Stimmung für Eine-Billion-Inflation

Frankreich fordert Schwächung des Euro

Die Euro-kritische Stimmung hat in Frankreich deutlich zugenommen. Während die offizielle Politik über die Stärke der Gemeinschaftswährung klagt und zumindest indirekt Maßnahmen zur Schwächung fordert, sprechen sich Ökonomen und Journalisten auch deutlich für ein Ende des Euro aus.

Veröffentlicht:
von

„Der Euro ist stark, vielleicht schon zu stark” stellte der damalige französische Finanzminister Pierre Moscovici schon im Februar 2013 fest. Auch Staatspräsident Francois Hollande warnte – ebenfalls im Februar 2013 – in einer Rede vor dem europäischen Parlament vor einem überbewerteten Euro und fügte fast drohend hinzu, dass die Wechselkurspolitik nicht nur von der EZB abhänge. Er stellte damit – zumindest indirekt – die Unabhängigkeit der EZB in Frage. Der Euro steht heute bei 1,36 US-Dollar. Die europäische Gemeinschaftswährung liegt damit rund zehn Prozent oberhalb ihres Niveaus von 2012.

In Frankreich mehren sich die Stimmen, die die anhaltende Stärke des Euro kritisieren und eine expansivere Geldpolitik fordern. Das Ziel: Ein Kursrückgang, der Exporte aus dem Euroraum billiger macht. Davon erhoffen sich die Franzosen Impulse für ihre schwächelnde Wirtschaft.

Ein Blick in die Historie zeigt: Viele Staaten haben in der Vergangenheit ihre Währungen geschwächt, um ihre Exportwirtschaft anzukurbeln. Frankreich hat den Franc im 20. Jahrhundert immer wieder massiv abgewertet. Diese Politik hat zwar negative Nebenwirkungen wie die Enteignung der Sparer. Allerdings haben die Abwertungen der Währung in Frankreich mehrfach funktioniert und die Wirtschaft angekurbelt – beispielsweise in den Jahren 1958 und 1969. Diese bewährte Möglichkeit steht Frankreich als Mitglied der europäischen Währungsunion nicht mehr offen.

Premierminister und Finanzminister fordern angepasste Geldpolitik

Der Premierminister Manuel Valls forderte Anfang Mai 2014 lautstark eine andere Geldpolitik, die Wachstum und Beschäftigung mehr fördere. Die derzeit von der Europäischen Union verfolgte konservative Politik habe dem Wachstum und der Beschäftigung geschadet. „Wir brauchen heute eine Geldpolitik, die dem zu hohen Niveau des Euro angepasst ist“, fordert Valls weiter. Im Klartext bedeutet dies: Die EZB soll Maßnahmen ergreifen, um den Euro zu schwächen und so die Exporte anzukurbeln.

Neben dem Premierminister hat Anfang April bereits der derzeitige Finanzminister, Michel Sapin, seine Opposition gegenüber dem starken Euro Kund getan. Der zu starke Euro sei eine „Bremse für das Wachstum in Frankreich“. Er äußerte zudem seine Wünsche nach einem Euro auf dem richtigen Niveau. Der Euro sei abnormal stark.

Es gibt in Frankeich viele Meinungen zur Frage, wo genau der Euro stehen sollte. Eines ist allen Forderungen jedoch gemeinsam: Der ideale Kurs liegt unterhalb des jetzigen Kurses. Louis Gallois, der ehemalige Chef des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS, meint, der Euro solle sich zwischen 1,15 und 1,20 US-Dollar bewegen. Oberhalb davon sei die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in Gefahr. Jacques Sapir, Ökonom und Direktor an der renommierten École des Hautes Études en Sciences Sociales, bezeichnet das derzeitige Euro-Niveau als unerträglich für viele Euro-Staaten. Er sieht für Frankreich einen Kurs zwischen 1,0 und 1,1 US-Dollar angemessen, für Spanien und Italien sei eine Spanne von 0,95 und 1,05 US-Dollar angemessen.

Französische Wirtschaft besonders empfindlich gegenüber einem starken Euro

Die Sensibilität hinsichtlich der Wechselkurse sei bei der französischen Wirtschaft besonders hoch, so Bruno Cavalier, Ökonom beim Bankhaus Oddo. Das Land exportiere hauptsächlich Produkte aus dem mittleren Produktspektrum. Dabei spiele der Preis eine besondere Rolle. Das heißt: Frankreich und seine Konsumgüterindustrie hätten unter einem starken Euro deutlich mehr zu leiden als die innovative deutsche Industrie, die mehr auf hochwertige Exportgüter spezialisiert sei.

