Atomwaffensperrvertrag

Irans geheimes Handelsnetz

Über ausländische Netzwerke und Scheinfirmen umgeht der Iran die internationalen Sanktionen. Experten befürchten, dass sich das Regime Technologien zur Kernwaffenentwicklung besorgt.

Veröffentlicht:
von

Um den Iran von seinem Nuklearprogramm abzuhalten, werden seit mehreren Jahren Sanktionen verhängt. Sie sollen das Land zur Kooperation mit der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) und zur Einhaltung des Atomwaffensperrvertrages (Treaty on the Non-Proliferation of Nuclear Weapons, NPT) zwingen. Der Iran gehört zu den Staaten, die diesen Vertrag unterzeichnet und ratifiziert haben.

Der Atomwaffensperrvertrag soll die Verbreitung von Atomwaffen verhindern. Die IAEO überprüft, ob kerntechnische Anlagen nur zu friedlichen Zwecken wie der Energieversorgung genutzt werden, oder ob sie militärisch zur nuklearen Rüstung missbraucht werden.

Die mangelhafte Kooperation des Iran mit der IAEO und der Verdacht auf geheime Nuklearrüstungsvorhaben waren der offizielle Anlass der Sanktionen. Der Druck auf den Iran wird durch den UN-Sicherheitsrat bzw. durch die E3+3-Staaten (USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien und Deutschland) aufrecht gehalten.

Geheime Umgehungen der Sanktionen

Am vergangenen Donnerstag war die trickreiche Umgehung dieser Sanktionen Thema einer Debatte mit Dr. Emanuele Ottolenghi, Senior Fellow der Foundation for Defense of Democracies in Washington. Der Vortrag fand im Rahmen einer Veranstaltung des Mideast Freedom Forum Berlin (MFFB) statt.

Ottolenghi stellte gleich zu Beginn klar, dass es sich bei den Sanktionen nicht um Bestrafungsmaßnahmen gegen das iranische Volk handele, sondern um Maßnahmen, die der iranischen Führung den Zugang zu spezifischen Technologien erschweren sollen. Dies sei notwenig, um die iranische Führung von der Umsetzung des Atomprogramms abzuhalten.

Außerdem brauche der UN-Sicherheitsrat ein diplomatisches Druckmittel, um den Iran zur Einhaltung des Atomwaffensperrvertrages zu zwingen. Bis heute, so konstatierte Ottolenghi, versuche der Iran auf verschiedene Weisen, die Sanktionen zu umgehen. Sei es, dass Export- und Importbeschränkungen umgangen werden, oder sei es, dass Beschränkungen im Bereich der Finanzbeschaffung ausgehebelt werden.

Dabei sind es nicht etwa Geheimagenten, die von iranischen Behörden ausgebildet werden, um dann im Ausland die Netzwerke zur Umgehung der Sanktionen aufzubauen. Vielmehr handelt es sich zumeist um Geschäftsleute aus dem iranischen Mittelstand sowie um Exiliraner, die zum Teil in eigener Regie mit dem Regime in Teheran kooperieren und Geschäfte abwickeln.

Gemeinsamkeit aller Hauptakteure ist, dass sie neben ihrer iranischen Staatsbürgerschaft einen zweiten Passport haben. Diesen Ausweis brauchen sie, um visumfrei durch die Welt zu reisen und Geschäfte zu tätigen. Dabei nutzen die oftmals polyglotten und kosmopolitischen Geschäftsleute auslandsiranische Netzwerke.

Scheinfirmen, Tarnfirmen, Handelsnetze, Stiftungen

Die Geschäftsleute sind weltweit, meistens jedoch in Staaten wie der Türkei, Georgien, China, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Tadschikistan aktiv. Sie gründen Firmen oder kaufen Unternehmen auf, bilden Holdings und Subfirmen, wechseln Firmensitze, ändern Firmennamen und zersplittern ihre Geschäftstätigkeiten, bis ein unübersichtliches Netz entstanden ist, in dem sich Waren international verschieben lassen, ohne dass Zoll- oder Steuerbehörden die Geschäftsaktivitäten im Einzelnen nachvollziehen können.

Oft handelt es sich um Export- und Importfirmen. Aber auch Fluggesellschaften, kleine Banken und Kreditkartenunternehmen gehören dazu. Hinzu kommen diverse Stiftungen in Staaten wie der Schweiz und Lichtenstein. Die Schweiz ist ein ideales Pflaster. Wer dort eine Firma in einem Kanton gründet und dann schließt, um sie unter einem anderen Namen in einem anderen Kanton neu zu eröffnen, kann auf diesem Wege verdächtige Spuren verwischen.

