Meine Erlebnisse in DDR und Wendezeit

Es war damals eine sehr spannende Zeit für mich als 15-jähriger Teenager diese Wendezeit zu erleben. Im Sommer 1989 kam ich ja aus der Schule. Die Wende war für uns DDR-Bürger weniger in Sicht. Für mich war es als Sonderschüler in der DDR und entschiedener Katholik besonders schwer überhaupt eine berufliche Perspektive zu haben.

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In der ganzen DDR-Zeit erlebte ich nicht nur als Christ, sondern als sogenannter „Hippie-Schüler“ viel soziale Ausgrenzung und meine Eltern waren sowieso politische Außenseiter, da sie treue Katholiken waren. Obwohl mein Vater in einer kurzen Phase in der Partei war, man hatte Ihn sehr lange und intensiv überzeugen zu versucht. Aber er war nur eine kurze Zeit in der SED. Man wusste von meinen Vater dass wir aktiv in der Kirche waren, da wir gute Kontakte zur Kirche in den Westen hatten. Die Stasi versuchte meinen Vater anzuwerben. Es flog aber in meiner Familie auf, und mein Vater trat wieder aus der SED  aus, da man ihm sagte er sei für das System nicht mehr tragfähig. Daher erlebte mein Vater systematische politische sowie seelische Zersetzung und es folgten mehre Aufenthalte in psychiatrischen Anstalten.
Durch dieses Erleben wurde ich natürlich immer kritischer. Das bemerkten auch meine Lehrer in der Schule. Meine Mutter durfte 1988 ein Jahr vor der Wende zur Ihrer Tante nach München fahren. Zu dieser Zeit wurden ja die Reisemöglichkeiten schon etwas lockerer, seit 1986 durften wir auch West-Fernsehen über das Kabelnetz sehen. Umso kritischer wurde auch mein eigenes Weltbild, was sowieso nicht der DDR  entsprach. Da ich selber freidenkender mit christlichen Werten erzogen wurde.
Zu dieser Zeit war mir nicht bewusst dass ich keine Lernbehinderter war, sondern eine veranlagte Lese-Rechtschreib-Schwäche (Legasthenie) hatte, die ich von meinem Vater erbte.       

Die deutsche Rechtschreibung und die Mathematik waren nie so recht mein Ding in der Schule, ich war aber immer sehr gut allgemeingebildet. Daher waren Geschichte, Geografie, Biologie und Staatsbürgerkunde eher ein Klacks. Außerdem waren wir als Familie sehr kulturell und vielschichtig interessiert.
Da ich als Jugendlicher immer mehr das System der DDR  hinterfragte, gab es auch immer mehr Schwierigkeiten mit in der Schule. Bis 1989 verstärkte sich meine Kritik am System der DDR. Selber hatte ich immer eine tiefe Sehnsucht nach Freiheit, einfach nach freier Meinungsäußerung. Die Schwierigkeiten, die man hätte bekommen waren mir sicherlich klar. Gerade wo meine Mutter im Westen war, und ich mich dann gegen die DDR  äußerte. Da  musste ich mich dann vor der ganzen Klasse herzpochend entschuldigen, dass ich diese „imperialistische Hetze“ unterlasse.   
Um nicht von der Schule zu fliegen, musste ich mich zusammenreißen. Bis 1989 habe ich es dann doch noch durchgehalten und absolvierte die 8. Klasse. Nun ging es um die Berufswahl.  Da  ich kein handwerkliches Geschick hatte wäre ich auf der LPG oder in der Textilindustrie verloren gewesen, auf dem Bau bzw. im Straßenbau noch mehr. Mein Traum war es immer ein Fotograf zu werden oder eben in den Medien zu arbeiten.
Das noch als Sonderschüler der DDR!  Das klang fast nach Größenwahn, dann noch so einen anspruchsvollen Beruf erlernen zu wollen. Durch Kontakte zu anderen Bekannten konnte ich wenigstens in einer Buchdruckerei beginnen, und ich landete in die Papierweiterverarbeitung. Da ich mit meinen 15 Jahren ein hagerer Typ war, der nicht sonderlich schwer körperlich arbeiten konnte war dies schon eine sehr harte Herausforderung. Es war nur eine Hilfsarbeiterjob. In der DDR, war es aber üblich dass man einen Teilfacharbeiter absolvierte. Zur DDR-Zeiten  gab es für einen gerade wenn man christlich war keine Entwicklungsmöglichkeiten. Man wurde förmlich in seiner Entwicklung gehindert.
