Signale aus Peking

Militärparade zum 70. Jahrestag des Sieges über Japan

Es war die größte Militärparade, die je in Peking gehalten wurde. Neueste Panzer, Flugzeuge und Raketen wurden präsentiert. Anwesend waren Staatschefs aus mehreren Ländern, auch Wladimir Putin.

Foto: BriYYZ/flickr.com/CC BY SA 2.0
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Große Militärparaden ist man aus Peking gewöhnt. Immerhin hat China mit rund 2,3 Millionen Soldaten die größte Armee der Welt. Doch diesmal war es anders. Die Zahl der Teilnehmer war mit 12.000 Soldaten zwar recht groß, doch das Spiel mit Menschenmassen ist nichts Überraschendes aus China. Das, was diese Parade auszeichnete, war die außergewöhnliche hohe Zahl an teilnehmenden Panzern, Militärfahrzeugen, Hubschraubern, Raketentransportern mit Bewaffnung, Flugzeugen und die Zurschaustellung des modernsten Equipments.

Rund 80 Prozent der Waffen und Fahrzeuge sind neu und wurden noch niemals zuvor der internationalen Öffentlichkeit gezeigt. Darunter sind auch moderne Langstrecken- und Interkontinentalraketen sowie Raketen, die konzipiert sind, um Kriegsschiffe und Flugzeugträger in großer Entfernung zu versenken.

Die Waffenschau signalisiert Stärke. Gleichzeitig kündigte der chinesische Präsident Xi Jinping an, die Armee um rund 300.000 Soldaten zu verkleinern. Dies sollte als Zeichen des Friedenswillens gesehen werden. Das Doppelsignal hat seine Bedeutung. Denn von einer sicheren Welt kann momentan keine Rede sein. Es wird immer deutlicher, dass wir uns in einer kritischen Phase befinden. Eine unsichtbare Mauer zwischen dem Westen einerseits und dem Osten und den Schwellenländern andererseits wird immer spürbarer.

Eurasien wächst zusammen, Westen distanziert sich

Xi Jinping war nach Moskau gekommen, Wladimir Putin reiste nach Peking. Ob bei den Paraden oder beim BRICS-Gipfel im russischen Ufa: Die beiden Präsidenten stehen immer häufiger Seite an Seite. Das hat mehr als Symbolcharakter. Auch bei der Parade am 3. September in Peking stand Putin neben Jinping auf der Ehrentribüne am Tiananmen-Tor. An der Parade nahm eine Ehrenformation aus Russland teil.

Es waren viele Staatsgäste anwesend. Truppenkontingente aus unterschiedlichen, meist asiatischen, Ländern haben an der Parade teilgenommen. Es war ein internationales Fest. Wer hielt sich fern? Der Westen.

Beide, Putin und Xinping, wissen um die Neigung der USA und Europas, politischen Druck über den Hebel der Wirtschaft auszuüben. Daher ist der Schulterschluss Chinas und Russlands weniger ideologisch, als pragmatisch zu verstehen. Die wirtschaftliche Strategie der Neuen Seidenstraße, die ökonomisch große Teile Eurasiens vernetzen soll, sowie der Zusammenschluss der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) und die damit verbundene Schaffung der BRICS-Bank als Gegenstück zur westlich dominierten Weltbank und dem IWF – all das sendet ein klares Signal an den Westen. Man will sich den Weg nicht länger vorschreiben lassen.

Die Rede Barack Obamas, der beim Treffen der Pazifik-Anrainer-Staaten immer wieder die Führungsrolle der USA betonte und wiederholt von „Leadership“ sprach, zeigte, dass sich eine erhebliche Differenz aufbaut. China redet nicht davon, Asien zu führen. Man tut es. Aber man spricht nicht davon.

Aus Washington mehren sich dagegen die Töne, China und Russland als Gefahr darzustellen – erwähnt in einem Atemzug mit dem „Islamischen Staat“ (IS) in Syrien und Irak. Wie soll man solche Rhetorik in Moskau und Peking verstehen, wenn nicht als Drohung?

Die zweite Botschaft: Eurasien wehrhaft gegen Ost und West

Bei den bisherigen Jahrestagparaden anlässlich des Endes des Zweiten Weltkrieges am 9. Mai in Moskau und am 2. September in Peking stand der Aspekt des Sieges über das nationalsozialistische Deutschland und das kaiserliche Japan im Vordergrund. Doch diesmal war die Botschaft eine andere. Wichtige Repräsentanten des Westens blieben fern – dabei waren die Westalliierten im Zweiten Weltkrieg wichtige Verbündete sowohl der Sowjetunion als auch Chinas.

Der wichtige Punkt ist folgender: Russland fühlt sich auch heute wieder aus Europa und dem Westen bedroht, und China fühlt sich wieder von Osten, d.h. von den pazifischen Bündnissen, bedroht. Ein eventueller militärischer Konflikt würde also wieder dort vermutet, wo er auch im Zweiten Weltkrieg tobte.

Auffällig ist ebenso die wachsende kritische Berichterstattung in den westlichen Medien. Obwohl in Peking und Moskau solche Paraden jedes Jahr stattfinden, und sich nach dem Fall der Mauer auch der Westen mit Ehrengastvertretern des Öfteren zeigte, wurde diesmal die westliche Berichterstattung in einen rhetorischen Kontext eingebettet, der an den Kalten Krieg erinnert.

Westliche Werte sind kein Exportschlager mehr

Fakt ist: Fast alle Staaten des neuen eurasischen Blocks sind weit davon entfernt, eine Demokratie im westlichen Sinne zu sein. Jeder einzelnen Regierung könnte die Destabilisierung des Staates durch westlichen Einfluss drohen. Der Westen würde sich mit seinen Stichworten Demokratie und Menschenrechte rechtfertigen.

Gleichzeitig hat das Totalversagen der westlichen Außenpolitik im Nahen und Mittleren Osten gezeigt: Keine einzige Intervention hat zu mehr Demokratie und Menschenrechten geführt. Aber alle öffneten den Weg zu Bürgerkrieg und Chaos.

Das wollen die asiatischen Staaten und Russland nicht. Russland wehrt sich dagegen, sich vom Westen destabilisieren zu lassen. Auch in China wird hinter den Unruhen in Xinjiang und den Demonstrationen in Hongkong westliche Einflussnahme vermutet. In wie weit das alles im Einzelnen zutrifft, ist eine andere Frage. Tatsache ist, dass es so wahrgenommen wird.

Die Botschaft aus Peking ist also klar vernehmbar: Mit uns nicht. Wir wehren uns. Wir lassen eine Destabilisierung unserer Gesellschaften und Staaten unter keinen Umständen zu. Wir lassen uns weder wirtschaftlich noch politisch unter Druck setzen – denn wir halten zusammen.

Wie zur Illustration unterstreicht die Anwesenheit eines besonderen Gastes diese Botschaft. Es ist der ägyptische Präsident Abdel Fattah el-Sisi. Er stand mit Waldimir Putin und Xi Jinping auf der Ehrentribüne. Unter den Soldaten der Parade marschierte auch eine ägyptische Ehrendelegation, die stolz die ägyptische Flagge hochhielt. Was hat el-Sisi mit der Siegesparade in Asien zu tun? Wenn man die obig genannte Botschaft verstanden hat, ist das Signal klar. Ägypten will sich – wie China und Russland – keine Destabilisierung des Landes mehr leisten und verbittet sich Kritik am Stil der eigenen Führung. Im Gegensatz zu den USA und Europa fragt Peking nicht nach den inneren Angelegenheiten anderer Nationen.

Wir als Vertreter westlicher Werte können diese Entwicklungen mit Argwohn betrachten. Doch hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass sich die westlichen Werte nicht in jedes Land zu jeder Zeit exportieren lassen.

( Schlagwort: GeoAußenPolitik )

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Song Mali

@Jürg Rückert 04.09.2015 - 18:49

Premierminister Shinzō Abe waere ja zur Siegerfeier gekommen. Nur, die USA feiern den Sieg ueber Japan nicht.
Und China hat Japan nicht besiegt.

