Signifikanzlose und sinnfreie Korrelationen

Ist Frühstück gesund für Kinderherzen?

Das Herzinfarktrisiko von Schülern lässt sich nicht vorhersagen. Die Daten, die eine Studie ergeben hat, lassen diesen Schluss jedenfalls nicht zu. Mal wieder werden Korrelationen als Kausalitäten verkauft.

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»Das Frühstück zu Hause hält das Herz von Kindern gesund« – mit dieser frei erfundenen PR-Behauptung wollten deutsche Forscher den Medien mal wieder das beliebte Märchen vom »gesunden Frühstück« unterjubeln. »Wer das Herzinfarktrisiko von Vorschülern vorhersagt, sollte sich lieber auf Kaffeesatzdeuterei spezialisieren«, sagt Udo Pollmer, wissenschaftlicher Leiter des Europäischen Instituts für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften (EU.L.E. e.V.). »Wenn, dann trägt der Stress, den solche Meldungen bei den Eltern verursachen, erheblich mehr zu deren vorzeitigem Ableben bei als ein – wie auch immer geartetes – Kinder-Frühstück.«

Pollmer erklärt, dass es belanglos ist, dass es sich auch bei dieser Ernährungsstudie um eine Beobachtungsstudie handelt, aus der sich bestenfalls Plausibilitäts-Hypothesen ableiten lassen. Doch selbst auf diesem niedrigen Niveau betrachtet versickert die Botschaft des »gesunden Kinder-Frühstücks« wie Pipi im Sandkasten, versichert er. »Die Daten der Originalstudie lassen noch nicht einmal die vage Vermutung zu, dass Frühstücken Kinderherzen möglicherweise schützen könnte: Meist fehlt die statistische Signifikanz und teilweise sind die Korrelationen der Nicht-zu-Hause-Frühstücker gar ‹herzgesünder‹«, erklärt Ökotrophologe Uwe Knop. »Und da eh‘ niemand weiß, welche Bedeutung der Cholesterinspiegel eines Zweijährigen für sein Infarktrisiko im Greisenalter hat, schweben die Aussagen sowieso im luftleeren PR-Raum«, meint Knop.

Auch interessant: Gemäß Originaldaten der Studie sind beispielsweise zwei- bis sechsjährige Kinder, die nicht zu Hause frühstücken, größer als Frühstücker@home. Für die Forscher grenzen derartige Versuche, aus den Daten die von den Autoren gewünschten Ergebnisse herauszuziehen, an Realsatire: »Nehmen wir nun den Schlussfolgerungs-Stil der Forscher als Maßstab, dann hieße das: ›Das Frühstück außer Haus lässt Kinder größer werden‹. Wer jetzt lacht und mit dem Zeigefinger seine Stirn bearbeitet, der sollte bitte die Headline der Studien-PR lesen – und dann weiter schmunzeln«, empfiehlt Knop.

Wie spannend die Datenmassage rund um kindliche Cholesterinwerte, Bluthochdruck, Body-Mass-Index und weitere Faktoren ist und wie größtenteils nichtssagend die Korrelationen ausfallen, das zeigt der ausführliche Hintergrundbericht, der diesem Paradebeispiel an Ernährungspropaganda kritisch auf den Zahn fühlt. Unabhängig der »ökotrophologischen science fiction« gilt nach Erkenntnissen von Pollmer und Knop grundsätzlich: Entscheidend ist im wahren Leben, dass Kinder satt werden – wann und wo sie essen, ist zweitrangig. Pollmer erklärt: »Auch bei den Eltern gibt es viele, die in der Frühe nur ein Heißgetränk zu sich nehmen. Ob morgens Hunger herrscht, ist wesentlich vom Alter abhängig. Kleine Kinder sind bereits früh morgens aktiv, während Pubertierende noch in der ersten Unterrichtsstunde die Augen kaum offen halten können.«

Das Fazit der Kritiker ist eindeutig: Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um ein ganz feines Lehrstück »synergistischer Ernährungs-Propaganda«: Butterweiche, größtenteils signifikanzlose und sinnfreie Korrelationen einer Beobachtungsstudie werden via Instituts-PR den Medien als Kausalitäten untergejubelt. Und das in diesem Fall noch nicht einmal suggestiv, sondern als direkte »A macht B«-PR-Headline aufs Journalistenbrot geschmiert. Ihr Urteil, das sie über alle Beteiligten verhängen, ist eindeutig: Sechs, setzen!

Quellen:

[1] Das Frühstück zu Hause hält das Herz von Kindern gesund, Pressemeldung Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie - BIPS, 19.12.14, basierend auf: Papoutsou S, et al: No breakfast at home: association with cardiovascular disease risk factors in childhood. European Journal of Clinical Nutrition. 2014; 68(7): 829-834. doi: 10.1038/ejcn.2014.88.

Quelle: EU.L.E. e.V.

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