Geopolitik am Kaukasus

EU und NATO greifen nach Georgien

Um den wirtschaftlichen und politischen Druck auf Russland zu erhöhen und die Energieimporte zu diversifizieren, ist Georgien zu einem geostrategischen Schlüsselland für die EU und NATO geworden.

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Die aktuelle Diskussion um die mögliche Visa-Freiheit für Georgier in die EU hat einen geostrategischen Hintergrund. Es geht nicht primär darum, ob man kulturell die Georgier als Teil Europas begreift oder aus humanistischen Gründen Georgien unbedingt an die EU binden möchte. Wenn dem so wäre, würde man ebenso um Armenien bemüht sein. Doch das ist man nicht.

Tatsächlich bemühen sich NATO und EU seit längerem um die Bindung Georgiens an den Westen. Dieser Schritt dient der geostrategischen Abkopplung Russlands von Europa und der Sicherstellung des westlichen Zugangs zu den Ressourcen des Kaspischen Beckens und Zentralasiens.

Nach Aserbaidschan über Georgien: Der goldene Weg zum Erdgas

Zwei Regionen sind für die Energieressourcen der Welt von entscheidender geopolitischer Bedeutung: der Persische Golf und das Kaspische Becken. Hier liegen für die EU die Alternativen zum russischem Erdöl und Erdgas. Denn das ist die grundlegende Intention der EU- und NATO-Politik in dieser Region: Man will von Importen aus Russland unabhängiger werden. Damit würde Russlands wichtigstes Exportgut an Bedeutung verlieren und die russische Wirtschaft geschwächt werden.

Bereits die Sowjetunion war in den 1980er Jahren erheblich geschwächt worden, als die Rohstoffpreise durch die wachsenden Exporte aus Saudi-Arabien fielen. Das hatte sogar Michael Gorbatschow zugegeben. Die fehlenden Deviseneinnahmen aus dem geschwächten Energieexport bei gleichzeig steigenden Kosten des Krieges in Afghanistan hatten die Führung der UdSSR in existenzielle Schwierigkeiten gebracht. Nun gibt es erneut eine einheitliche Front gegen Russland – von Medienbeeinflussung bis hin zu Sanktionen auf allen Ebenen.
 
Das größte Erdgasfeld der Welt liegt im Persischen Golf vor der Küste von Katar. Bislang muss das dort geförderte Erdgas in Flüssiggas umgewandelt werden, damit es mit Tankschiffen exportiert werden kann. Hauptabnehmer sind ostasiatische Staaten wie Südkorea und Japan. Denn diese Länder liegen abseits der wichtigen Pipeline-Netze und sind daher auf den Import von Flüssiggas angewiesen.

Doch Europa wäre für die Golfstaaten ein viel lukrativerer Abnehmer. Denn nach Europa könnte man das Erdgas schnell und günstig via Pipeline liefern – wenn das Regime des Assad in Syrien nicht im Wege wäre.
 
Problem: Solange in Syrien der Krieg tobt und im Irak das Chaos herrscht, bleiben die neuen Pipelines Theorie. Für Europa ist das Erdgas des neuen Verbündeten Aserbaidschan dafür umso bedeutender geworden. Denn auch im Kaspischen Meer vor der aserbaidschanischen Küste gibt es riesige Erdgasfelder. Dieses Erdgas soll via Pipeline nach Europa kommen. Und zwar durch Georgien.
 
Mit dem Erdöl klappt es bereits ganz gut. Die im Jahre 2005 in Betrieb genommene Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline (BTC-Pipeline), auch Transkaukasische Pipeline genannt, bringt das Erdöl von den Bohrtürmen am Kaspischen Meer durch Aserbaidschan, Georgien und die Türkei direkt bis ans Mittelmeer, wo riesige Tankschiffe warten. Sie bringen das kostbare Gut in die Häfen Europas.

