Freihandelsabkommen EU-Kanada

Gefahr für Demokratie und Rechtsstaat

Das geplante Freihandelsabkommen der EU mit Kanada ist brisanter, als es aussieht. Tritt es in Kraft, könnten internationale Unternehmen eine Art Paralleljustiz errichten. Bezahlen müssten die Bürger.

Foto: Der Rat der Europäischen Union
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EU-Kommissions-Präsident José Manuel Barroso und Kanadas Premier Stephen Harper präsentierten im Oktober freudig strahlend ihr jüngstes Produkt: den Vertrag über ein Freihandelsabkommen (CETA). Handelshemmnisse sollen abgebaut und der transatlantische Austausch dadurch verstärkt werden. Das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedsstaaten müssen noch zustimmen.

Doch die Freude von Barroso und Harper teilen nicht alle. Denn im Geheimen laufen ganz andere Verhandlungen, die weitreichendere, tiefgreifendere Folgen haben können als bisher bekannt. Es ist unglaublich, aber wahr: Wenn das Freihandelsabkommen mit Kanada in Kraft tritt, stehen in den beteiligten Ländern Demokratie und Rechtsstaat auf dem Spiel. Das Abkommen mit Kanada wäre nur der Türöffner für ähnliche Abkommen mit anderen Ländern.

Interessant für multinationale Konzerne

Verträge wie der zwischen der EU und Kanada dienen, wie Kritiker befürchten, vor allem den Interessen der multinationalen Konzerne. Dank eines in diesem Zusammenhang eingerichteten Schiedsgerichts (Investor-State Dispute Settlement, ISDS) erhalten die Unternehmen die Möglichkeit, außerhalb des Rechtsweges Schadensersatzforderungen zu erheben, für die die betroffenen Staaten geradestehen müssen. Parlamente oder die inländische Justiz haben hier nichts mehr zu melden, weil die Schiedsgerichte nicht Bestandteil der lokalen Rechtspflege sind.

Konkret geht es den Kritikern darum, dass noch auszuhandelnde – besser: noch bekanntzugebende, denn ausgehandelt werden sie gerade, allerdings im Geheimen – Schutzklauseln den Unternehmen umfangreiche Rechte einräumen. Der Beispiele gibt es bereits heute schon viele: Die australische Regierung hat Zigarettenhersteller verpflichtet, die Verpackungen in einer bestimmten Weise zu gestalten. In Kanada werden einem Pharmaunternehmen Patente entzogen, weil sie nicht das bewirkten, was versprochen worden war. Jedes Mal zogen die Unternehmen vor das Gericht und verklagten die Staaten auf den durch das Handeln der Behörden im Vertragsstaat vermeintlich entgangenen Gewinn, der nun kompensiert werden müsste.

Keine ordentliche Gerichtsbarkeit

Entschieden wird über solche Klagen nicht vor ordentlichen Gerichten in öffentlicher Verhandlung, sondern vor einer Schiedsstelle, die im Geheimen tagen. Die Richter sind anonyme Unternehmensanwälte, gegen deren Beschlüsse Einspruch nicht vorgesehen ist. Sie sind bindend. Darüber können sogar die Beteiligten nur den Kopf schütteln.

Einer dieser Richter sagte: »Ich kann mich gar nicht genug darüber wundern, dass souveräne Staaten dieser Investment-Schiedsgerichtsbarkeit überhaupt zugestimmt haben. Drei Privatpersonen wird die Macht anvertraut – ohne dass man dagegen Berufung einlegen könnte –, jedes Regierungshandeln, alle Gerichtsbeschlüsse und parlamentarisch abgesegneten Gesetze und Regularien zu prüfen und zu überarbeiten.«

Die Idee hinter der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit ist plausibel: Es geht darum, unternehmerisches Handeln in anderen Ländern berechenbar zu machen. Investoren sollen vor willkürlichen Entscheidungen von Regierungen geschützt werden, was auch den betreffenden Ländern zugutekommt. Wer Freihandel will, muss auch Sanktionsmöglichkeiten bei Vertragsverletzungen schaffen. Doch die Summen, um die es in diesen Fällen geht, sind in der Regel hoch; unter einer Klage im Wert von 350 Millionen Dollar wird keine Anwaltskanzlei mehr tätig.

Und dann ist da noch die Frage nach Demokratie und Rechtsstaat: Wem gegenüber muss sich ein Schiedsgericht eigentlich rechtfertigen? Dem Parlament ja offensichtlich nicht. Und wie lässt sich das Schiedsgericht kontrollieren, wenn es niemandem Rechenschaft schuldig ist? Die Vermutung, dass sich hier ein Parallelrecht entwickeln könnte, das die nationale Gesetzgebung umschifft, ist nicht abwegig.

Risiken und Nebenwirkungen – größer, als man denkt

Möglicherweise geht der Analyst der Deutschen Wirtschaftsnachrichten zu hart mit CETA ins Gericht, wenn er behauptet, dass das Abkommen »die nationale Gerichtsbarkeit abschafft, wenn es um richtig viel Geld geht. Die Völker Europas und Kanadas sind dem Spiel der unkontrollierbaren Finanz-Eliten ausgeliefert. Die Konzerne haben, von der EU-Kommission am Parlament vorbei dazu ermutigt, ein gewaltiges Umsatzpotential – ohne das geringste Risiko.«

Vielleicht ist er aber auch nur Realist? Eins ist klar: Das Abkommen der EU mit Kanada hat Risiken und Nebenwirkungen, die erst wenigen bekannt sind. Die EU-Kommission tut das Ihre, damit das auch weiterhin so bleibt. Aber wenn es einmal soweit ist, dass das ganze Ausmaß der Beschädigungen durch das Abkommen bekannt ist, wird es möglicherweise zu spät sein, sich dagegen zu wehren.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Karin Weber

Die verraten uns hier in einer noch unfassbaren Dimension. Macht die Grenzen zu, aber schnell! Früher wurde erst nach einem Krieg geplündert, heute schafft das die EU in Friedenszeiten!

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