Gravatar: Alfred

China bombardiert keine anderen Länder im Gegensatz zum christlichen Westen. In Anbetracht der zweifelhaften NATO-Einsätze, sind die Chinesen auf der richtigen Weg.

Deutschland wird nicht am Hindukusch verteidigt, sondern zu Hause!

Gravatar: Song Mali

@Jürg Rückert 04.09.2015 - 18:49

Abe waere ja zu den Siegern zum Feiern gefahren.
Aber, die US of A feiern den 'V-Day' nun einmal nicht als Staatsfeiertag, und/oder einer Parade.

Und, von China wurde Japan indes auch nicht besiegt.

Gravatar: Song Mali

Zitat: "... Obwohl in Peking und Moskau solche Paraden jedes Jahr stattfinden ..."

Wer diese Zeilen geschrieben hat, hat leider keine Ahnung von China.
Die letzten Militaerparaden liegen zeitlich entfernt, in 1999 wie 2009, und feierten aber die GRUENDUNG der PRC, und nicht den Sieg in WWII ueber Japan!
Seit 1949 war es die erste ,Siegesfeier, China's.

Gravatar: Hans von Atzigen

Wichtiger als der Export der Westlichen Werte, ist die Pflege und die Sicherung, der Erhalt,der Westlichen Werte im eigenen Haus.
Leider sind zuviele gewillt um der Dominanz willen dies aufs spiel zu setzen.
Das Erbe der Aufklärung, ist ein sehr Kostbares einmaliges
Gut.Das den eigenen Nachfahren zu erhalten ist die Pflicht des Westens.Eine Verpflichtung an die Nachfahren.

Gravatar: Jürg Rückert

Gewiss hat der japanische Ministerpräsident, Herr Abe Merke-Ling, es sich nicht nehmen lassen, bei der Parade des Sieges über sein Land anwesend zu sein. Unsere Kanzlerin war ihm ein leuchtendes Vorbild!
Würde und Würdelosigkeit.

Gravatar: Hubertus

Puuh, endlich mal ein brauchbarer Kommentar auf der Freien Welt zum Thema Eurasien/Russland. Danke hierfür. Und das nach all dem Russland-Bashing a la Andreas Unterberger, Alexander Dilger und Günter Ederer seit dem Ausbruch der Ukaine-Krise. Dürfen wir noch hoffen? Oder ist es nur eine Beruhigungspille, bevor es wieder so richtig los geht?

Übrigens: Dass die Strassenproteste in Hong Kong der Versuch einer Farbenrevolution waren, steht so ziemlich fest. Inzwischen gibt es eine länger werdende Liste von Farbenrevolutionen, die gescheitertert sind. In Russland gleich zweimal (nach der letzten Wahl Putins zum Präsidenten und nach der Ermordung Nemtsovs), die grüne Revolution im Iran 2009, die elektrische Revolution in Armenien und eben in Hong Kong. Dazu der kürzlich erfolgte islamistische Destabilisierungsversuch in Mazedonien. Die Regierungen schnallen es so langsam in Eurasien und das ist gut so.

In der Ukraine, Ägypten, Tunesien und Syrien hat es jedoch funktioniert, leider.

Gravatar: Stephan Achner

"Eurasien wächst zusammen, Westen distanziert sich.":
Realistischer ist: Eurasien wächst zusammen und der Westen isoliert sich, weil sich die Kräfteverhältnisse in jeglicher Hinsicht in den nächsten Jahren und wahrscheinlich auch Jahrzehnten in den eurasischen Raum verlagern werden. So gut wie alle politischen, wirtschaftlichen, militärischen und kulturellen Entwicklungskriterien führen zur Einschätzung, dass das 21. Jahrhundert ein eurasisches Jahrhundert werden wird.
Europa wird dann noch so etwas wie ein großes Freilichtmuseum sein, wie es ja heute schon in vielen Regionen der Fall ist, wo es keine wertschöpfende Industrie mehr gibt, dafür aber jede Menge Industriemuseen.

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