Schöffenamt

Im Zweifel für den Schöffen?

Die wesentliche Voraussetzung für die Zulassung zum Schöffendienst besteht darin, von der Materie, um die es geht, keine Ahnung zu haben. Meint Dr. Georg Alfes und plädiert für die Abschaffung des Schöffenamtes.

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Zum Jahreswechsel rotieren in Deutschland die Gerichte. Und zwar nicht nur im übertragenen Sinne, weil die Politik mal wieder zahllose Gesetze geändert hat. Vielmehr nimmt der Kehraus ganz konkrete Züge an: Denn die Amtsperiode der neuen Schöffen wird beginnen. Bis 2018 setzt sich eine „großartige Tradition“ fort, die „seit Karl dem Großen“ Bestand hat. So beschreibt es zumindest der Berliner Justizsenator. Und er meint das positiv.

Dabei ist das Image der Laienrichter eher durchwachsen. Manch krude Geschichte aus dem In- und Ausland raschelt durch den Blätterwald: 2010 ließ eine Schöffin den Prozess gegen einen Kinderpornoring platzen, weil sie sich zustimmend zur Veröffentlichung von Fotos der Angeklagten in der Bild-Zeitung geäußert hatte. Diese hätten ja schließlich „Straftaten begangen“, bemerkte sie gleich zu Beginn des Verfahrens gegenüber Medienvertretern. In der Verhandlung gegen den Amokläufer Anders Breivik fiel ein Schöffe auf, weil er ungerührt „Solitaire“ auf seinem Laptop spielte. Ein anderer gab ein Interview, in dem er die Todesstrafe für den Beschuldigten forderte. Und die Beweisaufnahme gegen die Totschläger von Jonny K. musste komplett wiederholt werden, weil ein Schöffe einen Angeklagten gefragt hatte, ob dieser das Gericht „veralbern“ wolle. Und das ist nur die druckreif geschönte Version.

Nun sind all dies gewiss Einzelfälle. Argumente gegen das Schöffenamt als solches ergeben sich daraus nicht. Wohl aber aus dem Folgenden.

Zunächst ist da das leidige Problem mit der Qualifikation. Die wesentliche Voraussetzung für die Wahl zum Zweit- oder Drittrichter besteht nämlich darin, in der Rechtsprechung unbedarft zu sein. Zwar können im Einzelfall auch Juristen als Schöffen tätig werden. Aber nur dann, wenn sie nicht als Anwalt oder im Justizwesen arbeiten. Die eigentlichen Befähigungsmerkmale bestehen darin, zwischen 25 und 69 Jahre alt zu sein, die deutsche Staatsangehörigkeit zu haben und in der Gemeinde zu wohnen, für die das Schöffenamt ausgeschrieben wird. Auch Vorbestrafte sind prinzipiell willkommen, sofern ihr Urteil unter einem halben Jahr geblieben ist. Tatsächlich ergibt sich die größte Einschränkung aus der Lebenspraxis: Zwar sind Laienrichter am Verhandlungstag vom Arbeitgeber freizustellen, doch wird ein solcher Einsatz oft nicht gern gesehen. Und so verfällt der Schöffendienst, der eigentlich den Bevölkerungsquerschnitt abbilden soll, doch in eine gewisse Schieflage. Nun verdienen Hausfrauen größte Anerkennung, Rentner genießen den Lohn für ihre Lebensleistung, und wer eine Weile arbeitslos ist, tut gut daran, diese Zeit sinnvoll zu nutzen. Doch gibt es hierzu auch kritische Stimmen seitens der Berufsrichterschaft, und der Ruf nach einem Kanon an Grundkenntnissen bei Schöffen wird laut. Hier offenbart sich jedoch ein Problem: Will man Laienrichter, fehlt es diesen nun mal an Qualifikation. Qualifiziert man sie jedoch, hat man faktisch keine Laienrichter mehr. Ein innerer Widerspruch, der sich kaum auflösen lässt.

Machtversessen und machtvergessen

Hinzu kommen Verwerfungen bei der Besetzung von Schöffenämtern. Das Gesetz sieht vor, dass mindestens doppelt so viele Kandidaten zu benennen wie Funktionen zu vergeben sind. Fehlt es an Bewerbern, hat jeder, der sich meldet, beste Chancen auf Berücksichtigung. Dieser Umstand hat Extremisten auf den Plan gerufen, die Justiz zu unterlaufen. Die Akten, die den Wahlgremien vorgelegt werden, geben hierüber keinen Aufschluss. Zudem gibt es Regionen, in denen Schöffen gleichsam aus dem Telefonbuch heraus auf die Liste gesetzt werden. Wer einmal gewählt ist, muss das Amt annehmen. Entsprechend gestaltet sich dann die Motivation. Stehen dagegen mehr als genug Bewerber bereit, taucht ein anderes Problem auf. Da gibt es dann die Einzelbewerber und die Kandidaten der Parteien. Der „Bundesverband der ehrenamtlichen Richter“ unterstellt, die Beteiligung der Schöffen sei „der politischen Elite teilweise ein Dorn im Auge“. Doch ganz so subversiv sieht die Realität nicht aus: Die Schöffenwahlausschüsse wissen, für wen sie sich zu entscheiden haben – bestehen sie doch überwiegend aus Vertretern von Gemeinderäten und Kreistagen. Beachtlich sind zudem die Bestimmungen zur Besetzung diverser Sondergerichtsbarkeiten: In Arbeitsgerichtsverfahren wirken stets ein Arbeitgebervertreter und ein Gewerkschafter an der Urteilsfindung mit. Handelsrichter werden auf Vorschlag der IHK ernannt. Hilfsrichter in Agrarstreitigkeiten bestimmen Organisationen, „die im Zentralausschuss der Deutschen Landwirtschaft vertreten“ sind. Und die Urteile an Sozialgerichten werden unter anderem von Vertragsärzten und Therapeuten gefällt.

Einmal im Amt, tragen die Schöffen eine erhebliche Verantwortung. Sie üben ihre Funktion „in vollem Umfang und mit gleichem Stimmrecht“ wie die Berufsrichter aus und sind ihnen bei der Feststellung von Schuld und Strafe ebenbürtig. An den Amtsgerichten und den Kleinen Strafkammern der Landgerichte bilden die Schöffen die Mehrheit, an den Großen Strafkammern verfügen sie über eine Sperrminorität. Doch jegliche Akteneinsicht im Verfahrensvorfeld bleibt ihnen verwehrt. So müssen sie ihre Entscheidungen letztlich auf der Basis der mündlichen Vorträge treffen – sowohl aus Opfer- als auch aus Tätersicht ein problematischer Sachverhalt. Denn Staatsanwälte erheben „nur bei einer Straferwartung von mehr als zwei Jahren Anklage zum Schöffengericht“, so dass es jedes Mal um gewichtige Delikte geht. Der Regelfall sieht allerdings so aus, dass sich die Schöffen dem Votum der Berufsrichter anschließen. Dies jedoch stellt wiederum ihre Rolle als solche in Frage. Und auch die Formulierung des Urteilstextes dürften sie zumeist den Juristen überlassen, was ihren Beitrag zu einer „verständlicheren Rechtsprechung“ deutlich relativiert.

Schließlich offenbart sich in der Argumentation „Pro Schöffe“ oft ein merkwürdiges Staatsverständnis, das noch viel grundsätzlichere Fragen aufwirft. Wenn es nur die Schöffen sind, die „aus dem Volk“ kommen, woher kommen denn dann die Berufsrichter? Auch diese urteilen ja bemerkenswerterweise nicht im Namen des Staates, sondern im Namen des Volkes. Und so befremdet eine Aussage von Bundestagspräsident Lammert, nach der „neben die Professionalität der Berufsrichter in einer Demokratie zwangsläufig auch die Legitimation der Staatsgewalt treten“ müsse. Diese versteht er offenbar als Ergänzung, die im Übrigen ausschließlich durch Laien erbracht wird – eine eigenartige Wahrnehmung der Rolle staatlicher Amtsträger gegenüber der Bürgergesellschaft.

Einsatz geht auch ohne Pöstchen

Argumente, die für den Erhalt des Schöffenamtes sprechen, wirken im Verhältnis dazu eher dürftig. Insbesondere greift die Behauptung ins Leere, eine Abschaffung der Laienrichter würde ehrenamtliches Engagement in der Justiz unmöglich machen. Vereine für Straffälligenhilfe suchen oft händeringend nach Freiwilligen, die Besuchsdienste in Gefängnissen übernehmen. Inhaftierte, die eine Ausbildung absolvieren, könnten Mentoren sicher gut gebrauchen. Und wer nach der Haftentlassung in die Gesellschaft zurückfinden will, wird Unterstützung gerne annehmen. Natürlich schafft all das ein größeres Maß an Nähe als der Platz auf der Richterbank. Und auch einen Verdienstausfall kann man dabei nicht geltend machen.

