Attentat in der Türkei

Islamistischer Terror in Istanbul

Die Türkei steht unter Schock. Jetzt hat der »Islamische Staat« (IS) am Bosporus zugeschlagen. Unter den Todesopfern sind zahlreiche Deutsche. Der Dschihad ist in der Türkei angekommen.

Veröffentlicht:
von

Der islamistische Terrorismus war hauptsächlich ein Phänomen, das die Türken jenseits der Grenze im Irak und in Syrien mitverfolgen konnten. In der Türkei selbst dagegen war der Konflikt in Ostanatolien bestimmend. Die Kurdenfrage und die damit im Zusammenhang stehenden Konflikte, die auch nach Syrien und in den Irak übergreifen, standen im Vordergrund.

Doch nun ist blitzartig klar geworden: Die Türkei steht genauso im Fadenkreuz der radikalen Fundamentalisten wie die anderen Regionen im Nahen Osten. Es wird immer offensichtlicher, dass das Land am Bosporus in eine düstere Zukunft blickt.

Was war genau geschehen? Im historischen Herzen Istanbuls, im Stadtviertel Sultanahmet, in der Nähe der weltberühmten Hagia Sophia und der prächtigen Blauen Moschee, hatte am Dienstag, den 12. Januar, um 10:15 Uhr Ortszeit, sich ein Selbstmordattentäter zwischen ausländische Touristen begeben und sich dort in die Luft gesprengt und auf diese Weise zahlreiche Menschen in den Tod gerissen.

Die Angaben zur Zahl und Herkunft der Opfer schwanken noch. Zurzeit geht man von 10 Toten und mindestens 15 Verletzten aus. Der türkische Premierminister Ahmet Davutoglu hat zuvor die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel über die deutschen Opfer informiert. Mindestens acht Deutsche sind unter den Todesopfern. Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier äußerten sich bestürzt zu den Anschlägen und bekundeten ihre Solidarität mit der Türkei. Wegen der zahlreichen deutschen Opfer ist es nicht auszuschließen, dass dieser Anschlag auch Deutschland galt.

Der Selbstmordattentäter namens Nabil Fadli soll ein Anhänger des „Islamischen Staates“ (IS) gewesen sein. Er stammte aus Syrien, wurde allerdings 1988 in Saudi-Arabien 1988 geboren.  Dies sind die Angaben, die der stellvertretende türkische Premierminister Numan Kurtulmus am Nachmittag auf einer Pressekonferenz verkündet hat. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat bereits am Mittag davon gesprochen, dass es sich um einen islamistischen Anschlag eines syrischen Attentäters handele.

Das deutsche Auswärtige Amt (AA) hat nun seine Reisewarnungen bezüglich der Türkei dahingehend konkretisiert, dass Touristen größere Menschenansammlungen vermeiden sollen. Zwar war es das erste Mal, dass ein Anschlag in Istanbul direkt auf Touristen verübt wurde, doch es ist davon auszugehen, dass es nicht das letzte Mal war. Die aktuellen Reisehinweise bezüglich Urlaubsreisen in die Türkei lassen sich auf der Webseite des Auswärtigen Amtes nachlesen.

Dort heißt es aktuell (Zitat): Am späten Vormittag des 12. Januar ist es auf dem At Meydani in der Innenstadt von Istanbul zu einer Explosion gekommen. Dabei sind auch Menschen zu Schaden gekommen. Reisenden in Istanbul wird dringend geraten, Menschenansammlungen auch auf öffentlichen Plätzen und vor touristischen Attraktionen vorläufig zu meiden und sich über diese Reisehinweise und die Medien zur Lageentwicklung informiert zu halten.“

Die Tatsache, dass der Anschlag in der Nähe der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten von Istanbul stattfand und auf eine internationale Reisegruppe verübt wurde, lässt darauf schließen, dass der Attentäter bewusst die Tourismusindustrie und somit einen wichtigen Teil der türkischen Wirtschaft schwächen wollte. Istanbul alias Byzanz alias Konstantinopel gilt als eine der historisch bedeutendsten und landschaftlich reizvollsten Megastädte der Welt. Die prächtige Hagia Sophia, in deren Nähe das Attentat verübt wurde, war im alten Byzanz errichtet worden und galt im Mittelalter als größte Kirche der Welt, bis sie schließlich von den Osmanen zur Moschee umfunktioniert wurde. Heute ist sie ein Museum.

