Saudi-Arabien

Machtwechsel am Ölhahn

König Abdullah ist tot. Sein Bruder Salman übernimmt die Macht. Doch das Erbe gleicht einem Pulverfass. Das Land ist gespalten und die Macht des Herrscherhauses ruht allein auf dem Erdölexport.

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Besser spät als nie. Wie unter anderem der Spiegel berichtete, hat die Bundesregierung auf Anraten des Bundessicherheitsrates die Waffenexporte nach Saudi-Arabien vorerst auf Eis gelegt. Der Grund sei die instabile Lage der Region. Da stellt sich natürlich die Frage, ob das nach all den Kriegsjahren im Mittleren Osten der Bundesregierung erst jetzt aufgefallen ist?

Saudi-Arabien ist einer der größten Waffenimporteure des gesamten Nahen und Mittleren Ostens. Sowohl die USA als auch die Bundesrepublik Deutschland haben bisher an Waffenexporten nach Saudi-Arabien viel Geld verdient.

Der Deal war stets klar: Der Westen unterstützt das Regime des saudischen Königshauses militärisch, damit es die Ölreserven des Landes und die Stabilität der Region sichert. Doch die Saudis brauchen ihr starkes Militär vor allem, um ihr Land zusammenzuhalten.

Der König ist tot, es lebe der König

Noch ein anderer Grund könnte bei der Einschätzung der politischen Lage eine wichtige Rolle spielen. Es ist der Tod des Königs Abdullah. Aus Erfahrung weiß man: Jeder Machtwechsel birgt Risiken. Und wie die Entwicklungen in den Nachbarländern zeigen, können Machtwechsel Chaos nach sich ziehen. Auch wenn der Nachfolger Abdullahs, sein Bruder Salman, angekündigt hat, dass sich am saudischen Regierungskurs nichts ändern würde, so weiß tatsächlich niemand, welchen Weg das Land einschlagen wird.

Der Nachfolger stand übrigens schon vor dem Tod Abdullahs fest. Bereits 2012 hatte der König für den Fall seines Todes seinen Bruder Salman Ibn Abdul Aziz al-Saud zu seinem Nachfolger erklärt gehabt. Der Fall ist nun eingetreten.

Im Herrscherhaus Saudi-Arabiens wird die Macht nicht vom Vater auf den Sohn, sondern von Bruder zu Bruder weitergegeben, zumindest solange noch Brüder des Königs leben. Das hängt auch damit zusammen, dass der Begründer des Großstaates Saudi-Arabien, Ibn Saud, 43 Söhne hatte. Wegen des Rechtes auf die Ehe mit mehreren Frauen gehören zum Herrscherclan der Saudis mittlerweile mehrere tausend Prinzen, die sich irgendwo in der Erbfolge platziert wissen. Ein Aussterben der Dynastie mangels Nachfolger ist auf absehbare Zeit ausgeschlossen.

Diese Dynastie ist es, die von der Bevölkerung kritisch beäugt wird. Denn mit allen Prinzen, Prinzessinnen und ihrer familiären Entourage hat sich ein Clan aus mehreren Zehntausend Menschen in Saus und Braus eingerichtet und lebt von üppigsten Renten. Dagegen steht eine schnell wachsende Bevölkerung, die sich trotz Arbeit mit bescheidenem Lebensstil über Wasser halten muss.

Hinzu kommt die hohe Jugendarbeitslosigkeit. Für die Armen beutet dies, kaum Chancen auf den gesellschaftlichen Aufstieg zu haben. Für die verwöhnte reiche Jugend der Oberschicht dagegen bedeutet dies vor allem Langeweile, die die jungen Männer mit Autofahren totschlagen.

Während des arabischen Frühlings kam es auch in Saudi-Arabien in vielen Städten zu Demonstrationen. Besonders im Osten des Landes demonstrierte die schiitische Minderheit, die in der Ostprovinz selbst die Mehrheit ausmacht.

Saudi-Arabien fühlt sich von Feinden umzingelt

Zu den innenpolitischen kommen die außenpolitischen Gründe. Da ist zum einen die schiitische Umzingelung. Im Jemen haben erst kürzlich schiitische Rebellen die Kontrolle über die Hauptstadt Sanaa bekommen. Im Inselstaat Bahrain haben saudische Truppen einen Aufstand der schiitischen Bevölkerungsmehrheit brutal niedergeschlagen. In Syrien unterstützen Saudis sunnitische Kräfte, um die schiitisch-alawitische Achse zwischen dem Iran, dem Südirak, dem syrischen Präsidenten Assad und den schiitischen Hisbollah-Milizen im Libanon zu brechen.

Es wird bereits heiß diskutiert. Eine Spaltung des Irak in einen kurdischen Nordosten, einen sunnitisch-arabischen Nordwesten und einen schiitisch-arabischen Süden wird nicht mehr ausgeschlossen. Auch eine Teilung Syriens in mehrere Länder ist nicht mehr undenkbar. Diese Entwicklung ist für Saudi-Arabien eine Bedrohung.