Das Erdgas der kaspischen Region wird derzeit durch die 2006 in Betrieb genommene „Südkaukasus-Pipeline“, auch „Schah-Deniz-Pipeline“ genannt, vom aserbaidschanischen Baku über das georgische Tiflis nach Erzurum in Anatolien gepumpt. Der Plan ist, das Erdgas von dort über die „Transanatolische Pipeline“ (TANAP) durch die Türkei bis nach Europa zu bringen. Dort würde das Erdgas über die geplante „Trans Adriatic Pipeline“ (TAP) durch Griechenland und die Adria nach Italien gefördert und schließlich in die europäischen Netze eingespeist werden.

Diese Lösung ist die perfekte Umgehung Russlands. Und solange die Pipelineverbindung zum Persischen Golf nicht hergestellt werden kann, scheint es die einzig tragfähige Alternative zum russischen Erdgas zu sein.

Georgien sucht den Anschluss an den Westen um sich vor Russland zu schützen

Wenn Georgien Teil der EU würde, wäre es eine Enklave. Denn solange die Türkei durch die Politik ihres Präsidenten Recep Tayyib Erdogan sich den Weg in die EU endgültig zu verbauen scheint, gibt es keine direkte Landverbindung zwischen Georgien und der EU.

Dennoch geht es Schritt für Schritt in Richtung EU. Während die Briten über ihren Austritt nachdenken und in Westeuropa die EU-kritischen Parteien an Zustimmung gewinnen, suchen die Länder an den Grenzen Russlands die Nähe zu Brüssel. Immerhin ist Georgien bereits Mitglied im Europarat. Seit 2009 ist Georgien mit der EU über die „Östliche Partnerschaft“ verbunden.

Man kann den Drang der Georgier in die EU und NATO verstehen. In der Geschichte war das Land zwischen dem Russischen und Osmanischen Reich immer wieder aufgerieben worden. Dann wurde es Teil des Russischen Reiches und schließlich der Sowjetunion. Nun will man seine Unabhängigkeit auf jeden Fall behalten. Doch zu klein und isoliert ist das Land, als dass es neben den großen Nachbarn ohne Hilfe bestehen könnte.

Die Russische Föderation möchte dagegen ihren Einfluss auf Georgien wie überhaupt auf die kaukasische Region wahren. Auf jeden Fall will man eine Ausbreitung der NATO in dieses Gebiet aufhalten. Als Tor zu den Ressourcen Innerasiens ist die Region ein geopolitischer Dreh- und Angelpunkt.

Im August 2008 war es zum Konflikt zwischen Georgien und Russland gekommen. Es ging vor allem um die Region Südossetien aber auch um Abchasien am Schwarzen Meer. In Südossetien hatten sich Teile der Bevölkerung für eine Abspaltung von Georgien ausgesprochen und Milizen gebildet. Georgien hat militärisch geantwortet. Dies führte zum Eingreifen Russlands. Schließlich kam es zu Land- und Seegefechten zwischen den georgischen und russischen Streitkräften. Die russische Duma erkannte die Unabhängigkeit Abchasiens und Südossetiens an. Dies wurde international kritisiert.

Die EU, der Europäische Rat, die NATO und die OSZE mussten vermittelnd und schlichtend eingreifen. Seitdem sind internationale Beobachter vor Ort. Die Lage ist dauerhaft angespannt. Denn alle wissen, dass viel mehr auf dem Spiel steht als die Zugehörigkeit zweier kleiner Provinzen zu Georgien. Hier treffen die Interessen zweier Machtblöcke aufeinander.

NATO-Manöver in Georgien

Im Mai dieses Jahres hat es in Georgien ein zweiwöchiges Manöver der NATO in Georgien gegeben. Für Russland ist das eine Provokation: US-Panzer im Kaukasusgebiet auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion. Zusammen mit US-Soldaten und britischen Soldaten haben die georgischen Truppen den Verteidigungsfall im Falle einer russischen Invasion geübt. Hauptsächlicher Sinn des Manövers war Vorbereitung der georgischen Truppen auf einen Beitritt in die die NATO-Eingreiftruppe „NATO Responsive Force“.

