Studie war kompletter Unfug

Fast Food macht NICHT dick

Eine der quietschigsten Medienente war die: Wer in der Nähe von Fastfood-Restaurants wohnt, wird dick. Es gibt Studien, die das Gegenteil behaupten. Doch was Fastfood genau ist, weiß immer noch keiner.

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Wer in der Nähe von Fast-Food-Restaurants lebt und arbeitet, der wird dick, so die Titel zahlreicher Medienberichte1. Basis dieser Zeitgeist-Meldungen war wie so oft eine Beobachtungsstudie2. »Grundsätzlich kann eine Beobachtungsstudie keine Kausalität, also keine Ursache-Wirkungs-Beziehung belegen«, erklärt Ernährungswissenschaftler Uwe Knop. »Aber was hier an Daten geboten wird, das taugt nicht einmal als Korrelation, sondern nur für herzhafte Lacher: Umgerechnet drei Pommes am Tag können das Risiko für Fettleibigkeit verdoppeln, so das Fazit der Autoren im renommierten British Medical Journal (BMJ)!«

Noch Fragen? Sicher nicht … Doch! Für Udo Pollmer, wissenschaftlicher Leiter des Europäischen Instituts für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften (EU.L.E. e.V.), stellen sich zwei Fragen: »Wie kommt ein derartiger Nonsens ins British Medical Journal? Und was geht eigentlich in Redaktionen vor, die diesen Quatsch verbreiten? Darf man denen überhaupt noch etwas glauben?«

Schaut man sich Studie genauer an, wird die »Anti-Fast-Food-Propaganda« noch absurder: Denn hier wurde nicht der Besuch und Verzehr in diesen Gaststätten analysiert – sondern es ging ausschließlich darum, wie viele der Schnell-Restaurants (»takeaway food outlet«, was in England oft genug auch indische und besonders chinesische Küche ist) sich in der Nähe des Wohnorts, des Arbeitsplatzes und auf dem Arbeitsweg der Studienteilnehmer befinden. Der tatsächliche Verzehr von Pommes, Pizza, Burgern & Co. hingegen wurde willkürlich geschätzt: Probanden mit den meisten Fastfood-Restaurants in der Nähe konsumierten diesen Schätzungen zufolge 5,7 Gramm – das entspricht etwa 3 (!) Pommes Frites – mehr Fastfood pro Tag als die Gruppe mit den wenigsten Gaststätten in der Umgebung.

»Die 5,7-Gramm-Pi-mal-Daumen-dahingeschätzter ›Mehrverzehr‹ pro Tag können nur Satire sein«, empört sich Knop. »Und das nicht nur, weil diese homöopathische Fast-Food-Dosis physiologisch völlig irrelevant ist. Denn vielleicht waren es auch 5,7 Gramm weniger, da hier alles nur frei Schnauze geschätzt wurde. Aber auf Basis dieser unpräzisen Daten postulieren die Autoren dann eine Verbindung mit dem Körpergewicht – und das ohne die gesamte Ernährung überhaupt erfasst zu haben, die ja nicht nur aus typischem britischem Fastfood wie einem indischen Curry, chinesischem Essen oder Fish & Chips besteht.« Pollmer ergänzt: »Wer sich über die Manipulationen am griechischen Staatshaushalt aufregt, kennt die Ernährungsmedizin noch nicht.«

Plumpe Anti-Fastfood-Propaganda

Fazit: Bei dieser Studie hätte der gesunde Menschenverstand mehr als ausgereicht, um die PR des BMJ als plumpe Anti-Fast-Food-Propaganda zu erkennen. Auch deshalb, weil das BMJ sogar in seiner eigenen Studien-PR den Journalisten die 5,7 Gramm ›Fettmacher-Fastfood‹ klar nennt: »The most exposed group of people consumed an additional 5.7 grams per day compared with the least exposed group«.3 In diesem Fall ist also nicht die PR der Journals der »Bösewicht, der die Redaktionen hinters Licht führt« – hier wurde wohl nur getestet, wie weit die Kompetenz von Ernährungsexperten reicht. Nicht umsonst hat das BMJ selbst in einem Editorial klargestellt4: Ursache falscher Medienberichte seien oft schlechte »press releases«, deshalb müsse eine »reporting guideline« entwickelt werden, um bessere Pressetexte zu schreiben. Sie müssen dann nur noch richtig gelesen und ideologiefrei interpretiert werden …

Am Rande sei erwähnt, dass es wie üblich natürlich auch Studien gibt, die das Gegenteil beweisen von dem, was die BMJ-Autoren beobachtet haben: Bei einer US-amerikanischen Studie wurde kein direkter Zusammenhang zwischen dem hohen Verzehr von Fast Food und einem zu hohen Körpergewicht beobachtet5. Und eine weitere Untersuchung zeigte keinen Einfluss zwischen Fast-Food-Verzehr und Körpergewicht bei Personen mit höherem sozioökonomischem Status6.

Last but not least … stellt sich die Frage nach einer offiziellen internationalen Definition von Fast Food? Was genau soll Fast Food sein? Die Antwort kennt das ökotrophologische Universalcredo: Nichts Genaues weiß man nicht. Deshalb kann sich jeder die Daten so zusammenstellen, wie er es braucht.

Quellen

1. Zu viele Fast-Food-Läden in der Nähe machen dick, frauenzimmer.de, 06.05.14 / Fastfood-Geschäfte in der Nähe fördern Übergewicht, kurier at, 01.05.14 / Nähe zu Fast Food-Lokalen macht dick, gesund24.at / Nähe zu Fast-Food-Geschäften fördert Übergewicht, diepresse.at, 30.4.2014

2. Burgoine et al.: Associations between exposure to takeaway food outlets, takeaway food consumption, and body weight in Cambridgeshire, UK: population based, cross sectional study, BMJ 2014;348:g1464, published online March, 13, 2014

3. press release zu [2]

4. Margaret McCartney: Research press releases need better policing, BMJ 2014;348:g2868 doi: 10.1136/bmj.g2868 (Published 28 April 2014)

5. Poti et al.: The association of fast food consumption with poor dietary outcomes and obesity among children: is it the fast food or the remainder of the diet? Am J Clin Nutr January 2014vol. 99 no. 1 162-171/ Übergewicht bei Kindern: Fast-Food nicht allein »schuld«, aid-infodienst, 12.02.2014

6. Reitzel et al.: Density and Proximity of Fast Food Restaurants and Body Mass Index Among African Americans. American Journal of Public Health: January 2014, Vol. 104, No. 1, pp. 110-116. doi: 10.2105/AJPH.2012.301140

Quelle: EU.L.E. e.V.

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