Freizügigkeit ab 2014

Kommentator warnt vor Armutszuwanderung

Peter Oborne befürchtet durch die Öffnung der Grenzen für Rumänen und Bulgaren eine fatale Armutszuwanderung. Die EU sieht er in einer demokratischen Krise, die Politiker zu Statisten degradiert.

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Scharfe Kritik an der undemokratischen Verfasstheit der EU übt Peter Oborne, politischer Chefkommentator beim britischen Telegraph. So sehr er sich über Errungenschaften wie freien Handel und internationale Zusammenarbeit freut, so sehr sorgt er sich um die seit einigen Jahren zu beobachtende Tendenz zur Herausbildung einer abgehobenen politischen Klasse.

Oborne schreibt: »Die EU hat die Politik abgeschafft. Hochgradig beeinflussbar durch Lobbygruppen und große Unternehmen, ist sie inzwischen außerhalb der Reichweite von politische Parteien und nationalen Politikern. Das ist weitaus gefährlicher, als man bisher begriffen hat. Immer wieder und wieder werden nationale Spitzenpolitiker verantwortlich gemacht für Entscheidungen, die sie nicht getroffen haben und die sie nicht ändern können.«

Wichtige Beispiele sind für Oborne die Schaffung einer einheitlichen Währung, die es Ländern wie Griechenland unmöglich machen, aus ihrer Misere herauszukommen. Oder die EU-weite Freizügigkeit, die er »eine im Prinzip wunderbare Idee« nennt und für sehr sinnvoll hält – solange sie von einigermaßen gleichartigen Ländern wie Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien praktiziert wird.

Probleme durch Armutsmigration?

Nur sieht die Wirklichkeit anders aus. Ab Januar 2014 werden auch sehr arme Staaten wie Bulgarien und Rumänien Teilnehmer an diesem Verbund sein, und ihre Bürger werden überall dieselbe Freizügigkeit genießen können. Bulgaren und Rumänen schließlich werden angesichts dieses Gefälles mit Sicherheit ihr Glück in den reicheren Ländern versuchen, ist sich Oborne überzeugt. Wie viele werden es sein? Schwer zu sagen, meint er, aber von der letzten Immigrationswelle (aus Polen) waren alle überrascht worden.

So vernünftig es beispielsweise für Roma ist, auszuwandern, zum Beispiel nach Großbritannien, so problematisch ist diese zu erwartende Welle für die dortige Bevölkerung, meint Oborne. »Niemand in Großbritannien – oder in irgendeinem anderen europäischen Land – hat für diese neue Immigrationswelle gestimmt. Niemand hat darum gebeten und fast niemand will sie.« Darum folgert er: »Das ist der Ärger mit der EU. Es werden Entscheidungen getroffen – niemand weiß, wo –, die enorme Konsequenzen für das Leben ganz gewöhnlicher Menschen haben, und die Entscheidungsträger vor Ort sind ihnen hilflos ausgeliefert.«

Oborne warnt davor, dass die Kosten dieser Entscheidungen konkret von den kleinen Leuten getragen werden müssen, die ihre schlecht, aber auskömmlich bezahlten Jobs an noch schlechter bezahlte Arbeiter verlieren können, denen es mit Hungerlöhnen in Großbritannien allemal besser geht als in ihren Herkunftsländern.

Viel schlimmer aber ist für ihn der demokratische Schaden, der durch die anonymen Entscheidungen in Brüssel entsteht. Denn die Umsetzung erfolgt durch die anonyme Verwaltung und ist dem Einfluss der britischen Politik entzogen. »David Cameron ist reduziert auf die Rolle eines Beobachters in einem Land, das zu regieren er gewählt wurde,« sagt Oborne und folgert: »Die Entscheidung wird von anonymen Bürokraten und Juristen umgesetzt. Ohne dass es beabsichtigt war, entwickelt sich die EU zu einem Feind der Demokratie.«

Die EU hat die Politik abgeschafft

Die Folge dieser Auslagerung der Entscheidung auf die europäische Ebene ist die Unterbindung einer Diskussion über politische Entscheidungen; jedenfalls finden sie nicht mehr da statt, wo sie sich auswirken, klagt Oborne. Und was noch schlimmer ist: Aus diesem »Wahnsinn« gibt es keinen Ausweg, weil die Freizügigkeit einer der Grundwerte der EU ist. Selbst wenn Cameron wollte, wären ihm die Hände gebunden, eine Änderung nur unter größten Schwierigkeiten möglich, zumal auch seine Kollegen in den Mitgliedsstaaten »Opfer der europäischen Krise der Demokratie« sind.

Dabei wäre es jetzt höchste Zeit, den britischen Arbeitsmarkt vor der Armutszuwanderung aus Osteuropa zu schützen, meint Osborne. Und er schließt mit einer Warnung, die angesichts der beschriebenen Gefahren wie eine Empfehlung klingt: »Wenn der Premierminister nicht handelt, wird nur noch UKIP übrig bleiben, die in einer Sprache spricht, die die normalen Wähler noch verstehen.«

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Helene

Tja, wir ganz normalen (und im übrigen gar nicht europafeindlichen) Bürger sehen das alles schon seit einiger Zeit. Aber was wurde uns nicht alles vorgeworfen ...
Wacht Europa endlich auf?
Lesenswert übrigens - und gar nicht teuer - das schon vor längerer Zeit erschienene Büchlein von Hans Magnus Enzensberger: "Sanftes Monster Brüssel".

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