gewarnt, dass man Saudi-Arabiens gefährlichen Einfluss nicht unterschätzen dürfe. Auch in Deutschland würde unter Muslimen sich verstärkt ein radikaler Fundamentalismus ausbreiten.

Der Bundesnachrichtendienst (BND) hatte erst vor wenigen Wochen vor dem Einfluss Saudi-Arabiens auf die politischen Entwicklungen im Nahen Osten gewarnt
. Die neuen Führungsmitglieder der Königsfamilie würden sich durch eine impulsive Interventionspolitik auszeichnen. Besonders Prinz Salman Bin Mohammed würde durch seine außenpolitischen Ansichten auffallen. Die aggressivere Außenpolitik Saudi-Arabiens zeige sich bei der militärischen Intervention im Jemen. Von Saudi-Arabien aus unterstützte islamistische Gruppen gelten seit langem als destabilisierende Faktoren im Nahen Osten.

Das Auswärtige Amt (AA) hat sich derweil von den Analysen des BND distanziert
. Zuvor war aus Saudi-Arabien Empörung über die Stellungnahmen des BND zu vernehmen gewesen. Das AA ist an ausgewogenen Beziehungen zum saudischen Königshaus interessiert, nicht zuletzt, um die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Saudi-Arabien und Deutschland zu schützen. Saudi-Arabien gilt als strategischer Partner Deutschlands und des Westens. Außerdem ist Saudi-Arabien ein treuer Käufer deutscher Waffen.

Nun inszeniert sich Saudi-Arabien, das Land, in dessen Bevölkerung es viele Sympathisanten des „Islamischen Staates“ (IS) gibt,
als Anführer einer neuen Anti-Terror-Allianz. Denn das Königshaus fürchtet sich vor der Ausbreitung der IS-Ideologie, die auch den Sturz des saudischen Königshauses zum Ziel hat. Die aktuell von Saudi-Arabien ins Leben gerufene und geführte islamische Anti-Terror-Allianz umfasst 34 Staaten. Darunter sind zumeist sunnitische Länder. Iran und Irak sind – vermutlich wegen ihrer schiitischen Mehrheiten – nicht dabei. Die syrische Regierung von Assad sowieso nicht. Man wolle gegen den IS kämpfen sowie gegen jede andere terroristische Organisation, heißt es.

Saudische Außenpolitik nach zweierlei Maß

Wie ist das Engagement der Saudis nun zu verstehen? Die Logik der saudischen Außenpolitik ist einfach. Sie zeigt sich, wenn man die Politik nicht an den Worten, sondern an den Taten misst. Islamistische Fundamentalisten militanter Ausprägung sind nach saudischer Lesart dann kritisch zu bewerten, wenn es sich um Schiiten handelt, die vom Iran unterstützt werden. Dazu gehören die Hisbollah im Libanon und Syrien sowie die Huthi-Rebellen im Jemen. Sogar die Demonstrationen und Proteste der schiitischen Bevölkerungsmehrheit im Golf-Scheichtum Bahrein wurden von den Saudis bereits als Gefahr eingestuft und mit saudischem Militär niedergeschlagen.

Doch auch sunnitische Rebellen und Terrororganisationen können von der Führung in Saudi-Arabien als Gefahr eingestuft werden, nämlich immer dann, wenn diese den Sturz des Königshauses in Saudi-Arabien fordern, wie zuletzt der sogenannte „Islamische Staat“ (IS), der das Kalifat ausgerufen hat, das bis nach Mekka und Medina getragen werden soll.


Im Grunde genommen verfolgt die saudische Politik nichts anderes als Selbstschutz. Das ist zugleich glaubwürdig und unglaubwürdig. Glaubwürdig ist es, weil jedes Regime zunächst an der eigenen Machterhaltung interessiert ist. Unglaubwürdig ist es, weil die Führung von Saudi-Arabien sich international als moralische Instanz inszeniert.


Unter den 34 Staaten des neuen Bündnisses gegen den Terror sind vor allem nicht-demokratischen Staaten wie Ägypten, Pakistan, Katar oder der Sudan vertreten. Die meisten dieser 34 Staaten werden von autokratischen oder diktatorischen Regierungen geführt, die um ihre eigene Machtstellung fürchten und deshalb Oppositionen unterdrücken. Dies kann man als Kritik verstehen. Aber man darf auch die bittere Erkenntnis nicht vergessen, dass Libyen unter Muammar al-Gaddafi, Syrien unter Baschar al-Assad und der Irak unter Saddam Hussein in einer besseren Verfassung waren, als im aktuellen grausamen Bürgerkrieg.


Eine moralische Bewertung islamischer Regime fällt aus westlicher Perspektive generell schwer. Denn wie kann Saudi-Arabien als westlicher Bündnispartner akzeptiert werden, wenn die Gesetze dort ebenso grausam umgesetzt werden wie im „Islamischen Staat“ (IS)? Sowohl der IS als auch Saudi-Arabien, der Iran und die Taliban in Afghanistan berufen sich auf das Rechtsystem der Scharia. Und dieses Rechtssystem ist mit westlichen Werten in keiner Weise vereinbar.


Warum die Saudis so streng religiös sind

 

Hier ließe sich generell die Frage anführen, warum Saudi-Arabien so streng in religiösen Fragen ist. Die Antwort liegt in der Gründung des Staates Saudi-Arabien. Die Königsfamilie Saud hatte sich mit den Klerikalen der Bewegung der Wahhabiten bzw. Salafisten (was im Grunde genommen zwei Namen für ein und dieselbe Bewegung sind, nämlich eine erzkonservative Rückbesinnung auf den ursprünglichen sunnitischen Islam) zusammengetan. So war der Expansion der Saudis eine religiöse Missionskomponente gegeben.