Aber es kam doch anders, im späteren Sommer kam ja die Wende in Gang. Denn viele ergriffen die Chance über die Ungarn DDR  zu verlassen. Man hörte es im Bekanntenkreis und Freundeskreis. Haste schon gehört, der und die sind abgehauen über die Grenze in den Westen. Da wir sowieso nur die Westdeutschen Medien uns angehört und angesehen haben, waren wir auch gut informiert. Daher traute ich mich auch zu äußern.
Einige Wochen später wo es immer offensichtlicher wurde das die Wende voll im Gang war und die Menschen die DDR verließen, die Demos in Leipzig und Dresden und anderswo begannen war es schon sehr spannend. Hoffnung, Tränen und Ängste kamen da schon, da wir ja wussten dass die Stasi zu vielem bereit war.
Selber wurde ich immer mutiger und äußerte mich auch gegen dieses System. Das noch auf der Straße in der Mittagspause und in Wortgefechten mit meiner alten Stabilehrerin. Bei diesen Äußerungen waren auch unsere Kaderleiterin dabei und ich äußerte mich wie folgt: „Nun fällt die Mauer, und die Kommunisten kommen weg“.  Das  war im Spätsommer 1989. Über die Folgen war ich mir damals nicht klar. Es dauerte aber einige Zeit. So Anfang 1990 es waren noch ein paar Monate vor der Währungsunion.
So nun wurde ich mit meiner Mutter beim Chef und meiner Ausbilderin zur Unterredung eingeladen. Es ging da nicht um meine Äußerungen, nein man sagte nur dass ich als Lehrling nicht mehr tragbar für die Druckerei sei. Ich sollte mich entscheiden ob ich nicht als Hilfe die Toiletten putzen soll oder in eine Werkstatt für Behinderte gehen soll. Denn da wäre ich unter meinesgleichen. Meine Mutter entschied sich für die Behindertenwerkstatt.
Für mich war dann ein sehr harter Weg geebnet auf die gleiche Ebene von geisteskranken, schizophrenen, blinden, mongoliden und Mehrfachbehinderten gestellt zu werden. Was aber sehr komisch war, es waren noch einige andere aus politischen Gründen in dieser Behindertenwerkstatt. Denn es war Gang und Gebe das man Bürger die aus der Reihe tanzten in eine Irrenanstalt oder Behindertenwerkstatt abschob. Also es war, sozusagen das gewaltsame Berufsverbot von Dissidenten in der DDR. In einer Talk-Runde des MDR bezeugte dies auch einmal Heinz Eckert (CDU) der evangelische Theologe und ehemalige Innenminister von Sachsen, das politische Gegner aus politischen Gründen abgeschoben wurden – es war noch viel schlimmer als ein Berufsverbot.
Nun musste ich 2 Jahre in dieser Behindertenwerkstatt arbeiten. Von Kaffeebohnenlesen, Dübel Eintüten, Kugelschreiber zusammenbauen, Folien kleben und anderen Arbeitstätigkeiten. Es  war eine heftige Zeit, und hatte lange Jahre dran zu Kauen, um überhaupt zu verstehen was mir da passierte. 
Da wir ja im wiedervereinigten Deutschland lebten, waren wir nun in einem freien demokratischen Land. Und da durfte es doch so etwas nicht geben? Die Entwicklung verlief aber nicht so schnell. Denn aus alten Kadern wurden Wendehälse die sich sehr schnell einen Posten im öffentlichen Dienst sicherten.
Eines Tage es war im Jahre 1991 da begegnete mit die Politikerin Regine Hildebrand (SPD) auf einer Wahlveranstaltung in meiner alten Heimat. Dieser erzählte ich wo ich arbeitete. Diese sagte: „Das wäre der letzte Anker“, und sie half mir über das Ministerium für Soziales und Arbeit in Sachsen das ich wieder aus der Behindertenwerkstatt herauskam.
1992 war es dann soweit, dass wir dann mit rund 6 anderen Jugendlichen aus dieser Werkstatt wieder ins freie Leben entlassen wurden. Es wurde etwas besser für mich, aber wirkliche Integration erlebte ich über viele, viele Jahre nicht. 
Zuvor mussten aber einige Hürden überwunden werden.
Bevor ich aus der Behindertenwerkstatt kam wurde von der Agentur für Arbeit überhaupt überprüft ob ich fähig für die Rehabilitation in das Berufsleben war. Es wurden andere Jugendliche in der Werkstatt befragt. Ich weiß es noch sehr genau: Als freier Denker, war ich da nicht gern gesehen. Allgemein war man nicht gern gesehen. Die Betreuer der Werkstatt waren auch teilweise alte SED-Kader, besonders die Werkstattchefin. Man hörte es immer heraus, dass sie zu den alten SED-Leuten gehörte.
Die Zeit in dieser Behindertenwerkstatt nagte noch viele Jahre an meiner Seele. Für mich war es schon ein klares Verbrechen der Menschenwürde. Aber niemand wollte davon, hören und sehen.
Die Rehaberaterin, an die kann ich mich noch sehr genau erinnern. Sie war nicht sonderlich erfreut, dass ich die Werkstatt verlassen wollte um überhaupt einen Beruf erlernen zu dürfen. Eigentlich dachte ich nun, dass es endlich die Phase der freien Entfaltung und Berufswahl kommt. Denn ich wollte endlich einen Beruf erlernen für den ich mich interessiert habe der meinen Begabungen und Neigungen entsprach. Diese Beraterin war aber sehr skeptisch, da ich eben gewisse Schwierigkeiten in den Kulturtechniken hatte. Sie sagte nur: Wissen Sie Ihr Schulabschluss der DDR  ist nur 6. Klassen einer Hauptschule des westdeutschen Niveaus wert, mit diesen Abschluss können Sie keinen Beruf erlernen. Es  war einfach heftig, diese Sätze an den Kopf geworfen zu bekommen. Meine Beraterin war ersichtlich eine alte Genossin, das erkannte man sehr schnell in der alten Redensart wie sie sich äußerte. Manchmal dachte man, man schiebt Paranoia.
Erst kürzlich wurde es ja in den Medien offenkundig das 17. 000 alte Staatsbedienstete der alten Staatssicherheit im öffentlichen Dienst angestellt sind und waren. Das mal angemerkt: nicht nur bei der Polizei, sondern generell auch beim öffentlichen Dienst waren die alten Genossen während der Wende und nach der Wendezeit. Das  weiß man nun nach rund 20 Jahre Wende, dass man sich doch nicht getäuscht hatte.
Ich durchlief wie vielfach in meinen Leben eine Untersuchung bei Amtsleuten wie Psychologen und Ärzten. Als alter anerkannter „lernbehinderter“ gab es für mich nur ein Berufsgrundbildungsjahr (BVJ). Das war damals in einer Bildungseinrichtung in Bautzen. Damals kam ich in ein Internat, es war erst einmal eine Steigerung im Gegensatz zur Behindertenwerkstatt. Im Internat waren auch andere Azubis aus anderen Bereichen, auch Leute mit Abitur. Dann waren auch Jugendliche aus sozial schwierigen Umfeldern mit denen ich das BVJ machte. Mit denen kam ich nicht klar. Da  sie wie schon damals in der Schule nicht auf meiner kognitiven Wellenlänge waren.
Die Zustände mit den Leuten waren schon heftig. Aber da musste ich nun durch. Die Berufe für die Berufsvorbereitung waren für mich uninteressant. Maler, Maurer, Schlosser, Koch oder Hauswirtschaftshilfe waren einfach Berufe mit denen ich nichts anfangen konnte. Da ich kein Handwerker war, von Natur aus.   
Wer eben dumm war musste eben etwas mit den Händen arbeiten, so lautete die Maxime die ich schon in der DDR  kannte. Dass eben das neue damals rund 45 Jahre alte „neue“ System auch schon sehr aus dem Ruder gelaufen war, war mir damals auch nicht so recht klar. Wie es mir heute ist.
