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Die Sage vom »bösen Cholesterin« und weitere Ernährungsmärchen

Kinder mit erhöhten Cholesterinwerten sterben früher – sagt man. Das ist natürlich Quatsch. Damit wird ausschließlich Angst bei besorgten Eltern verbreitet. Von Nikolaus Ott und Udo Pollmer.

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Die Angst vorm Cholesterin geht um: Nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder sollen sich vor Cholesterin fürchten, einem körpereigenen Stoff, der angeblich Arteriosklerose und Herzinfarkt und damit den »vorzeitigen« Tod herbeiführt. In den USA werden bereits die Blutfettwerte von Schulkindern gemessen und schon die Kleinsten vor dem Verzehr cholesterinhaltiger Lebensmittel gewarnt. Limo- und Wasserflaschen tragen den werblichen Aufdruck »no cholesterol«. Wer es wagt, Vollmilch, Eier oder Bacon zu kaufen, wird an der Supermarktkasse schief angesehen.

Die Zustände jenseits des großen Teichs drohen uns zukünftig auch hier in Deutschland. Welche absurden Blüten die Angst vor dem Cholesteringespenst treibt, lässt beispielhaft die Studie »No breakfast at home: association to cardiovascular disease risk factors in childhood« erkennen, an der auch deutsche Experten mitwirken durften. Darin behaupten die Autoren allen Ernstes, der Ort des Frühstückens hätte etwas mit dem Risiko zu schaffen, im Alter eine Herz- und Gefäßerkrankung zu erleiden: Diejenigen Kinder, die nicht am elterlichen Tisch frühstücken würden, hätten nämlich höhere Cholesterinwerte, sie seien dicker und noch dazu bewegungsfaul.

Natürlich werden diese Behauptungen gerade nicht von den Daten gestützt. Zunächst fehlt den meisten der untersuchten Parameter die statistische Signifikanz; soweit sie vorhanden ist, zeigt sie das typische Muster einer Zufallsverteilung. So ergeben sich weder beim Alter, noch beim Gewicht und auch nicht bei der Menge der Hautfalten irgendwelche Unterschiede zwischen den Frühstücks-Gruppen.

Statistische Zusammenhänge? Keine!

Bei der Körpergröße scheint es laut den Autoren bei den zwei- bis sechsjährigen Jungen und Mädchen statistisch signifikante Unterschiede zu geben: Bei denen, die nicht zu Hause frühstücken, sind sie am größten. Bei den sechs- bis zehnjährigen Jungen sind die »Manchmal-zu-Hause-Frühstücker« die größten, bei den Mädchen der gleichen Altersgruppe gibt es keine Unterschiede. Würde man den Einlassungen der Autoren Glauben schenken, so müsste sich die Körpergröße der Jungen durch die Wahl des Ortes der Frühstückseinnahme beeinflussen lassen. Was ein erfolgreicher Basketballer werden soll, sollte ohne Frühstück aus dem Haus geschickt werden.

Body-Mass-Index (BMI): Bei den Jungen gibt‘s keinerlei Zusammenhang mit dem Ort des Frühstücks, lediglich bei sechs- bis zehnjährigen Mädchen haben die Autoren eine Korrelation errechnet, die allerdings kaum der Rede wert ist. Mädchen, die zu Hause frühstücken, haben einen niedrigen BMI, solche, die manchmal zu Hause frühstücken einen noch niedrigeren. Frühstücken sie überhaupt nicht daheim, steigt der BMI wieder an. In allen drei Fällen liegt der BMI im sogenannten Normalbereich.

Taillenumfang: Die Unterschiede sind gering und es fehlt ein klarer Trend, ein nach gängiger Meinung »erhöhter« Wert kann in keiner Gruppe festgestellt werden.

Blutdruck: Der diastolische Blutdruck ist bei denen, die ihr Frühstück nicht zu Hause einnehmen, teilweise sogar niedriger. Entweder ist das Essen außer Haus »gesünder« oder die Abwesenheit ernährungsbewusster Mütter entspannender.

Gesamtcholesterin: Die »Außer-Haus-Frühstücker« glänzen mit den »besten« Werten. Die Werte liegen samt und sonders im Normalbereich.

HDL-, LDL-Cholesterin, Triglyceride und das Verhältnis von Gesamt- zu HDL-Cholesterin, sollen bei Außer-Haus-Frühstückern ungünstiger sein. Aber die Daten zeigen keinen klaren Trend.

Außerdem widmen sich die Autoren den »Risikofaktoren« für Herzkreislauf Erkrankungen bei Jungen:

Keinerlei statistisch signifikanter Zusammenhang besteht bei systolischem wie diastolischem Blutdruck, bei Gesamtcholesterin, bei LDL-Cholesterin, sowie beim Verhältnis von Gesamt- zu HDL-Cholesterin.

Auch bei anderen untersuchten Risikofaktoren löst sich nach statistischer Bereinigung der angebliche Vorteil des Zu-Hause-Frühstück in Luft auf.

Beim Taillenumfang und der Hautfalten-Dicke wird die Signifikanz nur mit Hängen herbeigewürgt.

Bei wichtigen »Risikofaktoren« schneiden die »Außer-Haus-Frühstücker« besser ab, zum Beispiel beim Gesamtcholesterin und dem systolischen Blutdruck.

Eine Spekulation, die Müttern Angst machen soll

Die Situation bei den Mädchen ist vergleichbar, wesentlich erscheint, dass es den Autoren nicht gelang, einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Frühstück und Übergewicht beziehungsweise Fettleibigkeit zu ermitteln. Dies ist umso erstaunlicher, als die Autoren mit aufwendigen statistischen Rechenkünsten versuchten, ihre Botschaft dennoch aus den widerspenstigen Daten herauszumelken.

Die Behauptung der Autoren, dass Kinder, die außer Haus frühstücken, sich weniger bewegen würden, ist genauso dubios. Die mitgeteilten Daten suggerieren Signifikanz, doch beträgt der Unterschied zwischen den »Gelegentlich-daheim-Frühstückern« und den »Immer-daheim-Frühstückern« am Tag weniger als eine Minute. Es gibt keine Möglichkeit, die Aktivität von Kindern auf die Sekunde genau zu bestimmen – ganz unabhängig davon, dass Bewegung ganz unterschiedlich praktiziert wird.

Gesundheitlich riskant ist die Behauptung, einem »hohen« Cholesterinspiegel müsse schon im Kindesalter Beachtung geschenkt werden, um im Alter einen Herzinfarkt vorzubeugen. Dazu gibt es keinerlei Daten – weil man dazu Kinder 80 Jahre lang hätte beobachten müssen. Es ist eine mutwillige Spekulation. Soweit zu Teilfragen Daten vorhanden sind, zeigen sie das Gegenteil. Gerade ältere Menschen mit höheren Cholesterinspiegeln leben länger als solche mit niedrigeren Blutfettwerten. Cholesterin ist ein lebenswichtiger Bestandteil des menschlichen Körpers, rund 10 bis 20 Prozent der Trockenmasse des menschlichen Gehirns bestehen aus Cholesterin. Der Cholesterinwert lässt sich im Übrigen bei den allermeisten Menschen über die Ernährung langfristig nicht beeinflussen.

Diese altbekannte Tatsache geht aktuell durch die US-Presse, nachdem das Dietary Guidelines Advisory Committee – das oberste Gremium für Ernährungsfragen in den USA – die Regierung aufforderte, ihre Warnungen vor Cholesterin in der Nahrung aufzugeben, da es in der wissenschaftlichen Literatur keinerlei Belege für eine solche Warnung gäbe. Siehe zum Beispiel: www.washingtonpost.com/blogs/wonkblog/wp/2015/02/10/feds-poised-to-withdraw-longstanding-warnings-about-dietary-cholesterol/

Siehe hierzu auch diesen Fernsehbeitrag www.youtube.com/watch mit einer Stellungnahme des damaligen Vorsitzenden des IQWiG-Instituts, welches wissenschaftliche Studien aus dem Bereich Medizin und Ernährung auf ihre Qualität hin überprüft.

Fazit: Die irrationale Cholesterinangst der Mütter zu benutzen, um Kinder Ernährungszwängen auszusetzen, kann getrost als perfide bezeichnet werden. Und das umso mehr als die präsentierten Daten der Idefics-Studie nur eine Aussage erlauben: Die Ergebnisse sind wertlos, die Darstellung weckt Zweifel an der fachlichen Kompetenz der Autoren.

Quelle: EU.L.E. e.V.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Berta Schmidt

Vielen herzlichen Dank !
Als Ernährungsberaterin mache ich mich immer wieder "unbeliebt", da ich mich nicht immer an Studien halte und auch über den Tellerrand schaue.

Vielen Dank für diesen Artikel!

Gravatar: Wolfgang Bretschneider

Dieses Thema hat Herr Professor Dr. Hartenbach, in seinem Buch " Die Cholesterinlüge " sehr anschaulich erklärt! Wer da Probleme hat, der könnte sich da gut informieren.

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