Buchbesprechung

„Gangland Deutschland“

Für einen Teil der Bevölkerung ist der Krieg der Gangs längst auf den Straßen der Stadt zum Albtraum geworden – verursacht durch „ein Toleranzverständnis, das einer Selbstaufgabe gleichkommt“.

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Wer glaubt, dass kriminelle Gangs ihre Kriege um Territorien und kriminelle Geschäftsfelder nur in den USA oder Kanada austragen, der irrt gewaltig. Ein Irrtum, der schon bald verheerende Auswirkungen auf unseren sozialen Frieden haben wird. Denn längst gibt es sie auch in Deutschland - Gangs, die tödliche Revierkämpfe austragen, mit Drogen handeln, Schutzgeld erpressen und Zuhälterei betreiben: die Black Jackets, die United Tribuns, die Satudarah oder die Red Legion. Einen zusätzlichen Brennpunkt bilden Mitglieder türkisch-libanesisch-arabischer Großfamilien wie des sogenannten Miri-Clans, die sich einen blutigen Kampf mit der gewaltbereiten Rockerszene um die Vormachtstellung im Milieu liefern. Der ehemalige Polizist und Bestsellerautor Stefan Schubert stellt erstmals diese neu gebildeten kriminellen Gruppierungen in den Fokus der Öffentlichkeit und enthüllt brisante Insiderinformationen. „Gangland Deutschland“ schildert die Entstehungsgeschichte der bedeutenden Gangs in Deutschland, beschreibt ihre Besonderheiten und rekonstruiert die begangenen Straftaten und Territorialkriege. Zudem wird aufgedeckt, wie Innenminister und Justiz angesichts dieser neuen Kriminalitätswelle versagt und auch in der Gegenwart die Brisanz dieser Entwicklung nicht erkannt haben oder nicht erkennen wollen: Aus schlichter Ignoranz oder Kostengründen.

Bestsellerautor Stefan Schubert, selbst viele Jahre lang Polizist, gewährte bereits in seinen drei vorhergehenden Buchveröffentlichungen allen Außenstehenden, die es wissen wollten, authentische und schonungslose Einblicke in eine abgeschottete Polizeiwelt. Nach „Gewalt ist eine Lösung. Morgens Polizist, abends Hooligan - mein geheimes Doppelleben“ und „Inside Polizei. Die unbekannte Seite des Polizeialltags“ erschien das Recherche-Buch „Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten“. Bereits hier (2012) wurde nachvollzogen, was passiert, wenn aus dem Zusammenschluss einiger Halbstarker in Kalifornien eine internationale Bruderschaft wächst, die heute in 47 Ländern präsent ist und auf allen fünf Kontinenten nach ihren eigenen archaischen Regeln agiert.

Jetzt also „Gangland Deutschland“ – ein ebenso lesenswertes wie klug und genau recherchiertes Buch, das, so kann wohl bereits vorweggenommen werden, heftige Diskussionen auslösen wird. Diesmal geht zwar auch um –im landläufigen Sinne- Motorradgangs, allerdings nicht um die „Old School“- Jungs aus den USA/Kanada sondern um „Hausgemachtes“ Made in Germany. Wer die über 200 Seiten voller Gewalt, Terror und staatlicher Ohnmacht  hinter sich gebracht hat, könnte allerdings leicht zu dem Schluss kommen, dass die „Höllenengel“ auf ihren superschweren Harleys eher zur harmloseren Gattung ihrer Art gehören. Eines verbindet allerdings beide Bücher – die erschütternde Recherche zum Thema: Organisierte Gewalt und die Kapitulation der deutschen Behörden und Justiz vor dieser Form schwerster Kriminalität.