Wir befinden uns im Jahre 1992/93, die ernüchternde Massenarbeitslosigkeit machte sich auch in unserer Familie breit, und im Bekannten- und Freundeskreis. Viele Nachbarn waren auch schnell arbeitslos. als Familie konnte man nicht so schnell in den Westen gegen. Meine Mutter war bald 20 Jahre in der Textilindustrie, mein Vater auch. Dies brach aber im Zuge der Wende völlig zusammen. Viele Tausende wurden Arbeitslos. Wir kannten in unserer Kleinstadt Ebersbach in Sachsen fast kaum noch einen, der eine Arbeit hatte. Immer mehr Leute gingen in den Westen. Wir konnten es nicht weil wir noch alte Großeltern hatten die nicht man nicht mehr davon überzeugen konnte in den Westen zu gehen.
Und die Qualifikationen der alten DDR waren nicht mehr für das neue System brauchbar. Meine Mutter schulte um, mein Vater war inzwischen Invalide und arbeitete bis 1994 in einem Kino als Kartenabreißer.
Ich musste mich erstmals von den heftigen Niederlagen erholen, die mich damals schon traumatisierten. Mein erstes BVJ musste ich wiederholen, da ich angeblich nicht reif genug für eine Ausbildung war.  Man steckte mich eben dann in den Malerausbildungsbereich beim BVJ. Und ich hatte überhaupt kein Interesse an diesen Berufszweig da ich schon damals von der familiären Seite her ein ambitionierter  Fotograf war. Ich wollte etwas mit den Medien arbeiten. Bekannte wunderten sich über meine gute Intelligenz, die nicht der der Sonderschule oder des BVJ-Lehrgangs entsprach. Es war zu dieser Zeit alles im Umbruch man hatte keine Orientierung weiter. Als 17-jähriger Jugendlicher war man in einer tiefen Identitätskrise.
Meine Bekannte sagten aber, Mensch du bist nicht Dumm! Du bist doch intelligent! Kannst sicherlich nur eine Lese- und Rechtschreibschwäche haben. Das war 1993,  ich hatte die Antwort. Ich war nicht lernbehindert. Hurra! Aber was war die Lese- und Rechtschreibschwierigkeit?  Seit dieser Zeit setzte mich immer intensiver auseinander und begann zu forschen. Mir war das immer klarer dass ich ein Legastheniker bin. Aber niemand wollte mir glauben. Denn der Stempel des lernbehinderten hielt noch sehr viele Jahre an. Ich setzte mich aber zu wer, auch es gegen Windmühlen war. In einer Demokratie wollte ich mich selber für den Beruf entscheiden für den ich mich interessierte. Und nicht den, den andere mir auferlegten.
Schlussendlich musste ich den Beruf des Malers erlernen, in einer weiteren Bildungseinrichtung für Lernbehinderte und Sozialbenachteiligte. Das war dann im Jahre 1994-1997, es war noch nicht einmal eine Vollausbildung sondern nur eine Teilausbildung und das frustierte mich sehr. Auf der einen Seite hatte ich Freunde die nicht selten die Abiturienten waren, und auf der anderen Seite drückte man mir eine Ausbildung auf die mir nicht entsprach.
Die Auswirkungen der Wendezeit bis Heute
Es geht nun weiter mit meinen Erleben und deren Auswirkungen der Wendezeit, die mir lange Jahre nicht zu einer Integration verhalfen, die mir selber entsprach.
Und ich berichte nun weiter von den Jahren 1996-1999
Das interessante war immer das auf den Behörden und in den Bildungseinrichtungen entweder alte Offiziere der NVA oder alte Parteikader waren.  Ich fand es schon sehr bemerkenswert. Ich leistete mir als neuer freier Bürger immer wieder Auseinandersetzungen mit den Behörden. Nebenher lernte ich einen westdeutschen Redakteur eines kleinen Lokalanzeigers in der Dresdner-Neustadt kennen. Diesen zeigte ich meine Fotos und er war ersichtlich angetan von meinen Arbeiten.
