Aufhebung der Sanktionen

Die Rückkehr des Iran

Der Iran hat seine Atomauflagen erfüllt. Die USA und die EU beenden ihre Sanktionen. International sorgt dies für Erleichterung. Lediglich Israel und Saudi-Arabien sind nicht erfreut.

Federica Mogherini (li.), John Kerry. 30. September 2015. Foto: The European Union
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Der Iran habe seine Verpflichtungen und Auflagen zur Einschränkung des Atomprogramms erfüllt. Zu dieser Einschätzung ist die Internationale Atomenergiebehörde IAEA gekommen. Der US-Außenminister John Kerry und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini verkündeten, dass nun der Weg für die Aufhebung der Wirtschafts- und Finanz-Sanktionen frei sei.

Damit hat die lange Ära der Iran-Sanktionen ein Ende gefunden. Immer wieder war dem Iran vorgeworfen worden, an einem Programm zur Entwicklung von Atomwaffen zu arbeiten. Dies sei gegen den Atomwaffensperrvertrag, den der Iran unterzeichnet hatte, meinten die Kritiker. Der Iran hatte dagegen immer wieder bekräftigt, nur an einer zivilen Nutzung der Atomenergie interessiert zu sein. Insbesondere Israel, die USA und Saudi-Arabien hatten stets Besorgnis geäußert und zur Verhängung und Durchsetzung von Sanktionen gedrängt. Dagegen hatten Russland und China wiederholt Verständnis für den Iran gezeigt.

Der Iran hat lange unter den Sanktionen gelitten. Ein Jahrzehnt haben sie angedauert. Exporte von Rohöl und Erdgas nach Europa waren fast unmöglich geworden. Lediglich China blieb ein verlässlicher Abnehmer. Zudem musste das Land unter erschwerten Bedingungen mit Saudi-Arabien konkurrieren. Angesichts der niedrigen Ölpreise, die nicht zuletzt durch die gezielte Überproduktion Saudi-Arabiens hervorgerufen wurden, war die Lage der iranischen Exportwirtschaft besonders kritisch. Die Situation machte sich direkt beim Lebensstandard der Bevölkerung bemerkbar.

Nun freut sich die Wirtschaft in Europa auf neue Absatzmärkte und Chancen im Handel mit dem Iran. Das Land zwischen dem Persischen Golf und Kaspischen Meer hat mittlerweile eine Bevölkerung von 78 Millionen Menschen und dürfte in wenigen Jahren Deutschland an Einwohnerzahl überrundet haben. Im Gegensatz zu Saudi-Arabien ist der Anteil an beruflich ausgebildeten und intellektuell qualifizierten Frauen relativ hoch. In den 1970er Jahren waren noch zwei Drittel der Bevölkerung Analphabeten. Heute können mehr als 90 Prozent der Bevölkerung lesen und schreiben. In Ägypten sind es dagegen gerade einmal 70 Prozent.

Im Kontrast zur internationalen medialen Darstellung und zur staatlich-iranischen Propaganda ist die Bevölkerung des persischen Iran dem Westen und dessen Kultur gegenüber aufgeschlossener eingestellt als große Teile der benachbarten arabischsprachigen Welt oder die Menschen in den östlichen Nachbarländern wie Afghanistan und Pakistan. Besonders in den großen Städten wie Teheran oder Isfahan orientiert sich die Jugend mit Vorliebe an internationalen Trends, sei es bei Mode und Musik oder hinsichtlich des Lebensstils, auch wenn die Sittenpolizei nach wie vor ein Auge auf das Treiben der jungen Menschen hat und die Mullahs es gerne anders sähen.