Der hohe aktuelle Kurs (um 1,36 US-Dollar) sei laut Jacques Sapir lediglich für die deutsche Wirtschaft „exzellent“. Diese sei seit Ausbruch der Krise 2008 um 3,34 Prozent gewachsen, während Frankreich stagniere (0,72 Prozent im selben Zeitraum) und andere Volkswirtschaften wie Spanien, Italien und Portugal geschrumpft seien. Nehme man die gesamte Eurozone, habe das Wachstum von 2007 bis 2011 bei mageren 0,4 Prozent pro Jahr gelegen, während die USA im selben Zeitraum 1,3 Prozent jährlich erreicht hätten. Dieser „Bremseffekt“ aufgrund der Existenz des Euros sei unleugbar.

Zahlreiche Ökonomen fordern Auflösung der Währungsunion

Während die Debatte um den optimalen Eurokurs noch geführt wird, kritisieren einzelne Diskussionsteilnehmer die deutsche Wirtschaftspolitik bisweilen stark. So schreibt Pascal Ordonneau, ein ehemaliger Unternehmenschef in der täglich erscheinenden Wirtschaftszeitung „Les Echos“: Grundsätzlich gebe es innerhalb einer Währungsunion keine Wechselkurse mehr. Allerdings hätte Deutschland im Alleingang beschlossen eine „interne Abwertung“ durchzuführen. Dies sei mit den Hartz-Reformen in der Ära Schröder passiert. Deutschland habe damit den Lebensstandard seiner Bevölkerung abgesenkt, um seine Wirtschaftsmacht und wirtschaftliche Prosperität zu erhalten.

Herr Ordonneau ist mit seinen Euro-kritischen Äußerungen keineswegs alleine: Zahlreiche bedeutende Ökonomen fordern mittlerweile eine Auflösung der Währungsunion, so Bernard Maris, Mitglied des Rates der Banque de France, Jacques Mazier, Wirtschaftsprofessor an der Université de Pais 13, Alain Cotta, Professor an der Université de Paris-Dauphine oder Frédéric Lordon, Ökonom und Direktor der Forschung des Centre national de la recherche scientifique. Auch mehrere namhafte Wirtschaftsjournalisten wie beispielsweise der Chefredakteur von L’Expansion rufen mittlerweile klar nach einem Ende des Euro.

Europäische Zentralbank unter Druck aus Paris

Ein anderer möglicher Ausweg aus dem französischen Dilemma ist eine Schwächung des Euro gegenüber anderen Währungen. Dies könnte über eine stärkere Inflation im Euroraum erfolgen. In diesem Zusammenhang müssen auch die Absichten der EZB gesehen werden, Wertpapiere – darunter Staatsanleihen – für eine Billion Euro aufzukaufen. Das Ziel der Aktion: Das Abwenden einer potenziellen Deflation. Die derzeit extrem niedrigen Inflationsraten von 0,5 bis 0,7 Prozent sollen erhöht werden. EZB Präsident Mario Draghi musste sich in einer Pressekonferenz am 8. Mai 2014 zahlreiche Fragen nach dem Umgang mit dem starken Euro anhören. Im Fokus standen auch die verstärkten Klagen aus Paris. Draghi antwortete jedes Mal ausweichend, indem er betont, die Wechselkurse seien nicht direkter Bestandteil des EZB-Mandates. Die EZB sei in erster Linie der Preisstabilität verpflichtet.

In Frankreich wiederum interpretiert man den Ein-Billion-Euro-Plan anders. Einige Akteure sehen die Ankaufspläne der EZB als Reaktion auf die französischen Forderungen. Der ehemalige Finanzminister Moscovici begrüßte jedenfalls die angekündigten geldpolitischen Maßnahmen der EZB. Dies zeige, dass auch Mario Draghi sich dem Wachstum verpflichtet fühle.

Während noch nicht klar ist, ob die EZB wirklich ein groß angelegtes Programm mit dem Ziel höherer Inflationsraten startet, kommen aus Frankreich weiterhin schlechte Nachrichten: In den ersten vier Monaten des Jahre 2014 wuchs das Bruttoinlandsprodukt um 0,0 Prozent. Das Nullwachstum gefährdet auch die Einhaltung des avisierten Haushaltsdefizites von 3,8 Prozent. Die Arbeitslosigkeit liegt seit eineinhalb Jahren oberhalb von 10 Prozent. Dies dürfte die Forderung nach einem Euro-Austritt auch mittelfristig nähren. Da ein Austritt aber mit unkalkulierbaren Risiken verbunden ist, ist der wahrscheinlichere Fall, dass der Druck auf die EZB erhöht wird. Diese soll unkonventionelle Maßnahmen der Geldpolitik ergreifen, um den Euro zu schwächen und so die französische Wirtschaft – wie in der Vergangenheit schon oftmals erprobt – über eine Abwertung zu stimulieren.

 

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: H.von Bugenhagen

Na ist denn das..

Würde uns allen zusagen wie früher,1 Brot 50€ -1 Kg Fleisch 500 €- u.s.w.
Lebensmittelmarken OK

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang