Erdogan polarisiert und spaltet die Türkei

Erdogan im Verfolgungswahn

Kurden, Armenier, Deutsche, Zionisten, Russen, Assad, liberale Auslandstürken, internationale Medien, Geheimdienste: Erdogan sieht sich und seine AKP verfolgt. Er polarisiert die Türkei.

Foto: Πρωθυπουργός της Ελλάδας / flickr.com / CC BY-SA 2.0 (Ausschnitt)
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Kaum eine Regierung zieht seit Monaten so viel Aufmerksamkeit auf sich wie die türkische der religiös-konservativen Partei AKP. Präsident Recep Tayyib Erdogan lässt kein Fettnäpfchen aus. Er holpert und stolpert. Mit seinen undiplomatischen Äußerungen sorgt er permanent für Schlagzeilen. Wo andere deeskalieren, polarisiert er. Er kann aus einer Fliege in der Suppe eine Staatsaffäre machen, wie der Fall der Böhmermann gezeigt hat.

Dabei spielen er und AKP-treue türkischen Medien Hand in Hand. Die Bevölkerung wird aufgeschaukelt. Es wird Stimmung gemacht. Der neueste Knaller war die wirre Behauptung in der Zeitung „Günes“, in welcher behauptet wurde, Deutschland stünde hinter den Attentaten in Istanbul. Diese Querverbindung zwischen Deutschland und der kurdischen PKK geistert als Verschwörungstheorie in den Köpfen vieler türkischer Politiker. Die Tatsache, dass die Kurden in Deutschland mehr Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit haben als in der Türkei, ist der Regierung in Ankara ein Dorn im Auge. Dabei vergisst sie, dass die PKK auch in Deutschland eine verbotene Organisation ist.

Kurdistan und Armenien – das sind die beiden wunden Punkte, die europäische Politiker nicht ansprechen dürfen, wenn sie mit der türkischen Regierung verhandeln oder in einem guten Kontakt bleiben wollen. Um das zu verhindern, arbeiten türkische Lobbyisten in ganz Europa. Doch auch die Kurden und die Armenier haben ihre Lobbyisten. Da werden europäische Politiker nicht selten in eine Zwickmühle manövriert, aus der es nur schwer ein diplomatisches Herauskommen gibt.

Die Armenien-Resolution des deutschen Bundestages war überfällig. Mit einer hysterischen Reaktion aus Ankara musste man rechnen. Nun stellt sich die Frage, was Erdogan konkret meint, wenn er harte Reaktionen gegen Deutschland als Antwort auf die Armenienfrage angekündigt hat. Der Bundestag hat auch hierzu bereits getagt und sich gegen diese Einmischung verwehrt.

Erdogan verspielt seine Narrenfreiheit

Lange schien der Westen Erdogan eine gewisse Narrenfreiheit eingeräumt zu haben. Man braucht ihn. Man ließ ihm seine Sprüche, über die Politiker anderer Länder längst gestolpert wären. Zu wichtig ist die Türkei. Ihre strategische Lage als Brücke zwischen Europa und Vorderasien, als Schutzmacht des Wasserweges vom Schwarzen Meer zum Mittelmeer, als europäischer Arm in das Krisengebiet des Nahen Ostens, als NATO-Bündnispartner an der Südwestflanke Russlands, als Transitland für Pipelines, die das Erdöl und Erdgas aus dem Kaspischen Becken nach Europa führen: Es gibt viele Gründe, weshalb man die Türkei braucht. Nicht zuletzt wegen der Eingrenzung des Syrienkrieges und der Aufnahme von Millionen Flüchtlingen.

Die US-Amerikaner halten die Türkei für einen unsicheren Bündnispartner. Während des Golfkrieges 1991 und des Irakkrieges 2003 wollten die Amerikaner militärisch vom Gebiet ihres NATO-Partners Türkei in den Irak vorstoßen. Doch die Türkei hatte sich verweigert. Also mussten die Amerikaner von Süden aus ihre Militäroperationen planen und Basen in Saudi-Arabien nutzen.

Auch die Haltung der Erdogan-Regierung gegenüber Russland bereitet den Amerikanern immer wieder Kopfzerbrechen. Unberechenbarkeit, wohin man schaut. Einerseits drohte die Türkei dem Westen mit einer freundschaftlichen Annäherung an Russland, was den Amerikanern missfiel, andererseits eskalierte oft genug die Situation zwischen Ankara und Moskau, dass man befürchten mussten, die Türkei bringt die NATO gegen Russland in eine gefährliche Bündnissituation. Man erinnere sich des Abschusses eines russischen Militärflugzeuges, das nur kurz den türkischen Luftraum gestreift hatte.

Erdogan fällt aus dem Raster der diplomatischen Höflichkeit

Eigentlich hatte sich die europäischen Massenmedien rhetorisch auf Russland und Wladimir Putin eingeschossen, hinzu kamen Ungarn mit Victor Orban und die konservative Wende in Polen. Doch Erdogan drängelt sich vor. Man kann ihn nicht übergehen. Zu ungeheuerlich sind seine Entgleisungen, dass selbst die der Türkei freundlich gesinnten Medien nichts anderes tun können, als eine Schlagzeile nach der anderen zu veröffentlichen. Erdogan bietet Stoff für Schlagzeilen.

Die Rhetorik des Erdogan lässt an dunkle Kapitel der europäischen Geschichte erinnern. Sein Vorwurf, die türkischstämmigen Politiker in Deutschland sollten einen Bluttest machen, damit man sehe, ob es in Wirklichkeit nicht Kurden seien, spricht Bände. Wann immer in Deutschland Beschlüsse gefasst werden, die auf die Problematik der Kurden und Armenier eingehen und die türkische Regierung ermahnen oder kritisieren, rastet die türkische Presse förmlich aus und erinnert an die Nazis und Hitler.

Die Eskalationen in der wutschnaubenden Rhetorik aus Ankara haben mehrerer Ursachen. Zum einen ist die innenpolitische Situation höchst instabil. Die Angst vor dem Terrorismus der PKK und des „Islamischen Staates“ (IS) wächst von Anschlag zu Anschlag. Die Stimmung im Parlament ist angespannt. Hinzu kommt eine andere Diskussionskultur, die deftiger und direkter ist, als man es von Mitteleuropa kennt. Unvergessen sind die sich in gewissen Zeitabständen wiederholenden Szenen von Schlägereien im türkischen Parlament. Hinzu kommt der Charakter Erdogans, der vor keiner Aussage zurückschreckt. Das Ausland zuckt dann zusammen, wie damals bei Erdogans Äußerung, der Zionismus sei ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Ist die Türkei ein verlässlicher Bündnispartner?

Der Weg der Türkei zu einem autoritären Staat ist längst eingeschlagen. Nachdem Erdogan den Machtkampf gegen den Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu gewonnen hat, ist der Weg zur Präsidialrepublik frei. Die Verfassungsänderungen, die Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit, die Aufhebung der Immunität der kurdischen Parlamentsmitglieder und die Polizeimaßnahmen im ganzen Land zeigen, wie sehr sich die Türkei von einer ordentlichen Demokratie entfernt.

Die Chance auf einen EU-Beitritt der Türkei rückt in weite Ferne. Selbst der Flüchtlings-Deal mit Angela Merkel könnte infrage gestellt werden. Doch die NATO ist auf die Türkei als Bündnispartner angewiesen. Besonders die USA legen Wert darauf, weil die Türkei ein Stationierungsort wichtiger Atomwaffen ist. Von Anatolien aus ist der Weg nach Russland nicht weit.

Die Türkei hat mit ihrer langen Grenze zu Syrien und zum Irak sowie mit der Aufnahme von mehr als 1,5 Millionen Flüchtlingen eine unangefochtene Schlüsselposition in der europäischen Flüchtlingspolitik inne. Der Türkei kommen viele Aufgaben zu, die sich Erdogan von Europa und speziell von Deutschland teuer bezahlen lassen wird. Die Visa-Freiheit für Türken, die nach Europa wollen, ist nur der Anfang. Wir müssen uns auf schwierige Zeiten in den deutsch-türkischen Beziehungen einstellen.

 

( Schlagwort: GeoAußenPolitik )

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Hermann Schulz

Vielleicht sollte man mal das "Fähnlein Fieselschweif" für ein paar Tage in die Türkei schicken.
Die türkische Armee und Polizei hat sich bis jetzt nur durch brutales Durchgreifen gegen Frauen, alte Männer und Kinder in türkischen Dörfern und gegen kritische Demonstranten im eigenen Land profiliert.
Ich denke, eine Woche dürfte einer Pfadfinder-Gruppe genügen um den Augias-Stall da unten auszumisten.
(Ursulas Kindergarten kommt nicht in Frage - wegen der hohen Politik und vor allem wegen kompletter Impotenz...)

Gravatar: Karl Brenner

Merkel und Erdogan passen gut zusammen.
Beide wurden unter G.W. Bush groß und verstehen sich hinter geschlossenen Türen offenbar prächtig. Ganz gleich, was sie der Öffentlichkeit vorspielen.

Der Unterschied ist:

Hinter Erdogan steht die Befökerung der Türkei geschlossen.

Die Merkel tut die ganze Zeit so, als wenn sie die Zustimmung der Bürger hat.
Vielleicht ein Fall von "Erich-Honecker-Syndrom"

Gravatar: Bernd

In dem Bericht heißt es die Türkei wird unbedingt gebraucht, für Dieses und Jenes. Es gibt den Spruch niemand ist unersetzlich, was auch für die Türkei gilt. Dem möchtegern Sultan würde ich damit drohen und es auch wahr machen allen Türken die in der EU leben die Aufenthaltsgenehmigung zu entziehen und diese binnen eines Monats zurück schicken. Mal sehen was der Großkotz dann machen würde, wenn plötzlich einige Millionen seiner Getreuen Einlass fordern.

Gravatar: RisingEuropeAgain

Ganz überwiegend richtige Analyse der Rolle der Türkei/des Erdogans in der Geopolitik!(...unter Einbeziehung des Kommentars von Stephan Achner noch vollständiger...)

Aber die Frage, die sich aus diesen Fakten ergibt, ist doch:
"Was machen wir (d.h. eine Nachfolgeregierung der jetzigen Merkel-Regierung, sobald diese abgewählt wurde) mit diesen Fakten? Wie soll man mit Erdogan umgehen?"

Jedenfalls ist klar, dass man sich nicht so weiter verhalten darf, wie es Merkel bisher getan hat!!! - m.E. muss eine zukünftige, neue, deutsche Regierung (in der EU oder auch mit Bündinispartnern àla "Österreich+Balkanstaaten") darauf drängen:
1.Die Souveränität der Außengrenzen wieder in die EIGNEN Hände zu bekommen (um weniger erpressbar zu sein).
2.Die Ideen des Herrn Kurz ("No Way"-Austria) aufzugreifen, um etwaige Erpressungsmigration umzuleiten...
3.Unmissverständlich klar machen, dass die Türkei KEIN Mitglied der EU werden kann (zumindest nicht, wenn Herr Erdogan & seine AKP weiter an der Macht bleiben).(Das wird natürlich eher zu einer Verfestigung der AKP-Macht in der Türkei führen, zusammen mit einem gewissen Isolationismus gegenüber dem Westen... Doch dies wird den "Status quo" der letzten Jahrzehnte einfach nur in die Zukunft fortschreiben, was prinzipiell das Beste ist, was Europa von der Türkei zu erwarten hat!)

Gravatar: Emmanuel Pracht

"Er kann aus einer Fliege in der Suppe"
Er ist die Fliege in der Suppe!

Wohlan...

Gravatar: Stephan Achner

"Nicht zuletzt wegen der Eingrenzung des Syrienkrieges ....": Das ist eindeutig falsch.

Erdogan ist einer der Hauptgründe, warum der Syrien-Krieg überhaupt entstanden ist, bis heute anhält und Millionen Flüchtlinge hervorgebracht hat. Die Erdogan-Türkei ist - von Obama ursprünglich "wohlwollend" gefördert - Aufmarschgebiet und Rückzugsraum für die IS-Terroristen und andere terroristische Gruppierungen in Syrien. Außerdem unterstützt Erdogan bis heute diese Terroristen logistisch und mit Waffen. Auch das von den IS-Terroristen in Syrien geklaute Rohöl wurde über die Erdogan-Familie in die Türkei verbracht und dort zu einem Spottpreis in die ganze Welt verschachert.

Ohne Erdogan gäbe es diesen seit Jahren dauernden Syrien-Krieg nicht und auch keine Millionen Flüchtlinge.

Erdogan wollte für seinen Traum von einem neuen osmanischen Gross-Reich in Syrien und auch im Irak Territorien militärisch erobern (via Terroristen) und ist damit aber grandios gescheitert - vor allem an Putins Entscheidung, Assad militärisch beizustehen. Diese Zusammenhänge findet man aber nirgendwo in der deutschen Mainstream-Presse und in der deutschen Politik, die Erdogan auch noch loben, was er denn alles für die syrischen Flüchtlinge tue, obwohl Erdogan selbst diese Flüchtlingsströme verursacht hat.

Gravatar: KIM

Erdogan ist ein Feind des Abendlandes - sein Einfluß muß extrem zurückgeschnitten werden - nicht in den Hintern kriechen, sondern auf den Tisch hauen - die Sprache versteht jeder Moslem Avanti AFD

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