Millionen von Touristen aus Europa, Russland und aus Übersee besuchen jährlich die Türkei. Neben der ewigen Stadt Istanbul sind die Kulturdenkmäler der Küste und die Strände die beliebtesten Reiseziele der Türkeitouristen. Wenn der Tourismus als Einnahmequelle zusammenbricht, wie beispielsweise in Ägypten geschehen, dann ist dem Staat, der Gesellschaft und somit auch der türkischen Regierung extrem geschadet.

Türkei am Scheideweg

Die jüngsten Anschläge unterstreichen die prekäre Sicherheitslage des Landes. Die Konflikte mit der kurdischen PKK, die Drohungen und Anschläge der islamistischen Fundamentalisten, der mittlerweile offen ausgebrochene Krieg mit dem „Islamischen Staat“ (IS) und die Spaltung der türkischen Gesellschaft in konservative Muslime und säkulare Anhänger der Ideologie Mustafa Kemal Atatürks, all diese Gräben durchfurchen das Land. Hinzu kommt die Missstimmung zwischen Ankara und Moskau, die Kritik aus Europa und den USA bezüglich der eingeschränkten Meinungs- und Pressefreiheit und schließlich das angespannte Verhältnis zum Iran.

Die Türkei ist ein geostrategisch neuralgischer Punkt. Das Land kontrolliert die Meerenge zwischen dem Schwarzen Meer und dem Mittelmeer und bildet eine Brücke von Asien nach Europa. Kulturell, gesellschaftlich und politisch sehen die meisten Türken ihr Land als Bindeglied zwischen Europa und dem islamischen Nahen Osten. Mit Blick auf die Geschichte des Osmanischen Reiches gibt es viele türkische Politiker, die ihr Land als potentielle Hegemonialmacht des Nahen Osten betrachten. Hinzu versteht sich Ankara als Schutzmacht der turkmenischen Minderheiten in der Levante sowie aller Turkvölker in Zentralasien.

Für die NATO ist die Türkei ein wichtiger Bündnispartner. Jedoch haben die zahlreichen politischen Spannungen zwischen den NATO-Ländern Türkei und Griechenland sowie die oftmals eigenwillige türkische Außen- und Sicherheitspolitik das Land zu einem Problemverbündeten werden lassen, der immer wieder aus dem NATO-Gleichschritt ausschert.

Die zentrale Frage für die Zukunft des Landes ist, ob man sich verstärkt Europa und dem Westen zuwendet oder sich wieder als Teil des Orients begreift. Die Erfolge der religiös-konservativen Partei AKP des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zeigen eine Tendenz zur Hinwendung zum Islam und zu traditionellen Werten.

Der aktuelle Anschlag wird auf jeden Fall Folgen nach sich ziehen. Das Land muss seine Politik und Entwicklung überdenken. Am wahrscheinlichsten ist jedoch, dass die türkische Führung die Anschläge dazu nutzen wird, insgesamt die Zügel anzuziehen und die Überwachung sowie die Terrorbekämpfung auszuweiten. Dies wird auch die Kurden betreffen, gleichwohl sie mit dem aktuellen Anschlag anscheinend nichts zu tun haben.

( Schlagwort: GeoAußenPolitik )

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Karin Weber

Wäre schon grotesk, wenn unter den Opfern ein Willkommenstänzer wäre.

Gravatar: ANTON AMAN

Der Islamistische Terror, der nun auch in der Türkei gelandet ist, hat viele Gründe; Erdogan´s Politik mit
Kurden, mit dem Iran, mit Russland, aber auch mit
den USA lassen die Türkei ziemlich isoliert.

Der Vorfall ist besonders tragisch, denn es traf unschuldige
Touristen, die die Türkei besucht haben.
Was aber besonders befremdend in diesem Zusammenhang ist, dass der deutsche Innenminister
Meizier, der sich derzeit in Istanbul aufhält, geradezu
eine Werbung für die Türkei als Touristik-Land macht, dass
die Touristen weder ihren Urlaub abbrechen, noch ihre
Urlaube stornieren sollen, denn für ihre Sicherheit sei gesorgt!!! Kommt er damit der flehenden Bitte der türkischen Regierung nach, Schützenhilfe zu leisten,
damit das tourismusabhängige Land keinen Schaden
erleiden soll!?!? Und all dies life im türkischen Fernsehen
mit seinem türkischen Kollegen und Innenminister!
Kommentar überflüssig!!!

Gravatar: egon samu

Was könnte einen IS-Terroristen veranlassen gerade im Land des IS-Geschäftspartners Erdogan einen Anschlag zu verüben?
Oder wollte er ausdrücklich Deutsche töten ohne dafür die weite "Flucht" auf sich zu nehmen?

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang