Gedenken im Hayek-Club: Margaret Thatcher: Person, Geschichte, Idee

Am vergangenen Dienstag gedachte der Hayek-Club Berlin der im April verstorbenen Margaret Thatcher. Drei Referenten würdigten die Facetten der polarisierenden britischen Politikerin. Zur Person Margaret Thatcher sprach Professor Gerd Habermann, Dr. Gérard Bökenkamp ordnete sie historisch ein und Clemens Schneider beleuchtete den ideellen Hintergrund vor dem ihr die tiefgreifenden Reformen Großbritanniens gelangen.

Foto: Williams/U.S. Military/Wikimedia Commons/Public Domain
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Zur Person

Professor Gerd Habermann spürte zunächst der Frage nach, was die Person Margaret Thatchers ausmacht. Um sie einordnen zu können, müsse zunächst definiert werden, was historische Größe ausmache. Das wichtigste Kriterium hierbei sei die Wirkung. Doch die eigentliche Frage bei Thatcher stelle sich nicht nach dem Ergebnis ihres Handelns sondern nach ihrem Hintergrund. Hier identifiziert Habermann drei Komponenten.

1) Zunächst die Familie: Als Kind einer puritanischen Methodisten-Familie sei Thatcher durch die – auch von Max Weber beschriebene – protestantische Arbeitsethik geprägt. Die Mitarbeit im väterlichen Laden habe Thatcher die Tugenden der «Nation of Shopkeepers» (Napoleon Bonaparte) aufgeprägt.

2) Der Heroismus der Kriegsgeneration: Prägend habe sich auch die Erfahrung der Jahre unter deutschen Angriffen während des Zweiten Weltkriegs ausgewirkt. Auch der heroische Patriotismus während des «Blitz» zeichne sich im Wirken und Denken der Politikerin Margaret Thatcher ab.

3) Die Freiheitlichkeit: Ideologisch habe Thatcher sich als Kämpferin gegen die Dekadenz der Intelligenzija verstanden. Gegen die Labour-Party, die mächtigen Gewerkschaften und besonders das Establishment der Konservativen habe sie gekämpft. Hierbei sei ihr die wirtschaftliche Unabhängigkeit von der Politik eine große Hilfe gewesen. Habermann: «Integre Politiker müssen entweder ein Guthaben oder ein Gut haben.»

Die Gnadenlosigkeit und Arroganz mit denen Thatcher die notwendigen Reformen durchgesetzt habe, hätten schließlich zu dem parteiinternen Putsch geführt, der ihre Karriere beendet habe. Obwohl sie als Person unbeliebt geblieben sei, habe sie durch ihre Leistung sogar die Labour-Party nachhaltig verändert.

Zur Geschichte

Dr. Gérard Bökenkamp beleuchtete im Anschluß die Politikerin Margaret Thatcher historisch. Ideengeschichtlich stelle sich die Frage, ob Thatcher überhaupt als britische Konservative zu verstehen sei. Immerhin habe sie mit der Konsenskultur der bisherigen konservativen Tradition gebrochen, die sich über die Niederungen der harten Auseinandersetzung erheben wollte. Dabei zeichnete sich eine historische Parallele ab, 60 Jahre nach dem großen Streik von 1924, der die marktliberale Ära in Großbritannien beendet hatte, habe Thatcher 1984 den großen Bergarbeiter-Streik überwunden.

In anderer Hinsicht sei Thatcher beispiellos gewesen. Der Ausbruch aus der Inflationsspirale, auch um den Preis anfänglich steigender Arbeitslosigkeit, sei ihr Verdienst gewesen. Niemand außer Thatcher habe dies gegen die öffentliche Meinung leisten können. Ein wichtiger Faktor hierbei sei der Falklandkrieg 1982 gewesen. Der Sieg über die argentinische Invasion habe ihr einen «nationalen Nimbus» verliehen. Ironischerweise habe Thatcher für die folgenden Jahre eine Reduzierung des imperialen Erbes und damit der Marine geplant gehabt, sodass später eine Rückeroberung der Falkland-Inseln unmöglich gewesen wäre.

Als Anti-Europäerin sei Thatcher nach Bökenkamps Ansicht nicht zu verstehen. Sie habe lediglich ihr Konzept eines gemeinsamen Binnenmarkts souveräner Staaten statt des Bundesstaats so erfolgreich verfochten, dass bis heute kein Premierminister nennenswert davon abgewichen sei.

Eines stelle Thatcher gegenüber vielen anderen Politikern heraus: Sie verdanke ihren Erfolg nicht der Außenpolitik, sondern wesentlich ihren innenpolitischen Maßnahmen. Eine Leistung, laut Bökenkamp, «die so groß ist, dass sie mit Lloyd George und Winston Churchill vergleichbar ist.»

Zur Idee

«Es gibt auch berechtigte Kritik», begann Clemens Schneider das letzte Referat, das sich mit dem ideellen Hintergrund Thatchers befasste. Wichtig für das Verständnis des Erfolgs Thatchers sei das Wissen um ihre Wegbereiter. Als Thatcher in den 1970ern bekannt wurde und Großbritannien wirtschaftlich am Boden lag, sei die ideelle Vorarbeit bereits geleistet gewesen. Der junge Antony Fisher habe nach dem Zweiten Weltkrieg F.A. Hayeks Rat gesucht, um dem sozialistischen Kurs in Großbritannien entgegenzusteuern. Statt einen direkten politischen Ansatz zu unterstützen, habe Hayek ihm aber empfohlen, zunächst die linke Diskurshoheit zu analysieren und eine entsprechende Gegenmeinung aufzubauen.

Fisher reiste in die Vereinigten Staaten knüpfte Netzwerke, erwarb Wissen und gründete – nachdem er profitable Hühnchenfarmen in England aufgebaut hattte – das Institute  of Economic Affairs (IEA), das zum Modell für unzählige Think Tanks weltweit wurde und mit beharrlicher Kleinarbeit die intellektuellen Grundlagen schaffte, auf denen Thatcher aufbauen konnte.

Ungeachtet der handelnden Personen, sei diese Strategie eigentlich für Thatchers Erfolg verantwortlich gewesen. Clemens Schneider abschließend: «Es kommt nicht auf Idole an, sondern auf Ideen …»

Zuerst erschienen im Blog des Hayek-Club Berlin

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Gravatar: Hans von Atzigen

Der Thatscherismus hat damals überfällig, die verkrusteten Wirtschaftsstrukturen Britaniens aufgebrochen. Gleichzeitig und das ist das Fundamental entscheidende, eine ebenfalls zwingend notwendige, umfassende und tiefgreifende Modernisierung der Britischen Wirtschaft hat NICHT stattgefunden. Britanien ist innzwischen als Produktions und Innovationsstandort faktisch zur Bedeutungslosigkeit verkommen. Ohne den Finanzsektor -Wasserkopf London bleibt vom einstigen Wegbereiter der Industrialisierung herzlich wenig übrig. Bricht der Finanz-Wasserkopf London aus welchen Gründen auch immer zusammen, landet Britanien äusserst
unsanft im Vorindustrialisierten Zeitalter.
Die Thatscher -,,Revolution,, ist in den Anfängen stecken geblieben eine Weiterentwicklung hat NICHT stattgefunden. Das Ergebnis ist eine innzwischen faktisch irreparable desaströse Globale Grundsituation.

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