Dann fing meine freischaffende Mitarbeit als Fotojournalist an. Man kannte mich langsam in der Szene. Meine Malerausbildung machte ich nur noch nebenher. Das lief auch so. Denn ich wollte ja Fotograf werden. Einige Fotografenmeister hätten mich gern als Azubi genommen. Aber  das nötige Geld für den Meister war nicht vorhanden. Meine Ausbildung machte ich mit Ach und Krach. In der Theorie war ich recht gut, und erhielt meine eine Gute mittlere Reife. Aber praktisch war ich nicht dazu geeignet. Das bescheinigten mir auch die Malermeister bei denen ich im Praktikum war. Immer wieder hatte ich auch Schwierigkeiten mit meinen Knochen, und konnte auch nicht diesen Beruf ausüben. Das sagten mir auch damals die Ärzte. 
Ich reichte dann wieder einmal eine Petition beim Deutschen Bundestag ein. Schilderte die Lage meiner politischen  und beruflichen Rehabilitation als Legastheniker. Aber da gab es keine wirklichen vernünftigen Antworten. 1996 bekam ich die Möglichkeit meine erste Fotoausstellung mit Balletttänzern der sächsischen Staatsoper umzusetzen. Das war einen geniale Sache.
1997 begann ich dann meinen Zivildienst da ich als entschiedener Christ keine Waffe um zu Morden anfassen würde. Es wurde statt gegeben, und ich konnte meine Zivildienstelle in der Altenpflege antreten. Es  war eine sehr harte Zeit für mich. Aber die 13 Monate habe ich sehr gut überstanden, das ohne Verschnaufpause. In dieser Zeit musste ich Alzheimer- und Demenzkranke nicht nur Betreuen sondern auch richtig Pflegen. Waschen, Füttern und auch die Menschen beim Sterben begleiten. Diese Phase prägte mich schon sehr und tat mir gut. Sie gab viele wertvolle Dinge für meine Leben mit.
Auch während der Zivizeit fotografierte ich auch als Freier Fotojournalist. Ich bekam dann als Chance in einem renommierten Brauhaus in Dresden eine Ausstellung gesponsert. Da s war mein erstes Coming-out als Legastheniker der nie eine wirkliche Chance bekam, den Beruf zu erlernen oder zu studieren für den ich von Natur aus geschaffen war.
Sogar sehr anerkannte Professoren sahen meine visuelle Begabung die mit einer „Hochbegabung“ gleichzusetzten war. Nun wusste ich auch dass dieser Lebensweg auch mein Beruf sein wird. Davon war ich überzeugt, es war auch mein Wunschberuf.
Zu dieser Ausstellung bekam ich dann noch einen guten Kontakt zu einem Hochschulprofessor aus Hamburg. Dieser lud mich zum Arbeitskreis Photographie Hamburg e.V. ein. Dieser stellte mir dann eine künstlerische Befähigung für ein Studium im Bereich Fotodesign aus. Ich war damals glücklich, dass endlich jemand einmal meine Potenziale sah.
Na gut. Dann versuchen wir es einmal, in eine gute Fotografenschmiede zu gelangen. Und ich bewarb mich dann mehrfach an Hochschulen und bei Handwerksfotografen. Die Hochschulen waren zu dieser Zeit überfüllt, die Fotografenmeister hatten in Dresden bzw. im Osten kein Geld, um überhaupt Geld für eine Ausbildung aufbringen zu können.
Ein Fotograf hätte mich in Elsterwerda bei Finsterwalde in Brandenburg sofort genommen, er suchte schon seit Jahren über das Arbeitsamt einen guten Fotografen. Mit der Legasthenie wäre er auch klar gekommen, denn in der Berufsschule der Fotografen in Potsdam wäre dies ohne Schwierigkeiten gegangen – da hätte sich damals der Fotografenmeister für mich eingesetzt. Das größte Problem der meisten Unternehmen im Osten war bloß, dass diese eine Ausbildung nicht finanzieren konnten.  Eine mittlere Reife um Fotograf zu werden hatte ich ja. Aber es scheiterte wieder da ich ja auf dem Arbeitsamt als rehabilitierter galt. Und der Ärger begann wieder von vorn. Denn als Maler konnte ich schon aus gesundheitlichen Gründen aufgrund eines Knorpelschadens im rechten Knie nicht mehr arbeiten.
