Bankenunion: Einheitliche Abwicklung von Krisenbanken

Banken sollen sich selbst retten

Das Kernelement der Bankenunion ist das Bail-In-Instrument: Damit sollen nicht mehr die Steuerzahler unfreiwillig für strauchelnde Banken haften, sondern die Aktionäre und Gläubiger. Dies hat weitreichende Folgen im Falle einer Bankenkrise. Zudem müssen die Banken über eine Abgabe selbst für Krisen vorsorgen.

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Stellen Sie sich vor: Sie haben soeben ihr Haus verkauft und der Kaufpreis von 400.000 Euro ist auf Ihrem Bankkonto eingegangen. Das Geld wollen Sie für Ihre Altersvorsorge anlegen. Dann passiert etwas, womit Sie nicht gerechnet haben: Ihre Hausbank gerät in Schieflage. Die Bank wird nicht vom Staat gerettet, sondern im ersten Schritt müssen sich Eigentümer und Gläubiger der Bank – und damit auch Sie als Kontoinhaber – an der Rettungsaktion beteiligen. Während die ersten 100.000 Euro durch staatliche Garantien geschützt sind, können auf den darüber hinausgehenden Betrag erhebliche Verluste anfallen. Ein Albtraum fern der Realität? Keineswegs, wie Kunden der Bank of Cyprus 2013 schmerzlich erfahren mussten.

Was war passiert? Die größte zypriotische Bank war – wie andere Banken der Mittelmeerinsel – in Schieflage geraten. Die EU, die Europäische Zentralbank (EZB) und der Internationale Währungsfonds (IWF) weigerten sich, direkte Finanzhilfen an den zypriotischen Staat zu überweisen, damit dieser die Bank retten konnte. Die Troika forderte eine Beteiligung der Großkunden der Bank. Diese verloren 47,5 Prozent ihrer über 100.000 Euro hinausgehenden Einlagen. Die Bank erreichte mit Hilfe der eingezogenen Gelder wieder die vorgeschriebene Kernkapitalquote von zwölf Prozent. Dieser bis dahin noch nicht dagewesene Schritt war die Voraussetzung für einen weiteren Zehn-Milliarden-Kredit der Troika an den Inselstaat.

Keine Wiederholung von Hypo Real Estate oder West LB

Nach diesem Muster sollen auch künftig Bankenrettungen von statten gehen. Das Ziel: Die Eigentürmer und Gläubiger sollen stärker herangezogen werden, die Steuerzahler sollen nicht mehr für die Rettung von Banken wie im Falle von Commerzbank, Aareal Bank, Hypo Real Estate oder West LB aufkommen.

Der so genannte Bail-In ist ein zentraler Bestandteil der derzeit von der EU vorangetriebenen Bankenunion. Auf die Kernpunkte haben sich die Mitgliedsstaaten und das europäische Parlament am 20. März 2014 geeinigt. Der Sanierungs- und Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM) legt den Umgang mit Pleitebanken fest.

Wird auf EU-Ebene festgestellt, dass eine Bank in Schieflage ist, werden die festgelegten Schritte eingeleitet. Schritt eins ist der Bail-In – also die Beteiligung von Eigentümern und Gläubigern. Zunächst wird Kapital bis zu einer Höhe von acht Prozent der Bilanzverbindlichkeiten einer Bank herangezogen. Dies klingt zunächst nach wenig. Da die Bankbilanzen jedoch zum größten Teil aus Verbindlichkeiten unterschiedlicher Art bestehen, kann – bei einer international tätigen Geschäftsbank – schnell ein zweistelliger Milliardenbetrag zusammen kommen.

Erste Verluste muss das Eigenkapital tragen

Woher kommt diese Summe nun? Als erstes werden Abschreibungen auf Eigenkapital vorgenommen, dann kommen die Verbindlichkeiten an die Reihe und zwar in der Rangordnung, in der sie auch im Fall einer regulären Insolvenz bedient würden. Das heißt: Zunächst werden nachrangige Verbindlichkeiten, dann vorrangige Verbindlichkeiten herangezogen. Auch die Einlagen der Kunden – oberhalb der Deckungsgrenze von 100.000 Euro pro Bankkunde – werden angetastet. Die Details der so genannten Haftungskaskade stehen jedoch derzeit noch nicht final fest.

Sicher ist, dass es eine Reihe von Ausnahmen geben wird. Alle besicherten Verbindlichkeiten – wie beispielsweise Pfandbriefe – sind ausgenommen. Dies gilt auch für gedeckte Einlagen bis 100.000 Euro pro Kunde sowie kurzfristige Interbanken-Verbindlichkeiten – letzteres um Ansteckungseffekte auf andere Banken zu vermeiden. Darüber hinaus sind auch Gehälter, Pensionszahlungen und Steuerzahlungen ausgenommen.