Wie im Falle Schwedens ist die Taktik offensichtlich. Zwar wird das Land kurzfristig nicht Vollmitglied der NATO werden können, weil das zu provozierend für Russland wäre. Dafür lässt man das Land Schritt für Schritt an Teilbereichen der NATO partizipieren, so dass es schließlich wie ein Quasimitglied in die Geostrategie der NATO eingebunden werden kann. Das ist zwar auch provozierend für Russland, lässt sich aber international leichter als friedensstiftende Maßnahme verkaufen.

Auch am jüngsten NATO-Großmanöver „Anakonda“ in Polen sollten Truppen aus Georgien teilnehmen. Doch überraschender Weise sagte Georgien kurzfristig ab. Der offizielle Grund sei eine Pockenepidemie in den georgischen Truppen, hieß es. Die polnische Regierung zeigte sich verärgert. Doch vielleicht wurde es den georgischen Verantwortlichen zu ungemütlich. Groß ist die Gefahr, dass der Bogen der Provokationen gegen Russland überspannt werden könnte.


( Schlagwort: GeoAußenPolitik )

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: H.von Bugenhagen

Warum greift keiner nach Afrika ??? Ist doch viel größer und Sand Kostenlos.

Gravatar: G.Alf Knarf

So dämlich können selbst bundesrepublikaische Pseudo-Politiker nicht sein, als daß sie nicht erkennen könnten an welchem geplanten Verbrechen sie sich erneut beteiligen und auch die Notwendigkeit an Energie für diese BRD erklärt nicht allein die nach Ukraine,Syrien,etc.von dieser "westlichen Wertegemeinschaft mit USamerikanischer Führung und europäischen Vasallen und Lakaien" gezündeten Eskalationsstufe.
Natürlich geht es auch um Öl und Gas, doch auch das ist nur Mittel zum Zweck, ein Werkzeug für die auserwählte Elite um den großen Plan, die von ihnen dominierte uni-polare- Welt, voranzutreiben. Dafür müssen auch ausgeprägte Kollateralschäden, die natürlich nicht von USamerika und deren Auserwählten
zu tragen sind, in Kauf genommen werden.

Gravatar: Emmanuel Pracht

Eine weitere Annexion durch die EU.

Wenn man die EU-Auslegung die Krim betreffend zu Grunde legt.

Aber da hab ich sicherlich wieder etwas falsch verstanden.

Wohlan...

Gravatar: Rotwurst

@Anton Aman

Die EU ist auf dem Weg der inneren Zerstörung, was auch die Absicht der Erweiterung ist. Je größer diese EU wird, desto schwächer ist sie im Verhältnis zu den USA, die dann über ihre einzelnen Mini EU-Satelliten (baltische Staaten usw.) die gesamte EU-Politik kontrollieren können. Der gesamte Popanz um die angeblich russische Bedrohung dient genau dem Ziel.

Was mich aber wundert, dass das alte Kerneuropa es nicht erkennen will; es sei denn, die Marionetten sind bereits "gekauft".

Gravatar: ANTON  AMAN

Die EU-Politiker/in haben noch immer nichts dazugelernt,
nicht einmal nach dem BREXIT!
Auf Grund der fatalen EU-Politik der Frau Merkel hat sich
nun England verabschiedet, andere werden noch folgen!

Die ewige und hirnrissigeProvokation gegen Russland
geht weiter, bis es nicht mehr weitergeht!

Will die Frau Merkel aus Deutschland und Europa ein
Schlachtfeld, damit die USA endlich das erreicht, was sie
wollten?! Europa als Konkurrenz beseitigen, und was dann
noch übrig bleibt, mit erbeuteten Russland-ÖL-und GAS
versorgen?! Ist das, was sie will?!

Gravatar: Ein Bürger

Der Westen war entsetzt, weil das große böse Russland das kleine Georgien unter Druck setzte.

Russland war entsetzt, weil Georgien das viel kleinere Südossetien und Abchasien unter Druck setzte.

Es gibt immer Gründe, sich moralisch aufzuregen. Doch am Ende zählen nur die nackten politischen und wirtschaftlichen Interessen: Pipelines, Pipelines, Pipelines.

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