Die „Black Jackets“ sind nach eigenen Angaben nicht nur die am schnellsten wachsende Gang in Deutschland, sondern mit über 3000 Mitgliedern gleichzeitig die zahlenmäßig größte der Republik. Gerade in jüngster Zeit reiht sich ein Gewaltexzess an den nächsten, es sind Tote zu beklagen und die schweren Straftaten im Bereich des Rotlichtmilieus, der Türsteherszene und des Drogen- und Waffenhandels häufen sich. Für Stefan Schubert sind gerade diese Gruppierung in vielerlei Hinsicht interessant, da diese Straßengang ihre Metamorphose von einem unbedeutenden Zusammenschluss junger Migranten zu einer bundesweit agierenden kriminellen Gang bereits abgeschlossen hat und für viele nachfolgende Gangs als Vorbild dient. Zudem haben die „Black Jackets“ ihre Aktivitäten auf ein Dutzend weiterer Länder ausgeweitet – wobei die Mitglieder und Aktionen weiterhin aus Deutschland gesteuert und unterstützt werden. Dabei kaum zu glauben, aber wahr: die Gründung der Gang erfolgte (nicht nur hier) tatsächlich mithilfe von Steuergeldern. Geschildert wird der „Fall“ eines vormals beschaulichen Örtchens:

Die fast 50 000 Einwohner zählende Kreisstadt Heidenheim liegt im Osten Baden-Württembergs an der Grenze zu Bayern, 33 Kilometer nördlich von Ulm. Heidenheim an der Brenz ist von einem in der industriellen Produktion tätigen Mittelstand geprägt und vermittelt den Anschein eines perfekten Vorzeigestädtchens im Schwabenländle.  Allerdings, so der Autor, lag im Jahr 2013 der Anteil der Bürger mit Migrationshintergrund bei annähernd 40 Prozent, wobei in den Kindergärten der Anteil bereits über 60 Prozent betrug. Ein halbes Dutzend Jugendhäuser kümmern sich um sozial und finanziell benachteiligte Familien, die oftmals aus Einwandererfamilien stammen. Die meisten Zugezogenen kommen aus osteuropäischen Ländern, vor allem aus Russland und dem ehemaligen Jugoslawien. Vonseiten der Politik wurde versucht, die gescheiterte Integration im Randbezirk der Stadt mit einem breit gefächerten Angebot aufzufangen und das Problem zumindest für die nächste Generation zu lösen. Für Teenager und Jugendliche wurden ein Theaterprojekt gegründet, Sportmöglichkeiten geschaffen, Hip-Hop-Workshops abgehalten und Selbstverteidigungskurse durchgeführt. Die Besucher der Jugendhäuser sollten kulturell gefördert und an das Gemeinwesen herangeführt werden, um sich nicht zuletzt dort mit ehrenamtlichem Engagement einzubringen. So weit der theoretische Plan der steuerfinanzierten Behörde. Doch irgendetwas ging bei diesem Vorhaben gründlich schief: Bereits 1985 gründeten sich unter den Augen der Sozialarbeiter und Pädagogen im Jugendhaus Castell die „Black Jackets“. Zehn 18- bis 20-jährige Männer aus der Türkei, Deutschland, Italien und Jugoslawien schlossen sich zu einer Gruppe zusammen. Den Bund der Steuerzahler dürfte bei diesem Vorfall das blanke Entsetzen packen – eine durch Steuergelder ermöglichte Ganggründung, das gibt es wohl nur in Deutschland.

Unter der Führung des Türken Sedat K. entschied man sich schon bald für das Tragen von schwarzen Bomberjacken und nannte sich ab sofort „Black Jackets“. Die insbesondere von türkischen Einwanderern dominierte Bande betrieb ein eigenes Kampfsportstudio und machte sich schnell einen Namen in der örtlichen Türsteherszene. So gerieten die „Black Jackets“ bereits Ende der 1980er-Jahre überwiegend durch Schlägereien in den Fokus der Polizei – die Aktenordner der Dienststellen füllten sich beständig. Es dauerte nicht lange, und die Bomberjacken zierte zusätzlich das neu gewählte Logo der Gruppe: der Kopf einer Bulldogge mit gefletschten Zähnen und Nietenhalsband. Es wurde noch das Gründungsjahr 1985 zugefügt, dann war das Logo, das in dieser Form bis heute Bestand hat, komplett.