Es werden auch Industriefirmen aufgekauft, um sich der dort produzierten Technologie zu bemächtigen. So hatten iranische Investoren im nordrhein-westfälischen Dinslaken eine Fabrik gekauft, in der Hochdruckgastanks produziert werden. Doch anstatt Gewinne zu erwirtschaften, ging es den iranischen Geschäftsleuten nur um den Zugang zu Technologieinformationen. In der Fabrik wurde für die Hochdruckgastanks auch Kohlefaser verarbeitet. Dieses Material ist bedeutend für Hochleistungszentrifugen, die für die Urananreicherung benötigt werden. Im Frühjahr 2013 wurde die Firma geschlossen. Mehrere hundert Mitarbeiter verloren ihren Arbeitsplatz. Parallel war im Iran eine baugleiche Fabrik errichtet worden.

Die Spur des Goldes

Um Irans Importe zu kontrollieren, wurden Finanzsanktionen verhängt. Ausländische Gelder sind eingefroren und der Zugang zu Devisen erschwert. Zwar darf der Iran sein Erdöl verkaufen, doch wird der Erlös des Erdölexports nicht in Devisen ausbezahlt, sondern auf spezielle Konten eingezahlt. Mit dem Geld dieser Konten darf der Iran Güter kaufen, die nicht sanktioniert sind.

Um Güter zu kaufen, die auf der Sanktionsliste stehen, muss der Iran demnach anderweitig seine Devisen beschaffen. Ein hartes und im Wert konstantes Zahlungsmittel, das zudem leicht in gängige Währungen konvertiert werden kann, ist Gold. Das Edelmetall wird über den Schwarzhandel via Dubai mit dem Schiff oder auf geheimen Landwegen durch Anatolien in den Iran gebracht. Ganze Karawanen mit sanktionierten Gütern bewegen sich durch das türkisch-iranische Grenzgebiet.

Schillernde Auswüchse des Netzwerkes: Der Goldschmugglerring des Reza Zarrab

Die Geheimgeschäfte sind hochkomplex und aufwendig. Doch die Strippenzieher und Dealer haben gute Chancen, steinreich zu werden, leben aber stets in der Gefahr aufzufliegen. Ein prominentes Beispiel ist der Fall des Reza Zarrab, der jüngst in der Türkei für Aufsehen sorgte. Zarrab entstammt einer aserbaidschanisch-iranischen Familie und war als junger Mann in die Türkei gekommen. Er bekam relativ zügig die türkische Staatsbürgerschaft und wurde innerhalb weniger Jahre ein erfolgreicher Geschäftsmann und Multimillionär.

Am 17. Dezember 2013 wurde er von der Polizei verhaftet. Der Verdacht: Reza Zarrab soll Kopf eines gigantischen Korruptionsnetzwerkes sein, in dem zahlreiche türkische Politiker und Geschäftsleute sowie deren Angehörige verwickelt sind. Der Korruptionsskandal erregte in der Türkei großes Aufsehen. Doch ging in der Aufregung der öffentlichen Diskussion der Aspekt des geheimen Iranhandels unter. Denn tatsächlich war der Goldschmugglerring von Reza Zarrab für rund die Hälfte aller Goldlieferungen in den Iran verantwortlich.

Der Fall des Reza Zarrab war auch deshalb so spektakulär, weil er sich in Kreisen der türkischen Prominenz bewegte. Der protzige Lebensstil des Selfmademans weckte die öffentliche Aufmerksamkeit. Innerhalb kürzester Zeit hatte er ein multimillionenschweres Firmennetzwerk aufgebaut. Er ließ sich als erfolgreicher Unternehmer von der Boulevardpresse feiern, kaufte eine Luxusvilla in Istanbul und heiratete eine bekannte türkische Popsängerin. Als Honeymoongeschenk gab es eine große Yacht.

Und so flog er auf: Ein Flugzeug auf dem Weg von Ghana nach Dubai sollte laut Plan auf dem Flughafen Istanbul-Sabiha Gökçen zum Nachtanken zwischenlanden. Doch wegen Nebels konnte das Flugzeug nicht landen und wurde auf den Flughafen Istanbul-Atatürk umgeleitet. An diesem Flughafen wurde das Flugzeug unerwartet vom Zoll überprüft. Was fanden die Zollbeamten? Acht Tonnen Gold! Die Papiere waren gefälscht. Die Waren wurden beschlagnahmt. Der Streit um dieses Gold und die darauf folgenden Untersuchungen brachten die Korruptionsverflechtungen in Kreisen des türkischen Politestablishments zutage. Der Skandal war perfekt.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang