Symposion in Adenauer-Stiftung

Diskussion über Sterbehilfegesetz

Bei Patienten und Ärzten müssen Wissenslücken über die Möglichkeiten der Palliativmedizin geschlossen werden. Dann sinkt der Wunsch nach Suizid. Könnte eine gesetzliche Regelung überflüssig werden?

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Das Thema Beihilfe zum Suizid hatte keine Sommerpause, die Diskussion geht eigentlich ununterbrochen weiter. Doch jetzt geht langsam der Politikbetrieb in Berlin wieder los, und die Debatte erhält neuen Schwung. Pünktlich zur Beginn des Politikbetriebs hatte die Konrad-Adenauer-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Evangelischen Arbeitskreis der CDU zu einem Symposion »Sterbe(bei)hilfe – Tod auf Bestellung« eingeladen. Das Interesse beim Publikum war groß, nicht alle Besucher erhielten Sitzplätze.

Auf das Podium geladen war eine Mischung aus Theoretikern und Praktikern: Angelika Behm, Geschäftsführerin des Diakonie-Hospizes Wannsee, und der Internist Jürn von Stünzner-Karbe aus Briesen konnten aus ihren Erfahrungen im Umgang mit Todgeweihten und ihren Angehörigen berichten. Die Professoren Gerhard Seher (Strafrecht und Strafverfahrensrecht, Freie Universität Berlin) und Notger Slenczka (Systematische Theologie, Humboldt-Universität zu Berlin) trugen ihre Überlegungen zu dem Problemkreis vor.

Die Frage, über was eigentlich diskutiert wird, ist gar nicht einfach zu beantworten, wie Diskussionsleiter Matthias Kammann (Die Welt) hervorhob: Suizid soll nicht verboten werden, eine Pflicht zu leben will der Gesetzgeber nicht einführen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zielt vor allem darauf ab, den Tötungsorganisationen ihr Geschäft zu nehmen; an der Selbsttötung von Menschen sollen sie nicht verdienen. Wenn jemand einem anderen in einer Ausnahmesituation dabei hilft, sich zu töten, soll das straffrei bleiben.

Allerdings ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht konsequent durchdacht, kritisierte Seher. Denn die Frage, was mit ihm erreicht werden solle, sei nicht überzeugend dargestellt worden. Es heiße, es gehe um den Schutz des Lebens – doch dann sei der Entwurf inkonsequent, weil man eine Handlung strafbar mache wolle, nur weil sie gegen Entgelt erfolge. Aber dann müsse man jede Form der Beihilfe zum Suizid pönalisieren. Deshalb plädierte Seher dafür, das Strafrecht nicht zu bemühen, sondern vielmehr die Palliativmedizin zu stärken und dadurch den Wunsch von todkranken Patienten nach Selbsttötung zurückzudrängen.

Hier konnte sich Seher auf die Erfahrungen von Stünzner-Karbe und Behm berufen, die unisono bestätigten: Patienten, die den Tod vor Augen haben, denken oft an Suizid – und sie dürfen das auch. Aber so groß der Wunsch danach zunächst auch sein mag, schwindet er, sobald sie erfahren, welche Möglichkeiten die moderne Medizin heute bietet. Was die Patienten bedrückt, ist nicht die Angst vor dem Tod, sondern die Angst vor Schmerzen, Einsamkeit und dem Gefühl, anderen zur Last zu fallen.

Die Kurativmedizin hat dieser Angst wenig entgegenzusetzen, weshalb man die Patienten mitunter vor deren Eingriffen schützen muss. Bis hier ein entsprechendes Bewusstsein sich unter der Ärzteschaft entwickelt hat, wird allerdings noch einige Zeit vergehen, weil Ärzte erst die entsprechenden Fort- und Weiterbildungen absolviert haben müssen. Seit 2007 wird zwar die spezialisierte ambulante Palliativversorgung aufgebaut, aber im Bewusstsein von Ärzten und Patienten ist sie noch lange nicht verankert.

Dass das Argument von Befürwortern des Suizids – Selbstbestimmung und Autonomie – wenig überzeugend ist, wurde aus den Ausführungen Slenckas deutlich. Er erklärte, dass kein Mensch außerhalb sozialer Bezüge lebt, sich vielmehr stets innerhalb eines Netzes von Verpflichtungen bewegt.

Muss man überhaupt ein Gesetz verabschieden? Seher sagte: Nein, weil es lediglich eine sehr kleine Zahl an Fällen – Selbsttötung von Todkranken und Bilanzsuizid – erfassen würde. Er plädierte dafür, beides gesetzlich ungeregelt zu belassen. Doch Slencka verteidigte den Gedanken, ein entsprechendes Gesetz zu verabschieden. Hierbei handelt es sich mitnichten um den Schutz bestimmter weltanschaulicher Auffassungen über ethische Fragen. Sondern der Wert einer gesetzlichen Regelung besteht darin, sich anhand einer möglicherweise weltanschaulich grundierten Regelung Gedanken über relevante Fragen zu machen. Ein Gesetz drückt die Überzeugung der Gesellschaft zum Umgang mit Konflikten aus und erhält von daher seinen Sinn. Der Vorwurf, man wolle »moralistische Gesetzgebung« auf den Weg bringen, ist daher obsolet.

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Wenn ein Mensch die Palliativ-Medizin nicht will, geht dies die Religiösen nichts an. Selbstbestimmung gilt, nicht Gotteswahn. Ausserdem kann Palliativ-Medizin nicht in allen Fällen Schmerzen nehmen. Es gibt eine neue Sklavenhaltung, es sind die alten Menschen in den Heimen, denen man einen Suizid nicht gestattet, wegen Gottes-Wahn.

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