Das Märchen von „Morgenmahl & Herzkasper”

Drohen ohne Frühstück Herzinfarkt & Herztod?

Schadet, wer das Frühstück weglässt, seinem Herz? I wo! In einer Studie, die das behauptet hat, wurden lediglich Korrelationen zu Kausalitäten umgedeutet.

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Ende Juli war es in fast allen Medien zu lesen: Wer das Frühstück weglässt, der schadet seinem Herz! Denn eine Studie der Harvard School of Public Health, die im renommierten Medizinjournal Circulation publiziert wurde 1, habe ergeben: Männer, die nicht frühstücken, haben ein um 27% erhöhtes Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden oder am Herztod zu sterben.

»Diese Beobachtungsstudie ist ein klassisches Beispiel für den Kardinalsfehler der Ernährungsforschung: Korrelationen werden zu Kausalitäten umgedeutet - also prinzipiell nichtssagende statistische Zusammenhänge werden als Ursache-Wirkungs-Beweis verbreitet«, erklärt Udo Pollmer, wissenschaftlicher Leiter des Europäischen Instituts für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften (EU.L.E. e.V.) – doch bewiesen ist nichts, denn selbst wenn die Zahlen stimmen würden: Ob das Nichtfrühstücken für das erhöhte Herzinfarkt-Risiko ursächlich verantwortlich ist oder typische, aber nicht erfasste Ursachen wie Schichtarbeit oder Stress – niemand weiß es!

Hinzu kommt, dass selbst diese wackligen statistischen Zusammenhänge nur...

...für Männer zwischen 45 und 82 Jahren gelten, die im Gesundheitswesen arbeiten – die errechneten Korrelationen sind allein deshalb für Rückschlüsse auf die Gesamtbevölkerung völlig ungeeignet. Darüber hinaus fehlt das aussagekräftigste Studienkriterium: die Gesamtsterblichkeit. Der Studie ist nicht einmal zu entnehmen, ob die Teilnehmer mit Frühstück länger gelebt haben oder die ohne morgendliches Frühstück. Selbst die Sterblichkeit durch Herzinfarkt wird nicht mitgeteilt, obwohl erhoben.

»Wenn die Sterblichkeit erfasst, aber nicht in der Studie erwähnt wird, werden die entscheidenden Daten bewusst verschleiert. Hier waren wieder Forscher am Werk, die statt wissenschaftlicher Information eine ideologische Mission verfolgten: das unter Ernährungswissenschaftlern gerne als ›wichtigste Mahlzeit des Tages‹ propagierte Frühstück mit neuem Gesundheitsglanz zu schmücken«, erklärt Pollmer. Und schaut man sich die zahlreichen Medienberichte an, so muss man konstatieren: die Mission ist ihnen geglückt. Mit dem vermeintlich objektivem und seriösem Absender »Harvard & Circulation« genießt die Studien-PR der Forscher bei den Redaktionen einen hohen Glaubwürdigkeitsvorschuss, sodass die lancierten Ergebnisse nicht ernsthaft hinterfragt werden.

Dabei geht es sehr schnell, den Wahrheitsgehalt und die Aussagekraft derartiger Ergebnisse aus epidemiologischen Untersuchungen zu überprüfen - Journalisten sollten den Verfassern der Studien-PR drei einfache Fragen stellen:

1. Handelt es sich bei der zugrunde liegenden Studie um eine Beobachtungsstudie (epidemiologische Untersuchung)? 

Lautet die Antwort »Ja«, dann lässt sich daraus kein ursächlicher Zusammenhang beweisen, egal wie verlockend die Botschaft der Pressemeldung sein mag. Kolportierte Forschungsergebnisse wie »Salami erhöht das Diabetesrisiko«, »Ballaststoffe verlängern das Leben«, »Obst & Gemüse schützen vor Krebs« sind meist nur statistische Spielereien, die einen ursächlichen Zusammenhang vorspiegeln sollen.

2. Wurde die Gesamtsterblichkeit erfasst & kommuniziert?

Lautet die Antwort »Nein«, dann fehlt dieser Untersuchung das entscheidende Argument, sozusagen der »harte Endpunkt« schlechthin. Denn selbst wenn die Nichtfrühstücker ein etwas erhöhtes Herzinfarktrisiko haben sollten, heißt das noch lange nicht, dass sie auch früher sterben. Einfach deshalb, weil es noch viel mehr Todesursachen gibt. Wer weiß, vielleicht ist bei der anderen Gruppe ja die Krebsrate höher? In der Harvarder Frühstücksstudie aber wurde nicht einmal die Sterblichkeit durch Herzinfarkt offengelegt. Solche Studien könnte man hart formuliert als »ideologischen Forschungsmüll« bezeichnen, der allenfalls dazu geeignet ist, Menschen grundlos zu verunsichern (am Rande erwähnt: Auch die Gesamtmortalität der weltgrößten Ernährungsstudie EPIC wird unter Verschluss gehalten).

3. Ist die Studie in einem offiziellen Studienregister angemeldet?

Lautet die Antwort »Nein«, dann sollte sich jeder kritische Journalist fragen: Warum haben die Forscher ihre Studie nicht angemeldet? Die Antwort lautet: Das ist bei Ernährungsbeobachtungsstudien gängige Praxis, weil damit »rein zufällig« die Studie in geradezu beliebiger Weise beim Zusammenschreiben manipuliert werden kann. Zu diesem Thema »Publikationsbias« hat jüngst Professor Gerd Antes, Direktor des deutschen Cochrane-Instituts und Leiter des deutschen Registers für klinische Studien in einem Gespräch auf telepolis klar gestellt: »Studien zu Ernährungsfragen können bei uns ebenfalls angemeldet werden. Allerdings macht das bislang fast niemand.«

Literatur

1. Circulation.2013; 128: 337-343 doi: 10.1161​ 

Quelle: euleev.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Dr. Klügel Landolfshausen

Ich bin im 86 ten, habe nie Margarine gegessen, aber öfter gesehen, wie sie hergestellt und die Zutatenliste je nach medizinischer Empfehlung häufig geändert wird. Auch das Frühstücksei habe ich nie verschmäht und auch nicht das Brötchen, am besten ein Wecken, weil es aufgetaut mir besser schmeckt als die aus dem fernen Osten importierten. Die Spinalstenose macht mir ab und an zu schaffen, konnte aber nicht mit BIO geheilt werden, auch nicht mit einer minimal invasiven OP von einem Professor.
mfg QDE

Gravatar: Andreas Schneider

Betrachte ich beim Wocheneinkauf das nervöse Herumhantieren so manches Zeitgenossen im Regal, verfolge (notgedrungen, wie sollte man dem entrinnen?) die Diskussionen um "schädliche Inhaltsstoffe", das Herumwühlen in der "Bio"-Auslage und dann das oftmals weltentrückt wirkende Gehabe an der Kasse, dann bin ich dankbar darum, dass mir dieser ganze Unsinn am Sitzfleisch vorbei geht: zu meinem Tagesbeginn gehören stets kräftige Portionen Cholesterin und Koffein. Und siehe da, abgesehen von zwei Knie-OP's, einem Armbruch beim Schulsport und einer Blinddarmentzündung habe ich mein Lebtag lang zwar "ungesund" gelebt, schreite aber ganz offenkundig um Einiges entspannter durch mein Dasein als diese o. g. Hektiker.

Und ich möchte wetten, dass deren Hysterie und Dauerangst ihnen viel schneller einen Herzinfarkt verschaffen wird als mir. Mögen diese Herrschaften sich derartige Studien um die Ohren schlagen. Dem Herzinfarktrisiko dürfte sie durchaus förderlich sein.

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