Ölpreisverfall

OPEC: Kampf um Marktanteile

Die OPEC zeigt Zähne. Sie verteidigt ihre Marktanteile und drückt den Ölpreis durch konstant hohe Produktionsraten. Doch es gibt viele Staaten, die dadurch in erhebliche Schwierigkeiten geraten.

Veröffentlicht:
von

Drei Faktoren tragen erheblich zum Fall des Ölpreises bei. Erstens halten die arabischen Golfstaaten ihre Produktionsraten hoch. Zweitens kommt mit aller Wucht die nordamerikanische Erdölinitiative zum Tragen. Dazu gehören die Schieferölförderung mittels Fracking und der Abbau von Ölsanden. Dadurch entsteht ein Überangebot. Drittens beeinflusst der starke Kurs des US-Dollars die Preise. Denn Rohstoffe wie Erdöl werden entsprechend des Petrodollarsystems in US-Dollar gehandelt.

Doch nicht alle OPEC-Staaten profitieren. Die starken Ölförderländer am Golf, insbesondere Saudi-Arabien, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate, haben sich durchgesetzt. Andere OPEC-Mitglieder wie Venezuela und der Iran sind dagegen besorgt. Denn ein Ölpreis, der langfristig unter der 100-Dollar-Marke bleibt, schadet ihrer Volkswirtschaft. Sie müssen empfindliche Einbußen in ihren Staatshaushalten befürchten.

Aber auch die zwei größten Ölförderländer der Welt, die Russische Föderation und die Vereinigten Staaten von Amerika, geraten in Bedrängnis. Russlands Volkswirtschaft und Staatsbudget ist erheblich auf den Export von Rohstoffen angewiesen. Und die USA wollen unbedingt ihren neuen Förderboom am Leben erhalten. Denn sie möchten unabhängiger von Energieimporten werden. Doch Fracking ist teurer als die konventionelle Ölförderung in Saudi-Arabien.

Dennoch bemühen sich weder Russland noch Amerika darum, die Förderungsquoten zu drosseln, um den Ölpreis zu stabilisieren. Warum nicht? Die Antwort liegt im Kampf um Marktanteile. Als einst beispielsweise die OPEC-Staaten ihre Förderung drosselten, um den Preis nach oben zu treiben und die Industriestaaten unter Druck zu setzen, wurde in Europa die Ölförderung in der Nordsee vorangetrieben, die sich entsprechend Marktanteile erobern konnte. Später war es für die OPEC schwer, diese Marktanteile wenigstens teilweise zurückzuerobern.

Nun ist ein Kampf aller gegen alle um Marktanteile entfacht. Die neue US-Schieferölförderung muss mit allen Mitteln ihre neu gewonnenen Marktanteile halten. Die arabischen Golfstaaten wollen die ihrigen nicht verlieren. Und für Russland wäre ein Verlust von Marktanteilen ein grundsätzliches Problem. Es ist wie ein Wetttauchen: Wer hat den längeren Atem?

Machtfaktor OPEC

Die OPEC (Organization of the Petroleum Exporting Countries) war 1960 in Bagdad gegründet worden. Gründungsmitglieder waren die Golfstaaten Iran, Irak, Kuwait und Saudi-Arabien sowie Venezuela. Sie war als Kartell gedacht, um Preise und Fördermengen abzusprechen. Man wollte eine Überproduktion verhindern, damit die Gewinnmarge erhalten bleibt. Und man wollte sich gegen die Bevormundung westlicher Energiekonzerne und ehemaliger Kolonialmächte wehren, die noch auf alte Förderrechte pochten.

Die Golfstaaten waren damals wichtigste Zulieferer für den europäischen Markt, Venezuela hauptsächlich für nordamerikanischen. Im Laufe der Jahre kamen weitere Staaten hinzu, und zwar der Reihe nach Katar (1961), Libyen (1962), Vereinigte Arabische Emirate (1967), Algerien (1969) und Nigeria (1971). Zuletzt wurden 2007 Ecuador und Angola aufgenommen.

Ihre Macht demonstrierten die erdölexportierenden Länder erstmals im Zuge der Ölkrise von 1973, und zwar nach dem Jom-Kippur-Krieg, bei dem Israel und Ägypten um die Region des Suezkanals kämpften. Syrien kämpfte damals an Ägyptens Seite. Die OPEC-Länder solidarisierten sich mit Syrien und Ägypten in Form eines Wirtschaftskrieges, indem die OPEC ihre Lieferungen an alle Verbündeten Israels einstellte. Davon waren insbesondere die USA und mehrere europäische Länder betroffen.

Schnell wurde das Öl knapp. Benzin wurde teuer. In Deutschland kam es zu autofreien Sonntagen. Das Erdöl war als Wirtschaftswaffe entdeckt. Einer der Drahtzieher damals war der saudi-arabische Scheich Yamani, der die OPEC-Staaten dazu anhielt, den Rohölpreis zu vervierfachen.

Uneinigkeiten in der OPEC

Die Staaten der OPEC haben eines gemeinsam: Sie sind vom Export des Erdöls abhängig. Ein allzu starker Preisverfall oder ein Sinken der Nachfrage hat erhebliche Auswirkungen auf ihre staatlichen Budgets.

Doch es gibt auch erhebliche Unterschiede. Manche OPEC-Staaten können das Öl wesentlich kostengünstiger fördern als andere. Saudi-Arabien beispielsweise hat enorme Kapazitäten, mit der Fördermenge zu spielen. Dagegen gehören der Iran, Venezuela, Libyen und Algerien zu den Ländern, die in der Regel einen hohen Ölpreis favorisieren.

Bei der aktuellen Krise sind es vor allem die arabischen Golfstaaten, die sich für eine weiterhin hohe Produktionsquote einsetzen. Der Iran und Venezuela sind dagegen. Doch bei der letzten OPEC-Konferenz in Wien haben sich die arabischen Golfstaaten durchgesetzt.

Aktuelle Lage

Während der ersten Jahreshälfte schwankte der Ölpreis noch um die 100-Dollar-Marke. Seit Juli fällt er fast stetig. Er fiel auf Werte um die 80 und 70 US-Dollar. Aktuell liegt er bei ca. 60 US-Dollar pro Barrel für die in Europa bedeutsame Ölsorte Brent und bei ca. 56 US-Dollar für die in Amerika bedeutsame Sorte WTI.

Saudi-Arabien hatte angekündigt, dass der Preis längerfristig nicht viel tiefer als 60 US-Dollar fallen sollte. Doch für Staaten wie Russland, Venezuela und den Iran ist das eine große Herausforderung. In Russland wirken sich die Ölpreise mittlerweile massiver auf die Wirtschaft und den Niedergang des Rubels aus als die Sanktionen.

Die Autofahrer können sich momentan über niedrige Benzinpreise freuen. Auch wer sein Haus mit Heizöl warm hält, kann sein Portemonnaie schonen. Doch die Freude könnte schnell vergehen, wenn die Ölpreisentwicklung sich negativ auf die Weltwirtschaft auswirkt. Der Ölpreisverfall sorgt an manchen Börsen für Kursrutsche. Staatspleiten erdölexportierender Länder könnten Auswirkungen auf die gesamte Weltwirtschaft haben.

 

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Keine Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang