CDU-Steuerpolitik: Fair enden statt fair ändern?

Dr. Georg Alfes geißelt den Niedergang des CDU-Reformeifers in der Steuerpolitik.

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CDU-Programm unter der Lupe: Steuerpolitik (Teil 10)

Die Gefahr bei einem Wortspiel liegt immer darin, dass man es übertreibt. Möglicherweise ist die CDU diesem Risiko bereits selbst erlegen – damals, 2003, bei ihrem legendären Leipziger Parteitag: „Deutschland fair ändern“ hieß ihr Leitantrag, der unter anderem zu einer Totalrevision des Einkommensteuerrechts aufrief. „Das gegenwärtige Einkommensteuergesetz ist nicht mehr reformfähig. Es wird deshalb aufgehoben und durch ein vollständig neu formuliertes Einkommensteuergesetz ersetzt, das den Fundamentalprinzipien der Verständlichkeit und der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit entspricht“, so der Beschluss aus der Frühzeit der Merkel-Ära. Zweierlei wollte die CDU damit deutlich machen: Dass sie die Bundesrepublik verändern will, und dass dies auf faire Art und Weise gesche-hen soll. Wenn man um die programmatische Entwicklung der Union seit jenen Tagen weiß, kommt einem heute eher der Begriff „fair enden“ in den Sinn. Überspannt man mit dieser Weiterführung des Wortspiels den Bogen nun endgültig? Mag sein. Die folgenden Ausführungen sollen als Rechtferti-gung dafür dienen, es dennoch zu tun. Falls Sie gleichwohl nicht einverstanden sind, nutzen Sie bitte die Kommentarfunktion.

Zunächst muss man in aller Klarheit feststellen, dass die Union steuerpolitisch mittlerweile tatsächlich „verendet“ ist. Bereits der Einstieg in die schwarz-gelbe Koalition ließ nichts Gutes erwarten: Statt eines Systemwechsels oder auch nur einer allgemeinen Steuersenkung vereinbarten die Koalitionäre 2009 lediglich, den reduzierten Mehrwertsteuersatz auch auf Beherbergungsleistungen auszuweiten. Damit wurde die Tonlage für die gesamte Legislaturperiode gestimmt. Seither wird Minister Schäuble nicht müde, darauf hinzuweisen, dass für eine generelle Absenkung des Besteuerungsniveaus „derzeit kein Spielraum“ und für grundlegende Reformen „jetzt nicht der richtige Augenblick“ sei. Die einzige nennenswerte Maßnahme dieser Regierung neben dem „Steuergeschenk für reiche Hoteliers“ (O-Ton Opposition) besteht denn auch in einer Abflachung der kalten Progression. Davon profitieren in der Tat vor allem Geringverdiener, insofern die Sprünge im linearen Steuertarif niedrige Einkommen prozentual höher belasten als Besserverdiende. Gleichwohl haben die Betroffenen die durchgeführten Korrekturen kaum zur Kenntnis genommen, und das nach ursprünglicher Unionsmeinung „nicht mehr reformfähige“ Einkommensteuerrecht besteht weiterhin fort.

Das Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013 lässt hier auch keine Änderungen erwarten: „Wir wollen die Leistungsträger in der Mitte unserer Gesellschaft weiter entlasten. Dazu wollen wir die sogenannte kalte Progression abbauen. Das sorgt dafür, dass Lohnerhöhungen, die lediglich dem Ausgleich von Preissteigerungen dienen, nicht mehr von einem höheren Steuertarif aufgezehrt werden“, beseitigen CDU und CSU von vornherein jegliche Hoffnung auf einen neuen und grundlegenden Reformeifer nach dem 22. September. Stattdessen belässt man es bei einem Seitenhieb auf die Opposition: „SPD und Grüne wollen, dass der Staat weiter am Ausgleich der Inflation verdient“. Die Union will zwar auch an der Inflation verdienen, indem sie mit Niedrigzins und Notenpresse den Euro rettet und danach die aufgelaufene Staatsschuld durch Geldentwertung tilgt, aber das steht auf einem anderen Blatt.

Viel Klein-Klein statt ein Mal Groß

Wie weit sich die Unionsparteien inzwischen von der Idee eines Systemwechsels im Steuerrecht ent-fernt haben, wird anhand einer Auflistung von Einzelmaßnahmen deutlich, die sie im Rahmen des Bestehenden nach der Wahl angehen möchten. Mit Blick auf die Wissenschaft will sie eine „steuerliche Forschungsförderung“ realisieren, die „unternehmerische Anstrengungen für neue Ideen und Technologien unterstützt“. Mit Blick auf die Familien will sie „das bestehende Ehegattensplitting“ durch eine Kinderkomponente ergänzen. Mit Blick auf den Wohnungsneubau will sie „Aufwendungen für die Sicherung der eigenen Wohnung auch steuerlich begünstigen“. Mit Blick auf den Altbautenbestand will sie „über eine steuerliche Förderung zusätzliche Anreize für private Investitionen bei der Gebäudesanierung auslösen“. Mit Blick auf Existenzgründer will sie „die steuerlichen Rahmenbedingungen für Investoren verbessern, die mit ihrem Geld junge, wachstumsstarke Unternehmen vor allem im High-Tech-Bereich unterstützen“. Mit Blick auf die Kapitalbeteiligung von Mitarbeitern will sie „die geltenden steuerlichen und sozialversicherungspflichtigen Rahmenbedingungen prüfen und schrittweise attraktiver ausgestalten“. Mit Blick auf die Medienkonzerne will sie den ermäßigten Umsatzsteuersatz „in Zukunft auch für elektronische und Hörbücher gelten“ lassen. All dies sind Projekte, die das Steuer-recht noch komplizierter machen als es ohnehin schon ist. Und zugleich kommt die Fairness an ihr Ende – es geht ausschließlich um Wahlgeschenke an einzelne Gruppen.

Währenddessen „verspricht“ die Union die Beibehaltung von Gesetzen, die sie auch schon einmal abschaffen wollte. So ist die vor allem von Landespolitikern von CDU und CSU befürwortete Beseitigung der abgesenkten Umsatzsteuer offenbar endgültig vom Tisch. Und auch die Erbschaftsteuer, die viele in der Union einst aufheben wollten, soll lediglich „keine Erhöhung“ erfahren. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass sich der Staat auch künftig bei den Toten bedient, während der Bürger, der das Blumengesteck vom Grab raubt, weiterhin durch das Strafrecht belangt wird.

Zugleich kündigen die Unionsparteien für den Fall eines Wahlsiegs an, „möglichst schnell eine Finanztransaktionssteuer einzuführen“, obwohl man dies früher sehr nachdrücklich abgelehnt hat. Und ein bisschen mulmig scheint CDU und CSU bei der Sache immer noch zu sein: „Bei der Umsetzung werden wir darauf achten, dass Wettbewerbsverzerrungen vermieden und die Interessen des Finanzplat-zes Deutschland gewahrt bleiben. Nur als ein starker und wettbewerbsfähiger Finanzplatz kann Deutschland auch weiterhin aktiv die Regulierung der internationalen Finanzmärkte mitgestalten“, heißt es im Programmtext. Den Verantwortlichen sind die Gefahren dieses Instruments also durchaus bewusst, doch man bringt nicht mehr die Kraft auf, sich den gängigen Krisenerklärungen entgegenzustellen. Dabei könnte man durchaus argumentieren, dass nicht die „unzureichende Regulierung der Finanzmärkte“ am Beginn der Verwerfungen in der Weltwirtschaft gestanden hat, sondern das Versagen des Staates bei dem Versuch, überforderten Anlegern zweitklassige Immobilien zu verschaffen. Und genauso könnte man sich der Erkenntnis stellen, dass nicht die ominöse „Gier der Banker“ einen milliardenschweren Rettungsbedarf verursacht hat, sondern die implizite und bei den Landesbanken sogar explizite Staatshaftung, die einer Preisreduktion für risikoreiches Verhalten gleichkommt. Doch dann müsste man ja die eigene Politik in Zweifel ziehen, und so weit will die Union dann doch lieber nicht gehen.

Am Ende bleibt die Kraft des Faktischen

Besteht also gar keine Hoffnung mehr, dass die Programmarbeit der Union in der Steuerfrage schließlich doch noch fair endet und man zu altem Reformeifer zurückfindet? Wahrscheinlich ist mehr Optimismus angebracht als es zurzeit den Anschein hat. Denn auch beim Besteuerungsthema kann sich Deutschland letztlich dem grenzüberschreitenden Wettbewerb nicht entziehen. Längst verfügen die meisten Staaten Mittel- und Osteuropas über ein „Flat-Tax“-System, zumeist verbunden mit einem mehr oder weniger großzügig bemessenen Freibetrag. Die CDU müsste sich letztlich nur eines Professors aus Heidelberg erinnern, der ihr auf diesem Feld schon einmal den Weg gewiesen hat.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Karin Weber

Die politische Klasse, die CDU eingeschlossen, kann doch gar keine Steuern senken. Wo soll denn sonst das Geld herkommen, mit dem hier ständig dieses Europa gerettet wird?

Anders lautende Aussagen sind völlig unlogisch und unwahr. Selbst wenn die die Einkommenssteuer so hoch belassen, dann finden sie wieder etwas anderes und der Bürger wird indirekt wieder zu Gunsten der Steuergeldverschenker abgezockt.

Denen kann man doch nichts mehr glauben.

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