Ebenfalls bis heute noch gültig – die von den „Hells Angels“ oder „Bandidos“ übernommenen Organisationsstrukturen: „Wir haben uns die Strukturen von den Motorradgangs abgeschaut“, so wird der „Black Jackets“- Gründer im Buch zitiert. Die regionalen Niederlassungen heißen „Chapter“ und werden von einem „President“, einem „Vice-President“, einem „Sergeant at Arms“ (Sicherheitsbeauftragter), dem „Secretary“ (Schriftführer) und dem „Treasurer“ (Schatzmeister) geführt. Mitglieder heißen „Full Member“ und Anwärtern „Prospects“. Auch die Aufnahmerituale gleichen sich: während der  Prospect-Taufe, bilden die Mitglieder des Chapters, oftmals trainierte Kampfsportler und Bodybuilder, eine Gasse, durch die der Anwärter hindurch muss. Jeder schlägt einmal zu, und bis auf das Gesicht ist der gesamte Körper als Trefferfläche erlaubt. Erst nach dieser Tortur erhält der Prospect sein „Patch“ als Zeichen seiner vollwertigen Mitgliedschaft.

Der Autor Stefan Schubert sieht noch ein weiteres Gefahrenpotential: Die multikulturelle Zusammensetzung der „Black Jackets“ spiegelt sich noch einmal in ihrer starken Expansion nicht nur in Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, sondern auch im Ausland wider. So existieren mittlerweile Chapter in Bosnien, Serbien, Mazedonien, der Türkei, den Niederlanden, Tschechien, Ungarn, Slowakei, Österreich, Vietnam und Thailand. Über ihre aktuelle Mitgliederstärke lässt die Gang niemanden im Unklaren. Bereits im Januar 2012 verkündete sie die Aufnahme ihres 1500. Mitgliedes in Deutschland. Im Jahr 2014, so Schubert, muss man allein in Deutschland von über 2000 Gangmitgliedern ausgehen, während international nach eigenen Angaben innerhalb kürzester Zeit 2000 Mitglieder aufgenommen wurden. Auch wenn diese Zahl übertrieben erscheint, würden selbst 1000 internationale Mitglieder bedeuten, dass die „Black Jackets“ mit Rockergangs wie den „Hells Angels“ und „Bandidos“ gleichgezogen, sie womöglich überflügelt haben, bundes- wie weltweit.

Das Bundeskriminalamt, das eigentliche Herzstück der nationalen Verbrechensbekämpfung, ist bei der Klärung zu diesem Themenkomplex leider keine Hilfe. Allerdings gleichen die  Antworten auf entsprechenden Anfragen des Autors von 2013 einem Offenbarungseid der Behörde: „ (…) Die Black Jackets werden als sogenannte ›rockerähnliche Gruppierung‹ eingestuft, da sie äußere Elemente der Motorradclubs übernehmen und ähnlich auftreten, nur eben ohne Motorrad zu fahren. Es gibt allerdings auch einige motorradfahrende MC-Abteilungen. Die aktuelle Chaptersituation ist hier unübersichtlich“. Und zu einer Anfrage vom August 2013 zu den „United Tribuns“, ihrer Mitgliederstärke und den bestehenden Chaptern befragt, heißt es von einer Sprecherin: „Angaben zu den United Tribuns kann ich nicht machen“. Wer dem Autor in seiner Recherche und Argumentation folgt, könnte zur Überzeugung gelangen, dass die Behördenleitung, die mehr als 5000 Mitarbeiter führt und auf einen Etat von über 425 Millionen Euro (2013) zurückgreifen kann, sich ganz eigene Arbeitsschwerpunkte setzet. Wohin das führen kann, sollten bereits die Zusammenhänge rund um die NSU-Mordserie gezeigt haben. Ein BKA, das ineffizient und unangenehm schwerfällig auftritt. Zu ganz anderen Ergebnissen kommen hingegen die „Kollegen“ in den USA: Eine Bedrohungsanalyse, die 2011 vom FBI durchgeführt wurde, bringt die 1,4 Millionen aktiven Mitglieder und insgesamt 33 000 Banden mit über 48 Prozent aller Gewaltverbrechen in Verbindung. In besonders betroffenen Gebieten stieg der Prozentsatz auf bis zu 90 Prozent. Gangs wurden für die Städte und Kommunen als die bedeutendste kriminelle Bedrohung erkannt, die Mitgliederzahl sind trotzdem in den beiden letzten Jahren infolge der gezielten Rekrutierungen unter Jugendlichen und Einwanderern um über 40 Prozent gestiegen. Während in Deutschland die Probleme meist bei den Polizisten vor Ort abgeladen werden und ein bundesweites Konzept oder gar eine Koordinierung zur Bekämpfung des sich rasant ausbreitenden Gewalt- und Verbrechenphänomens komplett fehlt, hat der amerikanische Kongress bereits 2005 beim FBI ein „National Gang Intelligence Center“ gegründet. Es handelt sich hierbei um eine Analyse-, Informations- und Koordinierungsbehörde aller relevanten Strafverfolgungsbehörden: FBI, DEA, ATF, BOP, Usms, ICE, Dod und dem National Drug Intelligence Center NDIC. Unterstützt werden sollen selbstverständlich auch die Polizisten auf der Straße.

Das BKA, so die Recherchen des Buchautors, das sich selbst gern als deutsches Pendant zum FBI positionieren möchte, versagt in dieser Hinsicht leider komplett. Wieder einmal werden die Differenzen von Anspruch und Wirklichkeit deutlich. Dabei hätte ein Anruf bei den Polizisten vor Ort genügt, das Gefahrenpotential der Gangs zu erkennen: So bezeichneten Polizisten den besonders berüchtigten Stadtteil Marxloh als No-go-Area, in der kein normaler Polizeieinsatz mehr möglich sei. Beispielhaft dafür wird Rainer Wendt zitiert. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, erzählt eine mittlerweile ganz „normale  Geschichte“ aus dem polizeilichen Alltag in Duisburg-Marxloh. Ein Pkw mit türkischstämmigen Insassen rast mit 80 Stundenkilometer durch eine verkehrsberuhigte Tempo-30-Zone. Als ein Streifenwagen die Raser stoppt, rotten sich sofort 40 junge Männer zusammen, umringen die Beamten, rempeln, drohen. Das staatliche Gewaltmonopol kapituliert, und die beiden hoffnungslos unterlegenen Polizisten ziehen sich zurück. Nicht zuletzt wegen der demografischen Entwicklung im Land und der stetigen Einwanderung aus jenen Ländern, aus denen die Gangs den Hauptteil ihrer Mitglieder rekrutieren, bleibt für Stefan Schubert eine Sache sicher: Die Zukunft gehört den Migrantengangs!

Wohl nur bestaunen können die Leser, die Schilderungen eines ebenso unverständlichen wie absolut unverantwortlichen Handelns der Justiz. Schlicht aus Kostengründen werden die Gerichtsprozesse mit sogenannten „Deals“ – wie man sie eigentlich nur aus US-TV-Serien kennt, abgekürzt. Staatsanwaltschaft, Richter und Anwälte einigen sich auf das kleinstmögliche der anzuwendenden Strafmaße und die Sache ist vom Tisch. Dabei entstehen die absonderlichsten juristischen Konstruktionen: Neben vielen anderen wird auch der Fall Boki und Dado geschildert: Weil nach einem dieser „Deals“ zunächst auf ferien Fuß gesetzt und jetzt auf der Flucht vor der deutschen Justiz richteten sich die Gangster im Nordwesten Bosniens in einem kleinen Dorf bei Sanski Most häuslich ein. Nicht etwa, dass sie sich dort nun zurückhaltend verhielten, immerhin bestand und besteht gegen Boki und Dado ja ein internationaler Haftbefehl. Zwischen Bosnien und Deutschland existiert allerdings, trotz Milliarden gezahlter Wiederaufbauhilfe, kein Auslieferungsabkommen. Man spricht von sieben bis zehn Milliarden Euro an Steuergeldern, die in das kleine Land geflossen sind, so „genau will oder kann das keiner beziffern“. Trotzdem kann Boki noch immer seine Bordelle in Deutschland betreiben. Das „Laufhaus“ wird weiterhin von Bokis Ehefrau geführt,