Eines Tages begegnete mir die ehemalige Landesmutter Ingrid Biedenkopf (die Ehefrau des damaligen Ministerpräsidenten Prof. Kurt Biedenkopf). Diese wollte sich dann für mich einsetzten, sie versuchte es zumindest. Ihre Möglichkeiten waren begrenzt. Sie kommunizierte aber mit den verschiedenen Behörden um sich meinen Fall zu widmen. Also sie hatte mit dem Kultusministerium Dresden und der Agentur für Arbeit zu tun. Und dass Procedere begann wieder von vorn. Da ich eine Bescheinigung für eine „überdurchschnittliche Begabung“ hatte, dachte ich nun, dass  ich endlich Recht in einer freiheitlichen Gesellschaft bekäme, um endlich rehabilitiert zu werden.   
Mein Glaube an diese demokratische Grundordnung die ja im Grundgesetz der Bundesrepublik festgeschrieben war stand eben nur auf dem Papier. Nun wurde ich aber kein Gegner der deutschen Wiedervereinigung sondern, war enttäuscht wie wenige bei uns im Osten Verständnis von wirklich gelebter Demokratie hatten. Nun durchlief ich schon zum vielfachen Mal die behördlichen Regularien wie Besuche des Amtsarztes und Überprüfung durch den Amtspsychologen. Es  war heftig. Der Amtsarzt meinte, dass ich nicht mehr ganz gesund im Kopf sei. Wo ich diesen Arzt sah, bemerkte ich dass es sicherlich ein altes Überbleibsel der alten DDR  war. So begegnete er mir. Auch einige Jahre nach der Wende hat man die Verhaltensweisen der Regimetreuen nicht vergessen.  Man konnte es bloß nicht richtig beweisen. Außerdem wollte man im Osten auch nichts mehr davon wissen, das solche Kräfte immer noch am Ruder waren. Das  war aber im Jahre 1999.
Die Psychologin beim Amt und meine Rehaberaterin machten denselben Eindruck wie der Amtsarzt. Damals dachte ich wirklich, ich bilde mir dies vielleicht alles ein. Nein. Es wurde immer wieder von anderen Betroffenen bestätigt dass sie diese Erfahrungen mit solchen Mitarbeitern der Agentur für Arbeit gemacht haben.
Meine Beraterin und die Psychologen hatten mich auf den Kicker, diese meinten, wie man es könnte wagen mit aller Macht Fotograf zu werden. Das stünde mir einfach nicht zu. Außerdem wäre ich ja schon „rehabilitiert“. Die Psychologin meinte auf keinen Fall das ich jemals Fotograf lernen könnte. Sie meinte nur: „Sie wollen wohl ausbrechen!“. Ja, das wollte ich in der Tat, denn ich wollte den Beruf ausüben erlernen oder studieren für den ich auch persönlich geeignet war, und eben nicht den die, die arbeitspolitischen Instrumente vorsahen.
Da ich ein Schreiben mit persönlicher Unterschrift von Ingrid Biedenkopf hatte um das man mich unterstütze, musste das Arbeitsamt Dresden nun handeln. Selber versuchte ich eine Chance irgendwo zu bekommen. Mit meiner DDR-Biografie war es zusätzlich fast nicht möglich. Denn mir Stand vom Verständnis her eine politische Rehabilitierung zu.
Meine Begabung war für die Rehaberaterin nicht interessant. Da ich als Rehhabilitand galt verwies man mich auf das Berufsförderungswerk Bad Pyrmont in Niedersachsen um mich nochmals genauer zu überprüfen ob ich überhaupt für den „Fotografen“ geeignet wäre. Diese Einrichtung könnte dies am Besten einschätzen. Sie knallte mir an den Kopf: „Sie werden ja sehen, was Sie davon haben. Das machte mir die Rehaberaterin klar. Dann springen Sie eben nun ins kalte Wasser“. Bis Sie zur Reha kommen, durchlaufen Sie erst einmal eine Berufsfindung, dann werden wir weiter sehen. Mir war klar, dass dies wieder ein Reinfall werden wird. Aber ich musste da durch. Man wollte mich damit einfach mundtot machen, um eben Ruhe zu haben.
