Die große Reform der Bankenregulierung in Europa

Bankenunion: Experiment mit unklarem Ausgang

Die Bankenunion steht kurz vor dem Abschluss. Das große Ziel: Die Steuerzahler sollen nicht mehr – oder nur in geringerem Umfang – für die Verluste von Banken zahlen. Das Regelwerk hat große Auswirkungen auf die Banken und betrifft auch die Sparer.

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Als „größten Schritt seit der Euro-Einführung“ bezeichnet sie Finanzminister Schäuble. Sie sei eine „Haftungsunion für Peripheriebanken“ hält der Volkswirtschaftsprofessor Philipp Bagus von der Universität Madrid dagegen. Die Urteile zur Bankenunion gehen weit auseinander. Sicher ist jedoch: Die europäische Bankenunion wird kommen. Die Regierungschefs haben sich bereits 2012 dazu verpflichtet. Mit der Einigung von Europäischem Parlament und Mitgliedsstaaten Ende März 2014 ist eine weitere, wichtige Hürde auf dem Weg zur Bankenunion genommen. Im April wird das EU-Parlament die Union beschließen. Das Regelwerk tritt 2015 und 2016 sukzessive in Kraft. Es wird weitreichende Folgen für alle Banken in der Euro-Zone haben – besonders im Krisenfall.

Mit der Bankenunion soll in erster Linie die Bankenaufsicht und die Abwicklung von Krisenbanken neu geregelt werden. Als die Bankenkrise 2008 in Europa ankam, traf sie auf 27 verschiedene, nationale Regulierungs- und Rettungssysteme. Diese erwiesen sich für eine Krise dieses Ausmaßes als unzureichend. Besonders fehlte es an Instrumenten zur Stabilisierung großer, grenzüberschreitend tätiger Banken, die „too big to fail“, also als zu groß, um zu scheitern, sind. Zwei Beispiele: Die Bilanzsumme der Deutschen Bank betrug 2013 rund 1,6 Billionen Euro, die Commerzbank – Deutschlands zweitgrößte Bank – lag 2013 immerhin bei 470 Milliarden Euro. Damit kommt die Deutsche Bank auf mehr als das fünffache des Bundeshaushaltes 2013, die Commerzbank erreicht immerhin das 1,5fache der Bundesausgaben, die 2013 bei rund 308 Mrd. Euro lagen. Die Insolvenz eines Geldhauses dieser Größenordnung würde andere Banken und Unternehmen mit sich reißen und sich wie ein Flächenbrand ausbreiten. Die Folgen eines solchen Ausfalls wurden für die ganze Welt im Jahr 2008 nach der Lehman-Insolvenz sichtbar. Um ein zweites Lehman zu vermeiden, retteten die Staaten in der Krise zahlreiche marode Banken. Insgesamt stellten die europäischen Staaten zwischen 2008 und 2012 die unvorstellbare Summe von rund 592 Milliarden Euro in Form öffentlicher Finanzhilfen für die Banken bereit. Die Folge: Die Staatsschulden stiegen in allen Staaten deutlich an. In einigen Staaten – beispielsweise Irland – wurde aus der Bankenkrise eine Staatsschuldenkrise. Daher ist ein wichtiges Ziel des neuen Regelwerks: Für Bankpleiten sollen nicht mehr die Staaten – und damit die Steuerzahler – zahlen, sondern die Banken und deren Gläubiger selbst. Was zunächst gut klingt, hat jedoch weitreichende Folgen für alle Bankkunden in der Eurozone.

Erste Säule: Mehr Kontrolle und strengere Vorschriften

Die Bankenunion besteht aus drei Säulen: Die erste Säule lässt sich am besten mit dem Stichwort „Prävention neuer Krisen“ zusammenfassen. Sie umfasst strengere Vorschriften und eine zentrale europäische Bankenaufsicht. Die neuen Regeln schreiben den Banken im Wesentlichen höhere Eigenkapitalquoten und mehr Liquidität vor. Die Banken sollen künftig in turbulenten Zeiten mehr Verluste selbst auffangen können. Als neue „Super-Aufsichtsbehörde“ fungiert die Europäische Zentralbank (EZB). Sie kontrolliert alle wichtigen Banken. Eine Bank ist wichtig, wenn die Bilanzsumme bei 30 Milliarden Euro oder mehr liegt oder sie mindestens 20 Prozent der Wirtschaftsleistung des Herkunftslandes ausmacht. Insgesamt erfüllen rund 130 Banken diese Bedingungen. Die kleineren Banken – immerhin rund 8.300 weitere – werden weiterhin von den nationalen Aufsichtsbehörden kontrolliert.

Bail-In: Aktionäre und Gläubiger zahlen für Risiken

Die zweite und zugleich umstrittenste Säule ist die Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung von Banken (Single Resolution Mechanism, SRM). Künftig sollen nicht mehr Gelder der Steuerzahler in Form von Rettungspaketen die Banken stützen. Im Fall einer drohenden Insolvenz sollen die Anteilseigner und Gläubiger der Banken selbst herangezogen werden. Die Aktionäre als Anteilseigner müssten dann Abschreibungen auf das Eigenkapital hinnehmen. Zu den Gläubigern zählen natürlich auch die Sparer, die die Einlage ihrer Bank nur geliehen haben. Betroffen wären Einlagen oberhalb des Garantiebetrags von 100.000 Euro.

Bail-In wird diese Verlustbeteiligung von Aktionären und Sparern im Fachjargon genannt. Ein Bail-In wurde zum ersten Mal in größerem Stil Anfang 2013 bei der Lösung der Zypernkrise vollzogen. Alle Kunden der Bank of Cyprus mit Einlagen über 100.000 Euro mussten erhebliche Verluste hinnehmen. Etwa die Hälfte der über 100.000 Euro hinausgehenden Einlagen wurde in weitgehend wertlose Aktien umgewandelt.

Künftig sollen die Gelder der Sparer und Aktionäre bis zu einer Höhe von insgesamt acht Prozent der Gesamtverbindlichkeiten der Bank herangezogen werden. Reicht dies nicht aus, um die Bank zu stabilisieren, muss der Abwicklungsfonds die nächsten fünf Prozent der Bankverbindlichkeiten beisteuern. In den Abwicklungsfonds müssen alle Banken der Euro-Staaten einzahlen. Die Zielgröße liegt bei 55 Mrd. Euro, der Fonds soll in den kommenden zehn Jahren kontinuierlich von den Geldhäusern befüllt werden. Erst wenn Bail-In und die Mittel aus dem Abwicklungsfonds nicht ausreichen, sind weitere staatliche Hilfen möglich.

Doch keine europäische Einlagensicherung

Die dritte Säule heißt Einlagensicherung. Bis zu 100.000 Euro werden Bankeinlagen eines jeden Kunden in allen Mitgliedsstaaten garantiert. Damit soll Vertrauen geschaffen werden und ein Bank-Run, der Banken in Liquiditätsschwierigkeiten bringen könnte, vermieden werden. Die Einlagensicherung wird aus einem nationalen Topf gespeist, der Kapital in Höhe von 0,8 Prozent aller gedeckten Einlagen vorhalten soll. Die Banken müssen dieses Polster in den kommenden zehn Jahren sukzessive aufbauen. Sollten die Reserven im Krisenfall nicht ausreichen, können für die Einlagensicherung „anderweitige Finanzierungsmöglichkeiten“ genutzt werden. Das dürften in der Realität wohl Staatsgarantien oder staatlich garantierte Kredite sein. Hilfen der nationalen Einlagensicherungsfonds untereinander soll es nur auf Basis eines „freiwilligen Mechanismus“ geben. Dieser Punkt war während der Verhandlungen sehr umstritten. Vor allem die deutschen Sparkassen und Volksbanken, die über eigene, verbundinterne Einlagensicherungssysteme verfügen, wollten sich keinesfalls an einem System beteiligen, in dem sie für die Probleme ausländischer Banken mithaften würden.

Durch die Bankenunion soll der Grundsatz gestärkt werden, dass zuerst privates Kapital die Verluste bei Krisenbanken zu tragen hat. Der Steuerzahler soll nur noch im Ausnahmefall für die Fehler von Banken bezahlen. Noch sind nicht alle Regeln klar. In der Realität wird vieles vom Ausmaß der Krise abhängen. Bei einer systemischen Krise besteht zudem weiterhin die Möglichkeit, von diesem Grundsatz abzuweichen. Dann dürften wohl wieder die Steuerzahler zur Kasse gebeten werden. Für die Sparer bedeutet die Bankenunion: Bei einem Vermögen von mehr als 100.000 Euro müssen sie künftig das Risiko einkalkulieren, dass ein Teil ihres Vermögens gefährdet ist, sobald eine Bank in ernste Schwierigkeiten gerät.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: reiner tiroch

egal was uns vorgesetzt wird, es stimmt nicht. ........der Bürger und Steuerzahler zahlt die zeche immer, auch der unter 100.000.-€. nicht umsonst stehen die gesetze zur Zwangsenteignung mit Gültigkeit seit Oktober 2013. der Bankkunde ist schon Gläubiger, das Geld gehört den Banken, der IWF will ein Bargeldverbot, das Geld aller Sparer, und bringt eine neue Weltwährung...... es stimmt auch nicht, dass alle auf einem guten Weg sind, und die Krise aus sei. .Sie wollen alles!

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