Der Iran, die Atombombe und der Mut zur Freiheit

Was bedeutet Opposition in einem Land, das von religiösen Fanatikern regiert wird, die keine Skrupel haben, Menschen ohne Anklage oder Prozess verhaften, foltern, töten zu lassen?  In dem jeder Teilnehmer einer Demonstration sein Leben riskiert?  In dem unbewaffneten Zivilisten, die ihre Freiheit fordern, hunderttausende von militärisch ausgebildeten und entsprechend bewaffneten Revolutionsgardisten gegenüber stehen? In dessen Haftanstalten Gefangene durch das Wachpersonal vergewaltigt werden?

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Und welche Konsequenzen wird es haben, dass dieses Land durch seine gewaltigen Erdölvorkommen weltweit wirtschaftlich relevant ist und sein Regime gleichzeitig durch sein Streben nach nuklearer Bewaffnung und seine unmissverständliche Kriegsrhetorik eine Bedrohung für den Frieden im Nahen und Mittleren Osten, möglicherweise für den Frieden auf der ganzen Welt darstellt? Und können Europäer dieser Bedrohung begegnen und dem iranischen Volk helfen, in dem sie von hier aus die Oppositionsbewegung im Iran unterstützen? 

Der Unternehmensberater Helmut Gabel will es zumindest versuchen.  Nicht nur betreibt er das Internetportal „mehriran.de“, er hat auch am 19. Februar 2010 eine Konferenz unter dem Motto „Die Menschenrechte im Iran – Unterstützung der Zivilgesellschaft aus Europa“ organisiert.  Gemeinsam mit dem Moderator Dr. Carsten Wieland, der als Journalist bereits aus dem Bosnienkrieg berichtet hat, haben die zu diesem Thema eingeladenen Experten einem interessierten Publikum einen Einblick in die Lage im Iran und die Hintergründe des Regimes und der aktuellen Protestbewegung gegeben.  Zu den Referenten gehörten der im Iran aufgewachsene Soziologe Dr. Wahied Wahdad-Hagh, die im Iran geborene Publizistin Saba Farzan, der iranische Religionswissenschaftler Dr. Seyed Mostafa Azmayesh und der Sprecher der Iran-Koordninationsgruppe von Amnesty International, Dieter Karg.

Islamistische Ideologie und Propaganda

Dr. Wahdad-Hagh erklärte zunächst das Wesen der iranischen Regierung unter Führung von Präsident Mahmud Ahmadinedschad, für das in seinen Augen vor allem folgende Elemente charakteristisch sind: Führerprinzip, islamistische Ideologie und Propaganda, totalitäre Organe wie der Wächterrat und der Geheimdienst sowie Massenbewegungen und Massenmobilisierungen. Auch der Revolutionsexport im „Namen der Unterdrückten des islamischen Widerstandes“ und die geschlechtsspezifische Verfolgung von Frauen sind für den Iran typisch.    

Eine demokratische Zukunft?

Die Proteste der vergangenen Monate, denen das Regime selbst durch die Anwendung brutalster Gewalt nicht Herr werden konnte, wurden anschließend von Frau Saba Farzan als „Revolution“ eingestuft. Sie sieht die iranische Zivilgesellschaft auf dem Weg in eine demokratische Zukunft.  Ausschlaggebend sind dabei für sie vor allem drei Bereiche:  Das Internet, über das sich die Oppositionellen austauschen und über das allen Zensuranstrengungen zum Trotz weiterhin Informationen in die ganze Welt gelangen, die Untergrundmusikszene und Anzeichen einer sexuellen Revolution.           

Dieter Karg sah sich allerdings gezwungen, darauf hinzuweisen, dass sich die Situation der Menschen im Iran sein den Wahlen im vergangenen Jahr erheblich verschlimmert hat. Diese Einschätzung spiegelt sich auch im Titel seines Beitrags „Von der scheinbaren Demokratie zur offenen Unterdrückung“.  Er erläuterte, dass alle demokratischen Elemente des Regimes eine Illusion sind und schon immer waren.  Der Wächterrat beispielsweise unterlag noch nie einer demokratischen Kontrolle. Allerdings gab es geringe Auswahlmöglichkeiten innerhalb der bestehenden Verhältnisse.  Durch die Verfälschung von Wahlergebnissen im vergangenen Jahr sind jetzt selbst diese verschwunden. Dadurch sind auch Menschen, die eigentlich Vertreter des Regimes waren, aber abweichende Vorstellungen über dessen Gestaltung hatten, in die Opposition gedrängt worden.

Der Glaube an den 12. Imam

Danach ging Dr. Azmayesh auf die in Europa wenig beachteten, religiösen Komponenten der inneren Konflikte im Iran ein.  So zählen die derzeitigen Herrscher des Irans zu den imamitischen Schiiten, jenen schiitischen Moslems, die auf die Wiederkehr des Muhammad al-Mahdi, des verborgenen 12. Imam glauben.  Der schiitischen Lehre nach wird der Imam dann zurückkehren, wenn auf Erden Chaos und Bürgerkrieg herrschen und der Menschheit Erlösung bringen.  Die Verfassung des Iran von 1979 nennt den zwölften Imam als eigentliches Staatsoberhaupt, in dessen Vertretung der Klerus regiert.  Einige Anhänger dieser Lehre gehen in ihrer Interpretation so weit, dass sie es als ihre Aufgabe betrachten, den Zustand von Chaos und Krieg herbeizuführen.  Die islamische Minderheit der Sufis (Derwische); die den Dschihad allein als Kampf jedes Einzelnen um sein Seelenheil und nicht als Aufforderung zum Krieg sehen, und außerdem die Meinungsführerschaft der Ayatollahs in Frage stellen, ist daher im Iran noch einmal besonderer Verfolgung ausgesetzt.             

Optionen des Westens

Einig waren sich die Referenten und wohl auch die Mehrzahl der Konferenzteilnehmer, dass die  iranische Opposition, in ihrem Kampf für mehr Demokratie und Menschenrechte unterstützt werden sollte.  Die Vorschläge reichten in diesem Zusammenhang von wirtschaftlichen Sanktionen einschließlich eines Benzinembargos und einer Ausweitung ausländischer Rundfunkprogramme wie der „Deutschen Welle“ bis hin zum militärischen Präventivschlag.  Die Ansichten hierzu waren geteilt.  Saba Farzan plädierte zum Beispiel dafür, ein Benzinembargo in Erwägung zu ziehen.  Denn trotz seiner reichen Erdölvorkommen muss der Iran 40 Prozent seines Treibstoffsbedarfs aus dem Ausland importieren, da er nicht über ausreichende Raffinerien verfügt. In ihren Augen sollten alle denkbaren nichtmilitärischen Maßnahmen ergriffen werden, um eine Atombombe in der Hand einer Militärdiktatur zu verhindern und die Unterdrückung des iranischen Volkes zu beenden.  Für eine Bombardierung der Atomanlagen müsste man allerdings ihrer Ansicht nach das Land in Schutt und Asche legen, was sie nicht befürworten will.  

Selbst einen gezielten Schlag gegen die paramilitärischen Revolutionsgarden, eines der wichtigsten Machtinstrumente der Ayatollahs, möchte sie jedoch nicht vollkommen ausschließen. Die auch die Politik und die Wirtschaft kontrollierenden Revolutionsgarden seien nicht besonders beliebt in der iranischen Bevölkerung, so Farzan. Sie müssten entwaffnet werden, damit der Iran eine freie und friedliche Zukunft haben kann.  Bestraft sehen will sie aber nur die obersten Führungskräfte – die niedrigen und mittleren Dienstgrade sollten nach einem Regimewechsel in das klassische Militär integriert werden, um kein zusätzliches Sicherheits- und Stabilitätsrisiko darzustellen.  Am militärischen Charakter des iranischen Atomprogramms hat sie keinen Zweifel.

Die hat auch Dr. Wahdad-Hagh nicht.  Er ist jedoch weit weniger optimistisch, was die Zukunft der Oppositionsbewegung betrifft.  Dabei verweist er auf die gewalttätigen Reaktionen des Regimes und auf Prognosen, die bei einem Krieg gegen den Iran von 38 Millionen Toten im Iran allein ausgehen.  Bereits jetzt versucht die iranische Regierung Selbstmordattentäter zu rekrutieren.  Nicht nur im Iran, sondern über das Internet auch in Europa und weltweit.  Angeblich haben sich schon 40.000 Freiwillige gemeldet. 

(Foto: Redaktion)          

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Isabel Henriques

Ich schieße mit den Kommentaren von Maxim, Sven und Roland an. Gut zu wissen, dass nicht alle Menschen sich von politische Propaganda und Hetzerei verblenden lassen!
Viele Grüße an den drei vernünftigen Herren,
Isabel Henriques

Gravatar: maxim

leider ist das wirklich nix viel mehr als der bekannte, immer wieder neu aufbereitete beitrag und DER bombe.

schade, denn der iran ist es wert, dass wir viel differenzierter als bisher über ihn berichten.

ohne zweifel steht der iran im 31. jahr der islamischen revolution vor immensen innenpolitischen aufgaben, aber expansionsgelüste entbehren bisher jeder grundlage.


nach mehr als 30 jahren konfrontationskurs ist ein paradigmenwechsel nötig.

waren die iraner nicht bis 1979 unsere treuesten verbündeten im nahen osten?
können sie wieder werden.

Gravatar: Sven Mintel

Angenommen, ich wäre Staatsoberhaupt in einem Land, welches jederzeit damit rechnen muss, auch aus an den Haaren herbeigezogenen Gründen von den Truppen des Westens besucht zu Werden, was würde ich tun?

Ich würde wohl viel Aufwand darin stecken, eine Atombombe zu Bauen, denn es scheint, als wäre dies das Einzige, was den Westen wirksam von unerwünschten Besuchen abhält.

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