Um 2000 herum kam ich dann zur Berufsfindung im Berufsförderungswerk Bad Pyrmont. Soweit so gut. Es  war klar für mich dass ich nun eine Ausbildung zum Fotografen im Bfw Bad Pyrmont durchlaufe. Das dachte ich mir so. Denn Sie haben meine Referenzen und mein Gutachten nicht akzeptiert. Es war für mich ein Schock. Aber da musste man halt durch. Nach den 2 Wochen stellte sich heraus, dass ich einen 5-monatigen Rehavorbereitungslehrgang durchlaufen sollte. Da musste ich aber rund anderthalb Jahre darauf warten.
Für die Umschulung zum RVL und Fotograf war ich nun angemeldet. Ich musste aber erst einmal die 5 Monate Vorbereitungslehrgang überstehen. Also im Jahr 2001 begann mein Lehrgang im Bfw Bad Pyrmont. Es scheiterte nicht an meiner Begabung sondern an meiner Legasthenie. Und wurde mit aller Macht von meinen Berufswunsch weggedrängt. Das war schon fast Mobbing. Eine Rehaeinrichtung müsste aber in der Lage sein Menschen mit einer Legasthenie zu integrieren – das war eins meiner größten Irrtümer.
Ich müsste aber aus Dresden weg, mein Frau heiratete ich in Dresden und wir gingen beide ins schöne Bad Pyrmont ins Weserbergland in der nähe von Hannover bei Hameln.
Wir dachten uns, dass wir für einige Zeit weggehen. Denn Arbeit gab es in Dresden für uns auch nicht, auch für meine Frau sah es sehr schlecht aus. Sie konnte aber schnell als Teilzeitkraft im Einzelhandel arbeiten.
Nun stand ich wieder auf den Schlauch. Denn ich hatte keine Perspektive, da die Fotografie der Beruf meines Lebens war. Und Geld für ein Studium hatten meine Eltern nicht. Also war ich wieder in einer Krise wie die Jahre zuvor. Nebenher beschäftigte ich mich immer aktiv mit der Politik. In Bfw Bad Pyrmont musste ich erst wieder im Jahre 2003 zur Umschulung zum Siebdrucker. Obwohl ich null Interessen hatte zog ich diese Ausbildung durch. Der Beruf des Siebdruckers ist eigentlich kaum gefragt. Schon im ärztlichen Gutachten stand das ich von meiner Grundschnelligkeit als Legastheniker für Akkordarbeit nicht geeignet sei. Aber es lief aber durch die Umschulung darauf hinaus. Außerdem war zu dieser Zeit der Umbruch im Medienbereich voll in Gange. Es  war also klar, dass die Umschulung wieder keine Integration bringen würde.
Auch von der Praxis her war ich nicht geeignet wie schon oft. Man wollte mir aber nicht glauben, dass man es eben besser Einschätzen kann für welchen Beruf man am besten geeignet ist. Damals war mir nicht klar, dass man in Westdeutschland schon seit vielen Jahrzehnten die Rechte legasthener Menschen auf Integration versagt hat. Die persönlichen und volkswirtschaftlichen Auswirkungen waren mir immer präsent. Aber man hörte nicht auf meine Warnungen in den mehrfachen Petitionen beim deutschen Bundestag, und anderen Behörden.
Durch meine Umschulung zum Siebdrucker entwickelte ich mich im Medienumfeld weiter, und wurde dann eben Grafiker im Internetbereich sowie der Druckvorstufe. Nach meiner Umschulung war ich erstmals wieder ohne eine Perspektive, denn man brauchte keine Siebdrucker. Von unseren 10  Umschülern bekamen Zwei einen Job. Der Rest hatte keine Chance und rutschte natürlich in Harz IV ab, wie die meisten Menschen die man in alle möglichen kurzsichtigen Maßnahmen steckte, die nur einer speziellen Bildungsindustrie etwas nutzen – den Betroffenen aber keine Integration bringen. Das komische war bloß immer das eben das Berufsförderungswerk Bad Pyrmont uns immer erzählte, dass man 80 Prozent der Umschüler integrieren würde.