Eine wirtschaftliche, politische und kulturelle Annäherung zwischen Europa und dem Iran böte die Chance, die Brücke zwischen islamischer Welt und dem Westen wieder zu erneuern und den jungen Menschen neue Vorbilder zu bieten – und zwar andere als die salafistische-wahhabitische Szene in Saudi-Arabien oder die Muslimbrüder in Ägypten. Da die meisten Iraner Schiiten sind und von den Taten der radikal-sunnitischen Terrorgruppen wie dem „Islamischen Staat“ (IS) in Syrien und im Irak entsetzt sind und zudem den moderateren schiitischen Süden des Irak unterstützen, sind sie von der aktuellen Fundamentalismus-Welle vieler anderer islamischer Staaten verschont. Im Gegenteil: Mehr als drei Jahrzehnte unter dem Regime der Mullahs scheinen Teile der Bevölkerung religionsmüde gemacht zu haben. Man sehnt sich nach Auflockerung der strengen Regeln und nach mehr Liberalität.

Kritik an der Aufhebung der Sanktionen

Aus Israel und Saudi-Arabien waren, wie zu erwarten, kritische Stimmen zu vernehmen. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu wies darauf hin, dass der Iran weiterhin den Nahen Osten zu destabilisieren versuche und den Terrorismus finanziere. Israel werde sich weiterhin alle möglichen Maßnahmen vorbehalten, um die eigene Sicherheit zu gewährleisten.

Zu den kritischen Stimmen in Deutschland gehört unter anderen auch die europaweite Kampagne „Stop the bomb“. In einer Presseerklärung vom 17. Januar erklärte die Sprecherin der Kampagne, Ulrike Becker, der Atom-Deal sei ein Konjunkturprogramm, das Irans Nuklearprogramm institutionalisiere. Nach dessen Ablauf, so die Sprecherin, würde der Iran trotzdem die Zugaben für eine Nuklearbombe haben. Die iranische Regierung würde nach Aufhebung der Sanktionen nur noch mehr Milliarden zur Finanzierung von Terrorismus und dem Krieg in Syrien erhalten.

Der Vizepräsident des European Jewish Congress, Ariel Muzicant, habe bereits vor einigen Monaten darauf hingewiesen, dass Unternehmen mit Nachteilen für ihre Reputation und wirtschaftliche Klagen rechnen müssten, wenn sie Geschäfte mit dem Iran machten, weil sie somit den Terror mitfinanzieren würden. Der wissenschaftliche Direktor von „Stop the Bomb“, Stephan Grigat, hat zudem klargestellt, dass das Regime in Teheran sich hinsichtlich der Menschenrechte keineswegs gebessert habe. Vielmehr gebe es aktuell große Verhaftungs- und Hinrichtungswellen.

Allerdings spiegelt diese kritische Sichtweitweise nicht das andere Bild wider, nämlich wie die USA und Europa jahrzehntelang mit Irans Gegner Saudi-Arabien Geschäfte gemacht haben, das ebenso an der Verbreitung des islamischen Fundamentalismus großen Anteil hat. Viele Saudis finanzieren über dubiose Geldkanäle den islamistischen Terrorismus. Außerdem geht Saudi-Arabien hart gegen politische Oppositionelle vor und verhängt regelmäßig grausame Todesstrafen gegen Regimegegner.

Zwischen Saudi-Arabien und dem Iran besteht seit Jahrzehnten eine Art Kalter Krieg. Während der Iran Schiiten und Alawiten in Syrien und im Libanon sowie die Schiiten im Irak und im Jemen unterstützt, greift Saudi-Arabien Partei für verschiedene sunnitische Gruppieren im Nahen Osten. Beide Länder sind zudem die größten Rivalen und Konkurrenten um die Vorherrschaft am Golf und auf dem Ölmarkt. Saudi-Arabien hatte seit der iranischen Revolution den Vorteil, vom Westen unterstützt zu werden, während der Iran sich durch den Sturz des Schahs mit dem Westen verworfen hatte.

USA und EU geben den Ton an

Doch entscheidend für die Nachhaltigkeit der Beendigung der Sanktionen und der möglichen wirtschaftlichen Zusammenarbeit sind die Positionen der USA und EU. In Europa gibt es seit längerem Stimmen, die ein Ende der Sanktionen forderten, nicht zuletzt deshalb, weil man sich wirtschaftliche Vorteile mit dem Iran als Handelspartner erhofft. Schon jetzt hat der Iran angekündigt, Flugzeuge des Luftkonzerns Airbus für seine Zivilluftfahrt kaufen zu wollen. Einige europäische Manager sehen in der Entwicklung positives Potential für die europäische Konjunktur.

In den USA sind zwar die Stimmen der Regierung und auch mehrheitlich der Presse über die Aufhebung der Sanktionen erfreut, doch gibt es dort auch laute Gegenstimmen. Insbesondere Politiker der Republikaner kritisieren das Nachgeben gegenüber dem Iran. Einige Republikaner haben bereits geäußert, dass sie sich für eine Änderung der Politik einsetzen wollen, damit Washington wieder eine härtere Gangart mit Teheran umsetze. Doch bis jetzt scheinen diese Stimmen in der Minderheit zu sein. U.S. Secretary of State, John Kerry, feiert indes die aktuelle Entwicklung als Erfolg der Diplomatie.

Eine schwerwiegende Folge der politischen Entscheidung könnte ein weiterer Preisrutsch bei den Ölpreisen sein. Denn der Iran könnte nun wieder frei exportieren. Saudi-Arabien wird mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer weiteren Förderungssteigerung reagieren, um damit den Preiskrieg zu eskalieren und die anderen Ölländer zu schwächen. Dies wäre auch ein Problem für Russland. Der Iran hatte bereits angekündigt, die neue Situation zu nutzen, um die eigene Wirtschaft zu diversifizieren, damit mit man nicht mehr von Ölpreis abhängig sei – eine Strategie, die auch schon Waldimir Putin für Russland verkündet hatte. Sollten der Iran und Russland es mittelfristig schaffen, sich vom Erdöl- und Erdgasexport unabhängiger zu machen, hätten sie aus der Not eine Tugend gemacht.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Alfred

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Die Sanktionen sind wieder aufgenommen worden. Die NATO-Diktatur hat bei den Iranern die Raketenentwicklung in der Suppe gefunden. Israel ist wieder hocherfreut und rüstet weiter auf.... ohne Sanktionen. So ist es nun mal in der NATO-Welt.

Gravatar: Birgit

Zitat: "Außerdem geht Saudi-Arabien hart gegen politische Oppositionelle vor und verhängt regelmäßig grausame Todesstrafen gegen Regimegegner." Das tut der Iran auch, insbesondere gegen Christen. Er unterstützt die Hamas und die Hisbollah und hat sich die Vernichtung Israels auf die Fahnen geschrieben. Was, bitte, ist am iranischen Regime besser als an Saudi-Arabien?

Gravatar: egon samu

Das ewig grinsende Honigkuchenpferd soll mich als Bürger Europas vertreten?
Nur weil sie eine Frau ist?
Oder weil sie linksextreme Ansichten hat?
Nur weil sie brav den transatlantischen Vorgaben folgt?
Ich protestiere mit allem Nachdruck!

Gravatar: KIM

Alle Islamisten lügen - ihr Ziel bleibt die Weltherrschft. Nach P. Scholl-Latour heißt ein Sprichwort bei ihnen : "Die Hand, die du nicht abhacken kannst, mußt du küssen" - - bis du sie abhacken kannst, natürlich. Frau Mogherini hat als Kommunistin über das Verhältnis von Islam und Demokratie promoviert- sie steht in einer Reihe der Islamförderer mit Prodi und Solana - und die Amerikaner wissen gar nicht, was Islam ist. Und wir Blöden laufen alle mit !

Gravatar: Karin Weber

Jetzt können die Amerikaner nachziehen und ihren Atomwaffenmüll aus Deutschland schaffen. Damit unterstützen sie Merkels Atomausstieg, der sonst vollkommen unglaubwürdig wird.

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