Bayerische FDP will mehr Rechtsstaat. Sven von Storch: "Kein Anlass, der Bundes-FDP zu vertrauen"

Bayernwahl: 117 Bayern-Kandidaten wollen eine Wiedergutmachungs-Initiative für politisch Verfolgte 45/49 im Bundesrat starten. Die größte Zustimmung kommt aus der bayerischen FDP. Doch der Vorsitzende der Allianz für den Rechtsstaat Sven von Storch warnt: “Kein Anlass, der Bundes-FDP zu vertrauen”

Foto: Dino Debris / flickr.com / CC BY-NC-SA 2.0
Veröffentlicht:
von

(Eine tabellarische Auswertung der Kandidaten-Antworten findet sich am Ende des Artikels.)

Knapp fünf Tage vor der bayerischen Landtagswahl versprechen insgesamt 117 Kandidaten, sich für eine bayerische Bundesrats-Initiative zur Wiedergutmachung für die politisch Verfolgten 45-49 einzusetzen. Außerdem wollen sich die meisten dieser Kandidaten auch für eine Aufnahme der Wiedergutmachungs-Forderung in das Programm ihrer jeweiligen Parteien stark machen. Nur neun Kandidaten lehnen die Wiedergutmachungs-Initiative explizit ab. Dies ist das Ergebnis einer Kandidatenbefragung des Vereins Allianz für den Rechtsstaat e.V., der sich für die Rechte der 45/49 während der sogenannten „Boden- und Industriereform“ in der SBZ politisch Verfolgten einsetzt.

Zustimmung zur Wiedergutmachungsforderung der politisch Verfolgten kommt aus allen befragten Parteien - allerdings in unterschiedlichem Ausmaß. Die Verteilung der Zustimmung und Ablehnung innerhalb der Parteien zeigt folgende Grafik:

Vorsicht bei FDP-Versprechen

Die größte Zustimmung kommt aus der bayerischen FDP. Lediglich der Neumarkter FDP-Kandidat Enrico Pomsel will sich explizit nicht für Wiedergutmachung  einsetzen. Der Fraktionschef der Liberalen im bayerischen Landtag Thomas Hacker hingegen beantwortet im Namen der gesamten bayerischen FDP die gestellten Forderungen „eindeutig mit JA“. In Hackers Schreiben heißt es:

„Die Enteignung in der SBZ von 1945 bis 1949 und der Umgang mit ihren Opfern bedürfen der politischen Aufarbeitung. Das ist seit langen die Auffassung der FDP. Wir müssen uns mit der Frage auseinandersetzen, zu welchen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen die Bodenreform geführt hat und welche Möglichkeiten des Ausgleiches bestehen. Wir Liberale stehen insbesondere Initiativen, die ein stärkeres Engagement früherer Eigentümer auf ihrem ehemaligen Besitz fördern, aufgeschlossen gegenüber. Auf Bundesebene ist die Prüfung der rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen für einen Rückerwerb ehemaligen Eigentums durch Bodenreformopfer weiter voranzubringen. Der Freistaat als Wohnort von Opfern der Enteignungen ist in der Pflicht, auf Bundesebene entsprechende Initiative zu entfalten. Die bayerische FDP wird sich in der kommenden Wahlperiode des Bayerischen Landtags dieser Herausforderungen annehmen.“

So erfreulich diese Versprechen für die politisch Verfolgten 45/49 sicher sind, so ist doch Skepsis angebracht, wie ernst sie tatsächlich gemeint sind. Besonders die Bundes-FDP hat ihren vollmundigen Versprechen vor der letzten Bundestagswahl in der Folgezeit nur wenig Taten folgen lassen - nicht genug für eine angemessene Aufarbeitung und Wiedergutmachung des geschehenen Unrechts. Enttäuscht zeigt sich deshalb der Vorsitzende der Allianz für den Rechtsstaat Sven von Storch vor allem vom derzeitigen Bundesvorsitzenden der FDP, Philipp Rösler. “Rösler hat die politisch Verfolgten 45/49 trotz anderslautender persönlicher Zusicherungen nach dem Antritt seines Ministeramtes in Berlin völlig im Stich gelassen. Obwohl wir ihn in Niedersachsen tatkräftig unterstützt haben, blieben mehrfache Versuche zur Kontaktaufnahme später unbeantwortet. Ich sehe keinen Anlass, der FDP und besonders der FDP-Spitze auf Bundesebene noch einmal zu vertrauen.”

Inwiefern die bayerische FDP die Versäumnisse durch eine Bundesrats–Initiative in der nächsten Legislaturperiode aufholen wird, bleibt also abzuwarten.

Enteignungsunrecht und Menschenrechtsverletzungen endlich wiedergutmachen

Ca. 2,2 Millionen Menschen, das gesamte ehemalige Bürgertum und der Mittelstand der neuen Bundesländer waren zwischen 1945 und 1949 in der SBZ von den politischen Verfolgungen und Enteignungen betroffen. Weil die Regierung Kohl-Schäuble 1990 die Rückgabe der widerrechtlich enteigneten Güter unter Berufung auf fadenscheinige Gründe verweigerte, warten diese Menschen immer noch auf die Wiederherstellung des Rechtsstaates und die Heilung dieses krassen Verfassungsbruchs.

Der Verein Allianz für den Rechtsstaat e.V. hatte deshalb an die bayerischen Landtagskandidaten zwei Fragen gestellt, die jeweils mit ja oder Nein beantwortet werden konnten. Die Fragen im Wortlaut:

1. Würden Sie sich nach der Landtagswahl am 15. September 2013 dafür einsetzen, dass der Freistaat Bayern im Bundesrat eine Initiative zur Wiedergutmachung ergreift?

2. Würden Sie sich als Landtagsabgeordneter dafür einsetzen, dass Ihr Landesverband sich für eine Aufnahme der Wiedergutmachung in das Programm Ihrer Partei einsetzt?

Die Antworten aller Abgeordneten inklusive eigener Anmerkungen finden Sie in den nachfolgenden Aufstellungen:

Bayerische Landtags-Kandidaten sortiert nach vorhandener Antwort (diejenigen, die geantwortet haben zuoberst)

Bayerische Landtags-Kandidaten sortiert nach Partei

Bayerische Landtags-Kandidaten sortiert nach bayerischen Stimmkreisen

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Karin Weber

Wie kann man mehr "Rechtsstaat" fordern, wenn man nicht einmal genau definiert, was "Recht" eigentlich ist?

In den Fällen Horst Arnold und Gustl Mollath hat der Rechtsstaat jämmerlich versagt!!! Da "noch mehr Rechtsstaat" zu fordern, ist für mich eher eine Drohung!

Ich bin der Überzeugung, dass die Ausbildung von Richtern und Staatsanwälten, hohe Gehälter und Pensionen, Unabhängigkeit und "Eigenkontrolle" nicht zum Rechtsfrieden in diesem Lande geführt haben. Es ist eine Tatsache, dass ... nur die o. g. Fälle reichen dafür ... dass der Rechtsstaat hier völlig außer Kontrolle geraten ist. Richter maßen sich an über Dinge zu entscheiden, von denen sie fachlich nichts verstehen. Sie entscheiden über Schicksale, deren Schicksale ihnen völlig egal ist (Trennungskinder!). Richter müssen für die von ihnen verursachten Schäden nicht haften und letztlich ist es so, dass eine Kritik an diesen Leuten völlig ins Leere geht, denn die Justiz kontrolliert sich in diesem Lande faktisch selbst. Ein unhaltbarer Zustand, der die Macht dieser Leute seit Jahrzehnten zementiert.

Nein, wir brauchen nicht mehr Rechtsstaat! Um Himmels willen! Diesen Leuten müssen endlich parlamentarische Kontrollgremien auf den Halse gehetzt werden. Es kann doch nicht sein, dass diese Richter und Staatsanwälte, die Gustl Mollath seiner Freiheit beraubt und Horst Arnold in den Tod getrieben haben, noch immer draußen frei rumlaufen können, weiterfreislern und sogar noch Pension zu Lasten ihrer Opfer beziehen.

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang