Streit um Anschlag auf ehemaligen Agenten weitet sich zu einer internationalen Krise aus

Gefährliche Eskalation: Westen mobilisiert verbal gegen Russland

Der Vorfall um den ehemaligen Doppelagenten Sergej Skripal ist sicher skandalös und bedarf der Aufklärung. Doch daraus eine außenpolitische Krise entstehen zu lassen ist brandgefährlich. Wollen wir, dass das Ganze so endet wie 1914 mit dem Mord am österreichischen Kronprinzen?

Theresa May. Foto: U.S. Department of State, Public Domain
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Die Krise ist akut und brisant. Der 66-jährige ehemalige Doppelagent Sergej Skripal und seine 33-jährige Tochter waren am Anfang März in der Nähe von London bewusstlos auf einer Parkbank liegend gefunden worden. Beide wurden mit lebensgefährlichen Vergiftungserscheinungen in ein Hospital gebracht.


Die britische Regierung behauptet zu wissen, dass bei dem Mordanschlag ein Gift zum Einsatz kam, das während des Kalten Krieges in der UdSSR entwickelt und verwendet wurde. Daher hat London von Moskau eine Erklärung verlangt und ein Ultimatum gestellt.


Nun hat Russland die Frist verstreichen lassen. Sergej Lawrow hatte daraufhin erklärt, dass Russland zur Mithilfe bei der Aufklärung bereit sei, aber gleichzeitig eine Schuld Russlands von sich gewiesen. Auch Wladimir Putin erklärte, dass die Reaktion Großbritanniens ein Schnellschuss sei. Man solle der Sache erst einmal auf den Grund gehen, bevor man einer Regierung ein Ultimatum stelle. Inzwischen hat die britische Regierung 23 russische Diplomaten aufgefordert, Großbritannien zu verlassen.


Der Fall ist ein Kriminalfall. Er hat eine politische Dimension. Doch was Großbritannien daraus gemacht hat, ist eine internationale diplomatische Krise. Durch die offene Konfrontation Russlands sind völlig unnötig neue internationale Spannungen entstanden. Und das in einer Zeit, die ohnehin von Spannungen geprägt ist. Ist es das wert?


Ist es wirklich zielführend, wenn der britische Verteidigungsminister Gavin Williamson sagt, Russland »solle weggehen und die Klappe halten«?


Damit nicht genug: Nun werden die Krim-Krise wieder thematisiert und die Giftgasvorwürfe gegen Assad erneuert, um mehr Öl ins politische Feuer zu gießen.


Was soll das Gerede um »die westliche Allianz gegen Russland«?


Nun wird berichtet, dass Großbritannien eine große Koalition um sich geschart hat: NATO, USA, Frankreich und Deutschland. Gemeinsam wollen sie den Druck auf Russland erhöhen. Es heißt, Russland habe das Völkerrecht gebrochen und die Souveränität Großbritanniens verletzt.


Dies wird viele Fragen auf: Ist es ein Einzelfall, dass Agenten auf mysteriöse Weise ums Leben kommen? Ist dieser tragische Vorfall Grund genug, eine große diplomatische West-Ost-Krise heraufzubeschwören? Haben die britischen und amerikanischen Geheimdienste weiße Westen? Die Antworten dürften wohl klar sein.


Die gleichen Fragen hätte man sich auch bei jenem Vorwurf stellen können, der aus den USA immer wieder gegen Russland kam, nämlich dass Moskau sich in die US-Wahlen eingemischt hätte. Falls es so gewesen wäre: Haben die USA oder deren NGOs sich nie in die Wahlen anderer Länder eingemischt? Dennoch wird das Thema wieder aufgewärmt. Die USA haben ausgerechnet jetzt deswegen wieder ihre Sanktionen gegen Russland aktualisiert. Russland reagierte entsprechend verärgert.


Das Problem lässt sich mit einem historischen Vergleich erläutern: 1914 wurde in Sarajevo mit dem Attentat auf den österreichischen Thronfolger und dessen Gemahlin eine diplomatische Krise ausgelöst, die zum Ersten Weltkrieg führte. Heute ist sich die ganze Welt einig: Das war es nicht wert gewesen.


Daher ist es verständlich, dass sich viele Bürger besorgt äußern, wenn nun mit allen Säbeln gerasselt wird und die Medien die Trommeln zum Aufmarsch wirbeln. Manche sprechen sogar vom »Kalten Krieg zwischen London und Moskau«.


Die Situation ist klar: Der Anschlag auf den ehemaligen Doppelagenten Sergej Skripal wird als Anlass missbraucht, um alle anderen Themen damit zu verknüpfen und die Schlinge um Russland zuzuziehen. Das wäre nur dann berechtigt, wenn sichergestellt wäre, dass aus dieser Krise nichts Schlimmeres entstehen könnte. Doch das ist es nicht. Der ehemalige WDR-Intendant Jörg Pleitgen warnt: »So gefährlich wie jetzt war es noch nie« – nicht mal im Kalten Krieg.


Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur sagte er (laut Focus-Online): »Nur wer beschränkt ist, sieht die Schuld allein bei den Russen.« Die allgemeine Kriegsgefahr hält er für hoch: »Ich kann die ganze Strecke seit dem Zweiten Weltkrieg übersehen. So unübersichtlich und gefährlich wie jetzt war es noch nie.«

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Aspasia

Schon mehrmals hatte ich Kommentare zu Ihren Artikeln - auch zu diesem - geschrieben, immer sachlich und faktenbezogen.
Ich vermisse aber deren Veröffentlichung.
Das läßt meine Sympathie und mein Engagement für Ihre Zeitung merklich abkühlen.

Gravatar: Karli

Theresa May, die innenpolitisch nicht mehr viel geregelt bekommt, sieht hier natürlich eine willkommene Gelegenheit sich dem Empire durch verzweifelten Aktivismus anzubiedern und vermeindlich dadurch ihren Kopf zu retten. Das Empire liebt derartige Politiker, denn das sind die nützlichen Idioten! Gerettet wird derweil natürlich niemand, denn im Empire wurde schon immer strategisch geschlachtet!

Da auf dem Gebiet der klassischen Kriegswaffen und diplomatischen Subversivität Russland zur Zeit nicht beigekommen werden kann, und auch darüber hinaus keine politischen Qualitäten zu existieren scheinen es bezwingen zu können, versucht das Empire nun wohl es mit abgrundtiefer politischer Idiotie tödlich zu frustrieren!

Gravatar: Hans von Atzigen

Da ist so einiges nicht rational schlüssig!!!
Zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann sich die NATO schlicht keinen Krieg gegen Russland leisten.
In dem Zustand wie aktuell die meisten Armeen der NATO
aufgestellt sind. Die Russische Armee ist nach der Tiefgreifenden Umstrukturierung sehr wahrscheinlich deutlich besser aufgestellt, und könnte einen Übergriff der NATO wohl problemlos parieren !!!
Was das ganze Theater soll???
Was könnte der Hintergrund sein, ganz klar so wie sich das aktuell präsentiert kann man lediglich VERMUTUNGEN anstellen.
Was könnte das sein???
Bekanntlich sind so einige aufgrund der allgemeinen Lage schlicht mit ihrem Latein am Ende. Auf diesem Hintergrund nachvollziehbar am Rande des ausflippens.
Auch ein Ablenkungsmanöver zwecks in den Hintergrund drücken einer anderen Angelegenheit, ist eine andere denkbare Möglichkeit.
Zudem die Weltwirtschaft kratzt einer kritischen Phase
entgegen, Finanzkollaps, Handelskriege usw.
Doch aktuell und bis auf weiteres ein grosser Militärischer Schlagabtausch sehr unwahrscheinlich.
Am wahrscheinlichsten ist da wohl eher begleitendes Kriegsgeschrei für einen lokalen längst schwelenden
Krieg um die Ostukraine.
Sooo überraschend währe es nicht wenn demnächst die Ukrainische Armee zum Sturm auf die Sezessionisten Kochburg starten würde. Daraus ergäbe sich eine gewisse Logik für das Geschrei. Auf sicher sind die zuständigen westlichen Stellen mit denen der Ukraine
in Kontakt. So etwas wie vorauseilendes Kriegswarngeschrei an die Russen sich NICHT in die Sache einzumischen.
Zudem Explizit die USA, sind ohnehien in Ostasien gevordert, das mit nichten aus der Welt geschaffte Koreaproblem. In der Lage auch noch ein offener Krieg gegen Russland.
Tja mal abwarten, ausschliessen kann man ja nix. Zumindest in den Generalstäben gibt es in aller Regel auch ein zumindest Teilrationales Denken, zumindest deutlich mehr, als bei leider zu oft durchgedrehten
Politikern und anderen Hofschranzen.
Die Qutschmedien kann man da eh vergessen, darum
alles mit einem gesunden mass kritisch beobachten und hinterfragen.
Freundliche Grüsse

Gravatar: H.M.

Man sollte Putin weder dämonisieren noch idealisieren, sondern realistisch betrachten und dementsprechend würdigen. In Osteuropa sieht man Russland sicherlich nicht ohne Grund kritisch und durchaus auch als Bedrohung. Nichtsdestotrotz sollten die westeuropäischen Länder besonnen mit der Atommacht Russland umgehen. Ein Weltkrieg ist keine gute Lösung, sollte auf jeden Fall verhindert werden. Die Wahre Bedrohung von innen und außen (linksextremistischer Kulturmarxismus, Islamismus, Massenmigration, sogenannte Verbündete wie die Türkei, Eurorettung) finde ich persönlich dringender als Putin. Diese Bedrohungen werden jedoch ignoriert und kleingeredet. Denn wer den Islam als Bedrohung sieht und die blasphemischen Psychopathen von Pussy-Riot nicht als Helden betrachtet, ist ein Nazi und Putin-Versteher.

Gravatar: Helga Maaser

Die Verblödung der Menschen seit Jahren ist nicht das Schlimmste, sondern die initierte Eregnisse des Westens, die gegen des Friedens und für die Miltikulti-Mißt erzeugt wird! Die Gesellschaft ist schwer krank durch unsere Eliten
und China lacht sich tot! Der handelt mit Allen, investiert und legt das Geld gut an, der Westen ruiniert sich selbst mit den Roten und Junckers-Bande, es ist wirklich schlimm!
Wie viele Katholiken sind bei den GROKOLORES? Ich sehe eine ganz andere Richtung. Bitte auch nicht Putin blöd halten, seine Wahlergebnisse hat der Westen noch gestärkt und mit Sanktionen schadet sich selbst!
Wie lange wollen wir das noch dulden?

Gravatar: F. Kaatz

solangsam glaube ich das so ein altmodischer kurzer Krieg mit Russland wahrscheinlich auf lange Sicht unsere Rettung wäre....

Nur frage ich mich da schon, ist es wirklich schon so schlimm oder wirds erst noch schlimmer...

Gravatar: Master of Puppets

Der "Westen", leider ist Deutschland dumm genug mitzumerkeln, ist m. E. dermaßen verzweifelt, dass er zur Lösung seiner Probleme (wieder) einen großen Krieg anstrebt.

Wie sagte Innenminister a. D. de Maizière so goldig:

"Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern".

Gravatar: Lars Rosinsky

Natürlich hat Russland nichts mit dem Giftanschlag zu tun. Warum Russland etwas gegen einen Landsmann haben sollte, dem es doch selbst die Ausreise nach Großbritannien gewährt hat, kann niemand mit logischen Argumenten plausibel erklären.
Diese Medienkampagne, in der sich die britische Regierung gleichzeitig als "Ankläger, Richter und Henker" in einer Person geriert, soll vor den russischen Präsidentschaftswahlen einen Keil zwischen Putin und die russische Bevölkerung treiben. Man spekuliert wohl darauf, daß eine weitere Verschärfung der Lage möglicherweise, wie bei Nikita Chrustschow 1964, zu einem Sturz Putins führen kann. Angesichts des gegenwärtigen weltweiten Spannungszustandes, insbesondere im nahen Osten, ist die jedoch ein Spiel mit den Feuer, das jederzeit in einen Weltkrieg eskalieren kann, der seitens des NATO-Partners Großbritannien offensichtlich vorsätzlich billigend in Kauf genommen wird.
Ich würde mir jetzt von der deutschen Regierung Aufrufe zur Mässigung und Vermittlung erwarten. Ich habe nämlich nicht vor, für die kapitalistischen Gewinninteressen eines Banditen wie Chodorkowskij, der an die russischen Öl- und Gasvorkommen heranwill, mein Leben aufs Spiel zu setzen.

Gravatar: Rolo

Was aber, wenn am Ende doch nicht die Russen dahinter stecken? Bislang wurden nur Vermutungen geäußert die darauf hinzuweisen scheinen, keine unumstößlichen Beweise! Welches Interesse sollte Russland daran haben Sergej Skripal der im Juli 2010 von Medwedew begnadigt wurde und seitdem in Salisbury lebte nach so vielen Jahren aus dem Weg zu räumen?

Gravatar: Ercan Aslan

Ein "supergeheimes" Nervengift, dass NUR in Rußland produziert werden kann:

Novichock (A-232) und alle anderen Varianten (A-234, A-235, A23x) sind Stoffe aus der Gruppe der Organophosphate, wie fast alle anderen Pestizide auch! Dieser Nervenkampfstoff ist so dermaßen geheim, dass seine Struktur bereits seit min. 30 Jahren bekannt ist! Es finden sich nach einfacher Google-Suche die Strukturformeln und sogar Syntheseanleitungen. Die Ähnlichkeit dieses supergeheimen Giftes mit z.B. Sarin ist so gering, dass jeder, mit mittelmäßigen chemischen Kenntnissen, der auch Sarin herstellen kann, auch diese Stoffe herstellen kann! Es spielt in dieser Mehrstufensynthese fast keine Rolle, mit welchem Alkohol ich die Methylfluorphosphonsäure verester...ich kann irgendeinen Alkohol, wie Isopropylalkohol oder irgendeinen anderen Fuselalkohol benutzen. Und ob ich zusätzlich noch Acetonnitril in die Brühe reinkippe oder nicht: es ist scheißegal und zum Russen macht mich das auch nicht, wenn ich, ähnlich wie beim Kochen, eine Syntheseanleitung befolge, um die Stoffe in der richtigen Reihenfolge zusammenzumischen!
Wenn ich zuhause meinen Gästen Borschtsch serviere, muss ich auch noch lange kein Russe sein, oder sehe ich das falsch??

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