Es ist durchaus vorstellbar, dass das Land im Falle einer Krise in drei Teile zerfallen könnte: dem sunnitischen Hedschas im Westen, dem wahhabitischen Nadschd in Zentralarabien und dem schiitischen Osten in der Golfregion. Das wäre ein Albtraum für die Saudis und für die Amerikaner. Damit ist die Frage geklärt, warum Saudi-Arabien derart aufrüstet. Die Herrscher müssen für den Fall gewappnet sein, ein Auseinanderbrechen des Landes notfalls mit Gewalt zu verhindern. Daher erklärt sich auch das harte Eingreifen der Saudis auf dem Inselstaat Bahrain. Eine schiitische Unabhängigkeitsbewegung am Golf, ausgerechnet dort, wo das Erdöl ist, bleibt für die Saudis in Riad ein absolutes No-Go.

Saudi-Arabien ist ein künstliches Gebilde

Viele haben es schon vergessen. Aber Saudi-Arabien ist keineswegs ein gewachsener Staat, sondern ein künstliches Gebilde wie Jordanien oder der Irak. Noch vor dem Ersten Weltkrieg war der Westen der Halbinsel Teil des Osmanischen Reiches, an dessen Grenzen die Beduinenstämme kämpften. Unter der Oberherrschaft der Osmanen wurde der Hedschas (Hijaz), der Westen der arabischen Halbinsel mit den heiligen Städten Mekka und Medina, von dem Herscherclan der Haschimiten regiert. Ihre dynastische Abkunft reicht bis in die Zeit des Propheten Mohammed zurück. Daher stellte sie auch die Scherifen von Mekka.

Mit dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches, errichtete diese berühmte Dynastie der sunnitischen Haschimiten ein unabhängiges Königreich im Hedschas. Dieses Königreich umfasste fast die gesamte Westhälfte Arabiens.

Dann kam die saudische Eroberung. 1924 begannen die Saudis vom zentralarabischen Nadschd aus mit der militärischen Invasion des Hedschas. Abd al-Aziz Ibn Saud stürzte den haschimitischen König Hussein Ibn Ali und erklärte sich kurzerhand selbst zum König des Hedschas. Nach der Vereinigung des Hedschas mit dem Nadschd war der Gesamtstaat Saudi-Arabien geboren. Doch die Erfahrungen der Geschichte zeigen: Was durch Gewalt zusammengeschweißt wurde, kann auch wieder auseinander brechen.

Strafen in Saudi-Arabien so grausam wie beim „Islamischen Staat“ (IS)

Seit Jahren wird in den westlichen Medien unaufhörlich über die Menschenrechtsvergehen und grausamen Strafen im Iran berichtet. In der gleichen Zeit wurde über die viel schlimmeren Zustände in Saudi-Arabien hinweggesehen, weil das Land ein wichtiger Verbündeter des Westens ist. Und das, obwohl Internetseiten und unabhängige Onlineportale immer wieder darüber berichteten und entsprechendes Foto- und Videomaterial online stellten.

Ab und zu bahnt sich die Berichterstattung über das grausame Strafenregister Saudi-Arabiens den Weg in die Leitmedien. So auch nun anlässlich des IS-Terrors und des Machtwechsels in Riad. Die Internetzeitung „Middle East Eye“ hat die Strafen für diverse Rechtsverletzungen im Islamischen Staat mit der Rechtssprechung in Saudi-Arabien verglichen. Auch der Spiegel hat im Anschluss darüber ausführlich berichtet.

Saudi-Arabien ist ein Land, in dem die Todesstrafe nicht nur auf dem Papier existiert, sondern regelmäßig grausame Anwendung findet. Demnach droht sowohl in Saudi-Arabien als auch im „Islamischen Staat“ (IS) für folgende Vergehen die Hinrichtung: Blasphemie, Homosexualität, Abkehr vom Islam und Mord. Außerehelicher Sex wird mit Steinigung bestraft. Bei Diebstahl wird die Hand abgehackt.

Angesichts dieser Moralvorstellungen und der an die Scharia angelehnten Rechtssprechung ist es kein Wunder, dass es in Saudi-Arabien viele Gönner und heimliche Unterstützer des IS gibt. Andererseits verweist der IS auf Saudi-Arabien, um seine eigene harte Rechtsprechung zu rechtfertigen. In der Tat sind sich beide Gebilde hinsichtlich der Rechts-, Gesellschafts- und Staatsvorstellungen nicht unähnlich.

Wenn im Westen sich die Öffentlichkeit über die Auspeitschung eines Internet-Bloggers in Saudi-Arabien aufregt, weil er den Islam und den Staat beleidigt hat, dann zeigt dies, wie wenig bisher in Europa über die tatsächlichen Zustände in Saudi-Arabien berichtet wurde.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Michael Ziefle

einen abgetakelten Politiker zu schicken, ist an Heuchelei nicht mehr zu überbieten. Und jetzt will man auch keine Waffen mehr an die Saudis verkaufen, na toll, die Franzosen, Engländer und Amerikaner wirds freuen. Da werden dann auch "friedliche" Aufträge fernbleiben zukünftig.

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