zusammen mit einer weiteren eingesetzten Strohfrau. Auch das „La Notte“ hat noch immer die gleichen Betreiber. Nach wie vor arbeiten Prostituierte in Deutschland direkt für den Gangboss. Die Stadtverwaltung von Villingen-Schwenningen sieht sich außerstande, den Bordellbetreibern die Genehmigung zu entziehen, da sie – infolge des mit der Justiz ausgehandelten Deals – nur zu Geld- bzw.- Bewährungsstrafen verurteilt wurden. Brisant in diesem Zusammenhang: Die beiden Puffbetriebe zahlen natürlich Steuern und füllen so die klamme Stadtkasse. Die Prostituierten müssen also weiter anschaffen gehen, damit die Stadtpolitiker zu ihrem Geld kommen. Was für eine perverse Welt. In der Boki und seine Vasallen mit Luxuslimousinen, die noch immer deutsche Zulassung und Kennzeichen haben sollen, in luxuriöser Bewegung bleiben können: darunter ein Porsche Cayenne, eine Mercedes-Limousine, ein VW Tuareg, ein schneeweißer Porsche und ein Audi Q7. Wie die Gangster in Bosnien ihren Lebensstil finanzierten, ist ein offenes Geheimnis. Ihre Hauptfrauen reisten regelmäßig aus Deutschland an und lieferten ihren Prostitutionslohn ab, zusätzlich schleusten Kuriere größere Geldbeträge zum Fluchtort der Tribuns.

Leser, die es bis zu diesem Kapitel „ausgehalten“ haben – denen stehen noch viele „Fälle“ bevor. Auch die Kapitel, die jene Katastrophen beschreiben, die über Menschen hereinbrachen, die am eigentlichen Gang-Krieg gar nicht beteiligt waren und lediglich zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort waren: Es ist die Samstagnacht des 27. Juni 2009. Der zunehmende Mond erleuchtet kurz vor Mitternacht das Gelände der Waisenhofschule. Unter einer Pergola suchen 15 Mitglieder der „Fraternidad“ und eine Gruppe völlig unbeteiligter junger Leute Schutz vor dem Regen. Die versammelte Gruppe, egal, ob Mitglieder der „Fraternidad“-Gang oder Unbeteiligte, wird von 22 „Black Jackets“- Mitgliedern angegriffen und schwer verletzt. Mit wildem Kampfgeschrei und Beleidigungen ausstoßend, stürzten sie heran und schlugen mit Eisenstangen, Baseballschlägern und Teleskopschlagstöcken auf ihre Gegner ein. Selbst einige der am Boden liegenden wurden weiter mit Schlägen eingedeckt. Einer der Malträtierten ist der 26-jährige Bayram A. – ein völlig Unbeteiligter. Er erleidet eine offene Schädelzertrümmerung, liegt keuchend in seinem Blut. Hirnmasse tritt aus. Ein Sechstel seines Gehirnvolumens. Eine Notoperation rettet vorerst sein Leben, doch ein Drittel seines Gehirns stirbt ab. Anschließend liegt er mehrere Wochen im Koma und ringt um sein Leben. Als er nach weiteren Wochen erwacht, bestätigen sich die schlimmsten Befürchtungen und er behält eine schwere irreversible Hirnschädigung zurück. Der ehemalige Bosch-Facharbeiter und Student einer Fachhochschule, ein vollkommen Unbeteiligter, wird den Rest seines Lebens ein Pflegefall bleiben. Spätestens an dieser Stelle sollte jedem Leser klar werden, warum dieses Gang-Phänomen unbedingt ernst genommen werden muss und gegen das mit entschiedener Härte vorgegangen werden sollte.

Stefan Schubert stellt deshalb auch Fragen nach dem Sinn oder Unsinn heutiger Integrationsbemühungen und dem Unvermögen der zahlloses hauptamtliche Sozialarbeiter,  die sich für rasant die rausbreitende Gang- und Gewaltkultur einfach nicht zuständig fühlten. Denn sobald sie es einmal mit Gangmitgliedern zu tun bekommen, ergreifen die städtischen Sozialarbeiter klar Partei. „Die Kripo bekommt von uns keine Information“, heißt es dann. Das Vertrauensverhältnis zwischen den Mitarbeitern und der von ihnen betreuten Klientel stehe vor einer möglichen Informationsgewinnung oder gar der Aufklärung von Straftaten durch die Polizei. Unterstützt wird diese Vorgehensweise, so der Autor, von einem ganzen Heer von Soziologen, Politologen, Integrationsbeauftragten und Rechtsanwälten, die allesamt von der Steuer bezahlt werden müssen. Dazu kämen die unterschiedlichsten Verbandsvertreter und weltfremde Politiker, die in einer Melange von Problemleugnung, Verharmlosung und politischer Korrektheit jegliche Diskussion zu dem Thema abwürgen – auch dadurch, dass sie ihre Kritiker gezielt in die rechte Ecke drängen. Oder, wie die deutschtürkische Sozialwissenschaftlerin Necla Kelek zitiert wird: „ Sie propagieren ein Toleranzverständnis, das einer Selbstaufgabe gleichkommt“.

Das (fast) abschließendes Fazit des Autors: „Dass die bisherige Kuscheljustiz innerhalb der Gangs und im Rahmen der dort vorherrschenden Machokultur lediglich als Schwäche des Staates ausgelegt wird. Die Gangmitglieder leben in einer Parallelwelt, in der sich grundsätzlich nur der Stärkere durchsetzt. Solange in der Justiz nicht ein grundlegendes Umdenken stattfindet, werden die Gangs weiter wachsen, weitere Straftaten begehen. Und es werden weitere Opfer zu beklagen sein“. Angstszenarien zu verbreiten sei nicht der Sinn seines Buches, doch eines ließe sich anhand der Zahlen vorhersagen: Die Gangs werden ohne Probleme ihre rasante Expansion beibehalten können, ihr Wachstum sogar noch steigern. Bei zunehmender Gettoisierung, die inzwischen ganze Stadtteile betrifft, sowie der Verrohung immer größerer Teile der Gesellschaft wird sich ihr Rekrutierungspotenzial innerhalb der sozialen Brennpunkte niemals erschöpfen. Ebenso bedenklich: „Sicherlich nicht in den eher gut situierten Stadtteilen, wo Staatsanwälte, Richter und Politiker ihr Häuschen haben. Doch für einen großen Teil der Bevölkerung ist der Krieg der Gangs auf den Straßen der Stadt längst zum Albtraum geworden“. Dieser Umstand lässt einen zuerst ratlos und resignierend, schließlich aber wütend zurück.

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Gravatar: Black Jack

Ich bin seit 22 Jahren Black Jackets Mitglied und kann zu diesem Artikel und Buch nur sagen das es rechte Propaganda ist. Genau wegen solchen Leuten wurden die Black Jackets gegründet. Wir werden immer mehr. Bei uns spielt Nationalität keine Rolle. Motorrad ist keine Pflicht. Jeder Bericht gegen uns, macht uns stärker und bekannter. Wir sind keine kriminelle Vereinigung. Aber wie in jeder Familie gibt es schwarze Schafe und um die kümmern wir uns selber. Die wahren kriminellen führen dieses Land. Ihr haltet uns nicht auf. Ihr könnt Kuttenverbote einführen. Juckt uns nicht. Unsere Farben können wir auch anders präsentieren.

Gravatar: Mugel

In der Politik geschieht fast nichts zufällig. Es lässt sich eindeutig erkennen das die Politik durch anziehende Einwanderungsbestimmungen, finanzielle Anreize für Leistungsunwillige oder -unfähige und gezielte Passivität gegenüber Fehlverhalten bestimter Bevölkerungsgruppen die Gewaltzunahme fördert.
Augenfällig ist im Vergleich dazu der unnachgiebige Umgang des Staates mit anständigen Bürgern bei kleinsten Gesetzesüberschreitungen.
Das Ziel ist wie immer den Bürger dazu zu bringen sich in seiner Hilflosigkeit an die "Bastion der Sicherheit" also den Staat zu klammern.
Angst verbreiten durch innere oder Äussere Feinde war schon immer DAS Mittel der Politik die arbietende Bevölkerung gefügig zu machen.
Siehe Gladio, siehe 11.September

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