Im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts konnten die Saudis die anderen Beduinenstämme Zentralarabiens unterwerfen. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kamen zwei expansive Gebietserweiterungen hinzu, die der religiösen Fundamentierung bedurften. Dies war zum einen die Eroberung der ostarabischen Küstenregion am Golf, wo heute das meiste Öl gefördert wird. Dort leben vornehmlich schiitische Beduinen. Dann kam die Unterwerfung der Region des gebirgigen Hedschas im Osten des Landes dazu. Hier herrschte das alte Königshaus der Haschemiten über die heiligen Stätten von Mekka und Medina. Die Haschemiten konnte ihre Ahnenreihe bis zur Familie des Propheten Mohammed zurückführen. Ein solch bedeutender Dynastiewechsel, wie der von den Haschemiten zu den Saudis, konnte nur durch die Unterstützung des strenggläubigen Klerus gerechtfertigt werden.

Saudi-Arabien wird immer offensiver

 

Insgesamt lässt sich eine Tendenz konstatieren. Die Saudis greifen immer offensiver ins Weltgeschehen ein. Durch die Überproduktion an Erdöl drücken sie den Ölpreis und zwingen auf diese Weise Konkurrenten in die Knie. Das bekommt nicht nur der Iran zu spüren, sondern auch Russland und die Fracking-Industrie der USA.

Auch das unverhohlen offene militärische Eingreifen im Jemen mit Bodentruppen und Luftangriffen zeigt, dass sich Saudi-Arabien immer mehr als Regionalmacht des Nahen und Mittleren Ostens versteht. Die Saudis können sich das leisten, weil sie nicht nur über gigantische Einnahmen aus dem Ölgeschäft verfügen, sondern in den letzten Jahrzehnten von den USA und Europa mit modernsten Waffen versorgt wurden. Saudi-Arabiens Militär ist bestens ausgestattet. Die Menschen im Jemen bekommen das jetzt zu spüren.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: RisingEuropeAgain

Nun, meiner Ansicht nach, kann man zumindest ein paar Dinge ganz klar schlussfolgern, was Saudi-Arabiens außenpolitische Ziele/Aktivitäten angeht:

1.)Die Saudis haben in ihrer langen Zeit als "beinahe" Partner auf Augenhöhe mit der Kriegstreiber-Nation #1 der Welt (USA) offenbar nicht nur den Waffen-/Öl-Knecht gespielt, sondern auch brav gelernt:
"Wie kann man eine ganze Region kriegerisch umgestalten, und dabei trotzdem als 'Held' darstehen, auch wenn Indizien darauf hindeuten, dass man eigtl. im Unrecht ist?" ->Logo! Man erklärt "Krieg gegen den Terror"(denn der ist immer böse!), nennt seine momentanen Lieblingsgegner 'Terroristen' und am besten hat man gleich ein ganzes Bündnis von fadenscheinigen 'Antiterrorkriegern' an sich angeschlossen, denn das verschafft öffentliche Reputation und quasi-Legitimation! (Was man dann letztlich für Kriegsverbrechen begeht ist eigtl. egal... im Zweifelsfall ist man selber "gegen den Terror", also wofür sind dann diejenigen, die einem widersprechen wollen? Hm?) Gut abgekupfert!

2.)Wenn man sich die Weltkarte, und die passende Lokalisation der Bündnigspartner des "Isl. Antiterror Pakts" anschaut, kommt man doch relativ schnell darauf, was das Ziel dieses Büngnisses sein könnte/wird:
Die "Nordflanke" ist durch die Türkei abgedeckt, von "Süden her" stehen zahlreiche arabische Verbündete und Saudi-Arabien selbst Gewehr-zu-Fuß, "Westflanke" ist kräftig durch Ägypten gesichert und das Mittelmeer stellt den Rest der Westeinmauerung dar. (Zusätzliche Reserve-Kräfte verteilen sich über Afrika).... Und was liegt zwischen diesen Fronten?
1. Syrien; 2. Israel; 3. Iran ....komisch, ausgerechnet die Länder, mit denen Saudi-Arabien normalerweise nicht so gut Kirschen essen kann.... ein Zufall ist das! ;)

3.)Werden die Saudis mit ihren Kriegs-/Expansionsgelüsten straffrei durchkommen? - Meine Einschätzung: Aber unbedingt werden sie das! Wer soll ihnen denn bitte Einhalt gebieten?
Ihr guter "Partner" USA? - EU-Staaten? :D (bei uns sind ja jetzt schon die Medien wieder auf "Verdummung" gestellt: Die o.g. Karte konnte man gestern abend in den heute-Nachrichten sehen und sich seine Gedanken machen.... - Und was meinen die ZDF-Heinis: Ja, das ist doch eine ganz tolle Allianz gegen den Terror! Hurra!)
- Gute Nacht, Europa! :/

Gravatar: Klartexter

Mit Saudi Arabien macht sich der islamische Bock auch zum islamischen Gärtner, im Kampf gegen den IS und den islamistischen Terror. Aber, hier in der BRD haben wir lernen müssen, Islam hat nichts mit Islamismus zu tun. Allerdings hat der Islam auch viele Gesichter, wie man an Saudi Arabien sieht, allerdings kann niemand sagen wie viel Gersichter der Islam hat. Man sollte ihn, wenn überhaupt, nur trauen, wenn man ihn unter der eigenen Kontrolle hat.

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