Im Jahre 2005 war nun die Umschulung beendet, mir viel ein Stein von Herzen und musste mich erstmals erholen. Nun stand ich wieder ohne richtige Perspektive da. Denn mein Weg war nicht der den ich eigentlich wollte – sondern es war wieder einer den mir unser Sozialisierungssystem auferlegte das man dann berufliche Rehabilitation nannte.
Klar, es öffnete mir die Augen das eben das Bildungssystem der Bundesrepublik total desolat ist. Wenn ein Bildungssystem schon in der Grundschule selektiert, wird die berufliche Reha die eigentlich der Eckpfeiler des Sozialsystems sein sollte, eher der Fallstrick einer altbekannten Planwirtschaft. Ludwig Erhard wäre sicherlich entsetzt wenn er diese Auswüchse heute sehen würde. 
Nach der Umschulung zum Siebdrucker hatte ich wie vorher keine wirkliche Perspektive für eine wirkliche Integration entwickeln können. Daher befand ich mich wieder in einer Krise. Ich wollte aber aus dem Dilemma heraus. Nun entschied ich mich für die Selbständigkeit. Nach einen halben Jahr rutschte ich sowieso in Harz IV, es war im Jahr 2005. Um nicht ganz der Lethargie zu versinken versuchte ich mich eben Selbständig zu machen, das eben als Grafiker mit einer kleinen Werbeagentur. Aber SGB II und Selbständigkeit funktionieren miteinander nicht, und das Chaos wurde noch großer als es schon für die normalen Harz IM-Empfänger war. Aber irgendwas muss ich tun, denn ich wollte und konnte nie auf der faulen Haut liegen. Klar es gibt reichlich Bürger unter Harz IV die sich aufgegeben haben. Nein, ich wollte es versuchen. Ein paar Brötchen konnte ich schon verdienen. Das JobCenter wollte mich immer wieder herausdrängen statt froh zu sein – das man mit aller Kraft etwas versucht auf die Beine zu stellen.
Dann spitze sich die Lage zu, von den Banken bekam man als Armer sowieso nichts. Die Angehörigen konnten einem nicht helfen, und Freunde hatte man auch nicht die bereit waren zu helfen.

Es war im Mai 2007, und las wie jeden Monat das Wirtschaftsmagazin Brand eins. Der Artikel: „Achtung! Sie betreten den kreativen Sektor“. Das  war die Antwort auf meine Fragen zum Thema Legasthenie, auch wenn es im Artikel nicht darum ging. Es ging aber um unsere andere Wahrnehmung als Legastheniker, um Kreativität und Innovation. Das umschrieb meine Situation die man im Artikel als „Die Gestörten“ bezifferte.
Es ging um die kreative Klasse und das Thema Wissensgesellschaft, und um eine Gesellschaft die mich als legasthenen Menschen nicht versteht. Nun begann ich mich über mein Weblog schriftlich zu Outen. Auf einmal konnte ich das Phänomen der komplexen Legasthenie beziffern. Für mich selber konnte ich es immer erklären, aber die Menschen die mit mir zu tun haben nicht. Man kam da immer in Erklärungsnöte. 
Eine Perspektive für die Zukunft
Nach und Nach bemerkte ich dass mein Thema kaum von Seiten eines Betroffenen im Netz zu finden war. Und begann halt dann zu Bloggen. In kurzer Zeit stiegen die Besucherzahlen, und ich wusste, dass ich den Nagel auf den Kopf traf. Es entwickelte sich nun auch eine Perspektive für meine berufliche Zukunft, denn ich werde als Legasthenieexperte dafür arbeiten das man solche Lebenswege bei den Betroffenen im Lande vermeiden kann. Heute erstelle ich pädagogische Gutachten für Menschen mit LRS  oder Legasthenie, und biete Ihnen ein individuelles Lerntraining und Coaching. Inzwischen habe ich auch ein Geschäftsmodell entwickelt, das ich 2010 in Dresden umsetzten werde.

Foto:Rike/pixelio

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