EZB und Schuldenkrise

Die Eine-Billion-Euro-Spritze

Die Gedankenspiele der EZB zum Ankauf von Staatspapieren und anderen Titeln sind bislang noch sehr vage. Doch allein das Volumen des Programms – eine Billion Euro – ist alarmierend.

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Die Zahl ist geradezu absurd hoch: Eine Billion Euro entspricht rund der Hälfte der gesamten deutschen Staatsschuld oder rund zehn Prozent der Staatsschulden der gesamten Eurozone. Diese Summe könnte die EZB – einer Simulation zufolge – jährlich in Staatsanleihen und andere Schuldtitel investieren. Das offizielle Ziel: Die derzeit niedrigen Inflationsraten von 0,5 Prozent wieder in die Höhe zu treiben – zumindest in die Nähe des EZB-Ziels von 2,0 Prozent. EZB-Präsident Draghi sprach von Einstimmigkeit im EZB-Direktorium, »unkonventionelle« Maßnahmen zu ergreifen, um die Inflationsraten wieder zu steigern. Allerdings haben die Äußerungen von Draghi Anfang April mehr Fragen hervorgerufen als beantwortet.

Da ist zunächst die einfache Frage, welche Papiere die EZB überhaupt kaufen soll. Zur Diskussion stehen Asset-Backed-Securities (ABS), also Wertpapiere, die mit Forderungen wie Hypotheken, Autokrediten oder Kreditkarten-Schulden besichert sind. Kaufte die EZB ABS, müsste sie sich nicht dem Vorwurf der verbotenen Staatsfinanzierung aussetzen. Allerdings ist der Markt relativ klein. Im Jahr 2012 wurden ABS für rund 250 Milliarden Euro emittiert – viel zu wenig, um eine Billion zu erreichen. Ein weiteres Hindernis: ABS sind zu komplex und zu intransparent. Nicht zuletzt haben sie eine negative Rolle während der Finanzkrise ab 2007 gespielt. Daher haben sich auch die übrigen Notenbanken wie die Fed (USA), die Bank of England und die Bank of Japan bei ihren Anleihekäufen auf Staatspapiere konzentriert.

Noch viele Fragen offen

Draghi signalisierte Anfang April, dass sowohl Anleihen privater als auch öffentlicher Schuldner angekauft werden könnten. Allerdings ist der Ankauf von Staatsanleihen rechtlich schwierig. Bislang kaufte die EZB Staatsanleihen nur auf dem Zweitmarkt und nicht direkt von den Staaten. So umging sie das Verbot der direkten Staatsfinanzierung. Des Weiteren tut sich die Frage auf, von welchen Staaten Anleihen erworben werden sollen. Wenn die EZB proportional nach der Größe der Mitgliedsländer kaufen würde, entfiele mehr als die Hälfte der Anleihen auf Deutschland und Frankreich. Auch dies war beim Vorgängerprogramm OMT anders. Das OMT ließ nur den Ankauf von Schuldtiteln zu, wenn der jeweilige Staat bereits unter den Euro-Rettungsschirm geschlüpft war und sich auch den geforderten Strukturreformen unterzog – zielte also primär auf die Krisenländer ab.

Der Effekt des enormen Ankaufsprogramms ist keineswegs klar. Laut Zeitungsberichten könnte ein Ankauf von Wertpapieren in Höhe von einer Billion Euro pro Jahr die Inflationsrate um 0,2 bis 0,8 Prozent in die Höhe treiben. Ob eine derart geringe Steigerung der Inflationsrate die damit einhergehenden Risiken rechtfertigt, ist mehr als fraglich.

Zinsen für Staatsanleihen der Krisenstaaten fallen

Obwohl das neue Programm weder feststeht – geschweige denn in Kraft ist – hat es bereits Wirkungen. Beispielsweise fielen die Zinsen fünfjähriger spanischer Anleihen erstmals seit 2007 wieder unter die Zinsen ihrer US-amerikanischen Äquivalente. Die Zinsen für italienische Anleihen mit zehnjähriger Laufzeit fielen auf ein Achtjahrestief. Damit nähert sich die Euro-Zone wieder der Situation wie vor Ausbruch der Schuldenkrise. Das Zinsniveau ist für alle Staaten – unabhängig von der Bonität – niedrig. Diese Politik ist allerdings gefährlich. Hat doch gerade die Verfügbarkeit von zu viel Kapital in verschiedenen Staaten wie Irland oder Spanien zu Blasen geführt.

Es ist möglich, dass die EZB nur auf die öffentliche Wirkung der Gedankenspiele abzielt und eine Umsetzung nicht ernsthaft erwägt. Allein eine solche Ankündigung hat Auswirkungen auf die Zinsen von Staatsanliehen wie spanischen und italienischen Titel zeigen. Außerdem hat beim Vorgängerprogramm OMT aus dem Jahr 2012 auch die bloße Ankündigung genügt, um die Märkte zu beruhigen. Bislang wurde unter dem OMT noch keine einzige Anleihe aufgekauft.

Deflation wäre problematisch für die Schuldenstaaten

Ein weiterer möglicher Grund für die erneuten Ankaufspläne: Eine Deflation wirkt sich doppelt negativ auf die überschuldeten Staaten aus. Einerseits ist Wirtschaftswachstum ein wichtiges Mittel, um die Schuldenquoten zu reduzieren, da die Schulden üblicherweise relativ zur Wirtschaftsleistung gemessen werden. Außerdem verlieren mit steigender Inflation die Schulden relativ an Wert. In einer Deflation sinken Löhne, Preise, Wirtschaftsleistung und damit auch die Steuereinnahmen des Staates. Die Schuldenlast bleibt aber konstant. Schon aus diesem Grund kann die EZB kein Interesse an einer zu niedrigen Inflation haben. Das Interesse der überschuldeten Staaten ist eine möglichst hohe Inflation mit möglichst niedrigen Zinsen, um ihre Schuldenlast möglichst schnell zu reduzieren.

Insgesamt wirkt die Deflationsgefahr als Begründung für eine solch drastische Maßnahme vorgeschoben. Welche Motivation auch immer hinter den EZB-Plänen steckt. Eine Umsetzung ist höchst problematisch. Auch wenn die Anleihen proportional zur Größe der Staaten angekauft würden, bedeutet dieser Schritt eine weitere Vergemeinschaftung von Risiken.

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