EU: Bail-In hätte die meisten Pleitebanken gerettet

Die Forderungen der vom Bail-In betroffenen Gläubiger würden in Aktien umgewandelt – wie im Fall Bank of Cyprus geschehen. Die Folgen: Die Anteile der Altaktionäre werden verwässert, die Gläubiger erhalten relativ wertlose Aktien anstatt ihrer Forderungen oder Bankeinlagen. Die EU verteidigt dieses Vorgehen: Die Krise habe gezeigt, dass ein bankinterner Kapitalpuffer in Höhe von 10 Prozent der Gesamtverbindlichkeiten einen Schutz vor den meisten der Bankenpleiten in der jüngsten Krise geboten hätte. Der große Nachteil des Bail-Ins: Das Ergebnis kann sehr willkürlich ausfallen und große Härten mitbringen. Das hat der Fall Bank of Cyprus gezeigt. Neben Unternehmen mit hohen Bankeinlagen können auch Privatpersonen nach einem Hausverkauf oder nach einer Erbschaft ihre Einlagen verlieren, während es die Person, die das Haus kurz zuvor erworben hat, gerade nicht trifft.

Reichen die acht Prozent der Gesamtverbindlichkeiten aus dem Bail-In nicht aus, um die Bank zu stabilisieren, muss der so genannte europäische Abwicklungsfonds einspringen – bis zu einer Summe von fünf Prozent der Gesamtverbindlichkeiten. Diesen Fonds müssen die Banken in den kommenden acht Jahren selbst auffüllen. Die Zielgröße liegt bei einem Prozent der gedeckten Einlagen, das entspricht 55 Milliarden Euro. Alle Banken müssen in den Fonds einzahlen, wobei die Bemessung der jeweiligen Beiträge noch umstritten ist. Vor allem die deutschen Volksbanken und Sparkassen fordern niedrige Beiträge im Vergleich zu den internationalen Banken mit riskanten Geschäftsmodellen. Auf jeden Fall bedeutet der Aufbau eine Abgabenbelastung des Bankensektors auf Jahre hinaus, denn die einzuzahlenden Gelder müssen natürlich erst erwirtschaftet werden.

Gemeinsame Haftung kommt sukzessive

Die Verhandlungen um den Abwicklungsfonds wurden sehr hart geführt. Neben dem Tempo des Aufbaus war vor allem die Frage der Haftung der Gelder umstritten. Der Kompromiss: Der Fonds wird zunächst in nationale Teilfonds gegliedert sein. Nach dem ersten Jahr werden 40 Prozent wechselseitig haften, nach dem zweiten Jahr 60 Prozent, die verbleibenden 40 Prozent werden in den folgenden sechs Jahren sukzessive in die wechselseitige Haftung überführt. Mit dem Fonds entsteht ein Element der Bankenunion, über das es mittelfristig wirklich zu einer Gesamthaftung aller einzahlenden Banken für strauchelnde Geldhäuser kommt. Die deutschen Sparkassen und Genossenschaftsbanken haben lange – und letztlich vergeblich – gefordert, von einer Haftung für ausländische Banken ausgenommen zu werden. Mit ihren Zahlungen in den Abwicklungsfonds werden sie aber künftig mithaften.

Allerdings erlauben die Regeln eine gewisse Flexibilität. In einer schweren, systemischen Krise bleibt ein Eingreifen des Staates möglich: Dann wird die Fünf-Prozent-Obergrenze für die Hilfen aus dem Abwicklungsfonds außer Kraft gesetzt und der Fonds durch öffentliche Mittel aufgestockt. Der vorangehende Bail-In muss aber in jedem Fall erfolgen. In diesem Punkt soll es keine Ausnahmen geben.

Interessen der Steuerzahler gegen die der Gläubiger

Eine unbegrenzte Bankenrettung durch die Steuerzahler wie 2008/2009 soll es nach dem Willen der EU nicht mehr geben. Die Bankenabwicklung mit Bail-In und Abwicklungsfonds ist zweifellos der Kerngedanke der Bankenunion. Damit soll die kollektive Haftung aller Steuerzahler für Bankenrisiken eingedämmt werden. Wirklich bewähren dürfte sich das neue System erst, wenn wieder eine „systemische“ Bankenkrise kommt.

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egal was sie uns predigen, siue werden uns eiskalt alles nehmen. dieses marode und korrupte Finanzsystem ist nicht zu retten.

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