Somit sitzt das Schöffenwesen wohl auch künftig fest im Sattel. Denn allein in der Strafgerichtsbarkeit sind über 60.000 Laienrichter tätig. Sie alle haben ein persönliches Interesse daran, dass dies auch fernerhin so bleibt. Oder, wie es der Chef des Schöffenverbandes formuliert: „Der Einsatz ehrenamtlicher Richterinnen und Richter ist unverzichtbar für Qualität und Akzeptanz der Recht-sprechung in Deutschland“. So klingt es in der Tat viel netter.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Karin Weber

In diesem Land gibt es seit Jahren keine rechtskräftigen Urteile. Laut StPO und ZPO sind Richter verpflichtet, ein Urteil/Beschluss zu unterschreiben. Genau das tun sie aber nicht und stattdessen verschicken sie über ihre Geschäftsstellen nur "Ausfertigungen", obwohl die Verurteilten das Recht auf ein Original haben. Diese Richter wissen auch warum. So es nämlich mal zu einem politischen Umschwung kommt, der Richterurteile plötzlich nach anderen Gesichtspunkten bewertet, dann können sich solche Richter herausreden ".. ja, wir haben das nicht beschlossen. Laut Gesetz muss das der Richter unterschreiben und ist es unterschrieben? Ich bin unschuldig und habe keine Willkürurteile beschlossen!" Ja, die haben aus der deutschen Geschichte gelernt und solche Fälle wie der von Gustl Mollath, Horst Arnold, Ulvi K. und Jörg Kachelmann sind nur ein Eiskristall von der Spitze eines gewaltigen Eisberges. Gerade und ganz konkret im Familienunrecht ist das die normale Praxis, denn dort fürchten sich die Justizkalfaktoren gehörig vor dem, was sie den unschuldigen Kindern seit Jahrzehnten antun.

Gravatar: Martin Overath

Schöffen symbolisieren die Teilnahme des Volkes an der Strafgerichtsbarkeit - so George Andoor in seinem ausgezeichneten Buch. Mehr können sie ohne Aktenkenntnis für ein Strafverfahren nicht leisten. Die finanziellen Mittel könnten effektiver eingesetzt werden. - Ein Urteil wird aber immer im Namen der Strafkammer gefällt, nicht im Namen des Volkes oder der Republik (Österreich).

Gravatar: Karin Weber

Manche Dinge sind ja nicht mal mehr strafbar, weil diese Leute die Gesetze so gestalten, dass sie faktisch jedweden Schaden anrichten können, selbst aber nach außen völlig immun sind. Als Beispiel sei nur mal der ESM-Gouvernersrat genannt, der hat sich ja faktisch selbst immunisiert hat. Das ist halt Demokratie wie die sie auslegen. Der Bürger sieht das anders, aber wer fragt den schon? Zahlen darf er jedenfalls. In Italienen nehmen das die Nichtgefragten mittlerweile selber in die Hand: http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/12/11/italien-im-aufruhr-buerger-mit-mistgabeln-gegen-die-regierung/

Darüber schreiben die deutschen Müllstreammedien kurioserweise nichts. Dafür droht man uns mit von der Leyen als "Superministerin".

Gravatar: FDominicus

Oh ja die Rechtsprechung der Professionellen ist ja auch viel besser. ESM - aber klar. Täterschutz vor Opferschutz. Man heute fühlt man sich hier wirklich "leicht" verschaukelt.

Gravatar: Karin Weber

Vielleicht sollte man auch mal ein paar kompetenten Richtern die Kündigung nahelegen, da scheint´s ja wohl nicht unbedingt besser auszusehen.

Ich zitiere einmal:
>> Ein Richter am AG Idstein vertrat in einer Entscheidung über eine Unterhaltssache ernsthaft die Auffassung, die unbefleckte Empfängnis sei 'wissenschaftlich nicht auszuschließen', zumal die Kulturgeschichte des christlichen Abendlandes 'zu einem nicht unerheblichen Teil' auf der Erscheinung der jungfräulichen Geburt beruhe. Der Richter übernahm damit - ohne die Hilfe eines medizinischen Gutachters und 'nur auf seinen eigenen Sachverstand gestützt' - die Behauptung der Kindsmutter, sie müsse vom Küssen mit einem Fremden schwanger geworden sein, was zur Folge hatte, dass der durch einen DNA-Test als Kindsvater ausgeschlossene derzeitige Ehemann zu Unterhaltszahlung verpflichtet wurde.<<
Quelle: http://www.jurawiki.de/UnbefleckteEmpf%C3%A4ngnis

Lest mal nach, die haben sogar beim AG Idstein deswegen nachgefragt und eine abenteuerliche Antwort bekommen. Wehe dem, der sich der Macht/Unwesen dieser Leute aussetzen muss.

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