Entwicklung in Afrika

Afrika – verlorener Kontinent?

Afrika ist der ärmste Kontinent und hat die am schnellsten wachsende Bevölkerung. Vom Wirtschaftswachstum durch den Export von Rohstoffe profitieren nur bestimme Regionen und soziale Schichten.

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Afrika – das Sorgenkind der Weltwirtschaft. Fast schien es schon, als wäre Afrika südlich der Sahara von den Investoren und Industriestaaten gänzlich aufgegeben. Zu groß ist das Wirtschaftswachstum in Asien, als dass im Vergleich dazu Afrika überhaupt eine Rolle spielen könnte.

Nun hat sich allerdings die Situation in zweierlei Hinsicht geändert. Zum einen sind die reicheren arabisch-sprachigen Staaten nördlich der Sahara, denen wegen des Erdöls eine bessere Zukunft voraus gesagt war, durch die Revolutionen und Bürgerkriege ins Chaos abgerutscht. Zum anderen hat sich für Schwarzafrika südlich der Sahara ein neues Geschäftsmodell ergeben: Asiens Rohstoffhunger. Insbesondere das wachstumsstarke China hat Afrika als neue Ressourcen-Quelle entdeckt. In einigen Staaten hat dies zu einem unerwarteten Wirtschaftsaufschwung geführt.

Rückblick: Afrika zur Kolonialzeit

Werfen wir einen Blick zurück. Nach der Ausbeutung Amerikas durch die europäischen Kolonialmächte, wandte man sich im 19. Jahrhundert Afrika zu. Die Portugiesen hatten sich bereits in Angola und Mosambik festgesetzt. Die Briten, Niederländer und Franzosen hatten vereinzelte koloniale Stützpunkte. Frankreich kontrollierte die Küstenregion Algeriens. Doch im Innern des Kontinentes gab es noch weite Gebiete, die nicht einer Kolonialmacht unterstellt waren. Das sollte sich in der Zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts radikal ändern.

Um 1884 wurde auf der Kongo-Konferenz in Berlin der Kuchen endgültig aufgeteilt. Die Aufteilung verlief wie folgt: Großbritannien wurde Mandatsmacht über Ägypten und den Sudan sowie Kolonialherr über Kenia und einen großen Teil des südlichen Afrika von Sambia bis nach Kapstadt. Portugal breitete sich weiter in Angola und Mosambik aus, Deutschland erhielt Togo, Kamerun, Namibia, Tansania, Ruanda und Burundi. Der belgische König wurde Herr über den Kongo. Einen großen Teil Westafrikas bekam Frankreich, das sich bereits an der Küste Algeriens festgesetzt hatte. Auch Madagaskar wurde französisch. Italien trat erst 1912 auf die Bühne der Kolonialpolitik und verleibte sich Libyen und Somalia.

Nach dem Ersten Weltkrieg teilten Großbritannien und Frankreich die deutschen Kolonien unter sich auf. Großbritannien schloss mit Ostafrika eine topographische Lücke und beherrschte nun einen Korridor, der von Kairo bis nach Kapstadt reichte.

Nach den Unabhängigkeitsbewegungen in den 1950er bis 1970er Jahren konnten die nun souveränen Staaten Afrikas nicht an die Erfolge anknüpfen, die die Staaten in Asien oder Lateinamerika vorgaben. Viele Länder Afrikas litten unter Bürgerkriegen und ethnischen Konflikten. Das lag zum größten Teil daran, dass die Grenzen dieser Länder von den ehemaligen Kolonialherren mit dem Lineal gezogen wurden, ohne Rücksicht auf die Stammesgebiete und Bevölkerungsgruppen. Auch auf die Wanderrouten der Nomaden war keine Rücksicht genommen worden.

Chancen im Süden und Norden – Hoffnungslosigkeit in der Mitte

Die Verteilung der Produktivität und des Reichtums ist in Afrika ungleich verteilt. Nimmt man das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf als Wertmaßstab, dann sind es vor allen die arabischsprachigen Länder im Norden, von Marokko über Algerien, Tunesien, Libyen und Ägypten, die am ehesten den Sprung zum Schwellenland schaffen könnten – vorausgesetzt die politischen Verhältnisse bessern sich. Der Grund ist vor allem das Erdöl in Algerien und Libyen, sowie der Tourismus und die Industrie in Marokko und Ägypten.

Die zweite Region, der es wirtschaftlich besser geht als dem Durchschnitt des Kontinents ist Südafrika – und im Windschatten dieses BRICS-Schwellenlandes Namibia, Botsuana, Swasiland und Lesotho. Diese Länder waren schon seit Jahrzehnten die wirtschaftlichen Vorreiter des Kontinents. Dies hängt zum Teil mit dem hohen Anteil europäisch-stämmiger Einwohner zusammen, die dort traditionell an die europäische Wirtschaft angeknüpft haben. Südafrika ist zudem reich an Rohstoffen, beispielsweise Gold und Diamanten.

Problematischer wird es in den tropischen Regionen dazwischen. Die traditionell landwirtschaftlich orientierten Regionen der Sahelzone sind immer wieder von Dürrekatastrophen betroffen. In Ländern wie dem Kongo, Ruanda und Burundi haben Bürgerkriege die Bevölkerung ausgezerrt. Auch im Süden des Sudan und in mehreren Ländern Westafrikas haben jahrelange Bürgerkrieg und Stammesfehden den Aufbau einer ausreichenden Infrastruktur erschwert.

China als Retter in der Not?

Von europäischer und amerikanischer Entwicklungshilfe haben viele Länder Afrikas genug. Denn diese Hilfen sind oft nur Überbrückungen und keine Hilfe zur Selbsthilfe. Außerdem sind mit den Hilfen oftmals politische Forderungen verknüpft.

Anders ist es mit den Chinesen. Die Chinesen brauchen für ihre Milliardenbevölkerung und ihr wirtschaftliches Wachstum mehr Rohstoffe. Nun haben sie Afrika für sich entdeckt. Die Regierung in Peking hat bereits mehrfach afrikanische Staats- und Regierungschefs nach Peking geladen, um die Gestaltung der neuen asiatisch-afrikanischen Kooperation zu erörtern.

Dabei ist weit mehr geschehen als nur der Austausch von Ideen und Worten. Seit mehr als einem Jahrzehnt investieren chinesische Firmen in die afrikanische Infrastruktur. Im Gegenzug erhoffen sie sich günstigen Zugang zu den Rohstoffen. Für beide Seiten ist es eine Win-Win-Situation. Viele afrikanische Wirtschaftsführer und Politiker berichten, dass sie mit den Chinesen auf einer Augenhöhe, wie mit ganz normalen Geschäftspartnern, verhandeln würden, während man gegenüber den Europäern immer in der Haltung des Bittstellers gefangen sei.

Zwei Länder, in denen das Engagement Chinas deutlich sichtbar ist, sind Angola und der Sudan. Der Sudan war über Jahrzehnte eines der am wenigsten entwickelten Länder. Hier sprach man nicht von der Dritten, sondern von der Vierten Welt. Gerade der Süd-Sudan war vollkommen unerschlossen. Es gab kaum Straßen und Wege, keine Zugangsmöglichkeiten zu den Ressourcen. Die Wüsten, Steppen, die riesigen Papyrussümpfe in der Region des Sudd waren unzugängliches Gebiet. Die Regierung in Khartum hatte Probleme, die einzelnen Teile des Landes zu verwalten. Doch bereits vor der Teilung des Landes in Nord-Sudan und Süd-Sudan waren es insbesondere Investoren aus Saudi-Arabien und aus China, die der Wirtschaft des Landes neuen Aufschwung gaben.

Wie im Sudan, so sind auch im ölreichen Angola chinesische Baufirmen eifrig dabei, die Infrastruktur aufzubauen. Sie bauen Straßen, errichten Wohnhäuser, bauen sogar ganze Retortenstädte aus dem Nichts für wenig Geld. Im Gegenzug erhalten die Chinesen besondere Konzessionen für die Ressourcen, in Angola sind es vor allem Diamanten und Öl. Die Chinesen haben zudem für einen Bauboom in der Hauptstadt Luanda geführt.

Mittlerweile weist die Wirtschaft Angolas die höchsten Wachstumsraten Afrikas auf. Doch der Reichtum bleibt aufgrund der einseitigen Konzentration auf den Abbau von Rohstoffen und wegen der enormen Korruption auf eine kleine elitäre Oberschicht begrenzt. Der Großteil der Bevölkerung hat vom Wirtschaftsaufschwung keine oder nur wenig Vorteile. Viele verharren in Armut.

Ein ähnliches Phänomen lässt sich in Nigeria beobachten. Das Land mit mittlerweile mehr als 150 Millionen Einwohnern ist die größte Volkswirtschaft des Kontinents. Doch pro Kopf gemessen ist Nigeria nach wie vor arm. Die ungleiche Verteilung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse sind extrem. Die Erdöleinnahmen kommen auch hier nur einer Minderheit zugute. Im Norden des Landes wüten islamistische Terrorgruppen wie Boko Haram. In den Provinzen greift die Korruption der Lokalverwaltungen um sich.

Die nigerianische Küstenstadt Lagos ist mittlerweile dabei, Kairo als größte Stadt Afrikas zu überholen. 10 Millionen Menschen leben hier offiziell. Inoffiziell sind es wesentlich mehr. Doch außerhalb der City mit ihren Hochhäusern und Geschäftshäusern gleicht der Moloch einem riesigen Slum, durchzogen von Jauchekanälen und Abwässern, Müllbergen und Wellblechhütten. Korruption und Kriminalität sprengen die Vorstellungskraft eines Europäers.

Die Wirtschaftsdaten mögen in einigen afrikanischen Ländern für Aufstieg sprechen. Die Städte werden größer, moderner, es wird viel gebaut. Doch ein Großteil der Bevölkerung leidet in den meisten Ländern Afrikas unter erheblicher Armut. Während die Not in den landwirtschaftlichen Gebieten nach wie vor von den Niederschlagsmengen während der Regenzeit abhängig ist und jährlich unterschiedlich ausfällt, nehmen vor allem die Probleme in den bevölkerungsreichen Slums der Großstädte zu.

( Stichwort: GeoAußenPolitik )

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Hans von Atzigen

Sehr kompetente Ausführungen.
Ergänzung:
Den Afrikanern fehlt ein entscheidendes Zwischenelement in die
Moderne. Die Phase der Aufklärung das Element des Liberalismus,
in der Breite und Tiefe.
Gestalten und durchleben müssen das die Afrikaner selber.
Hier findet sich das elementare Versagen des Westens.
Die wohlwollende Begleitung dieses Prozesses.
Das katapultieren von der Steinzeit in die ,,Moderne,, war
vorhersehbar zum Scheitern verurteilt.
Das der Westen innzwischen die Errungenschaften der Aufklärung
schleichend selbst zu Grabe trägt ist eine andere Sache.
Letzteres jedoch ist entscheidend für Afrika.
Der Westen ist selbst am absaufen, Direkthilfe ( Sog. Entwicklungshilfe)
können sich die Afrikaner auf diesem Hintergrund abschminken.
Auf diesem Hintergrund kann man Afrika nur noch zu einem raten.
Nehmt euer Schicksal in die eigenen Hände.
Sucht euren eigenen den Gegebenheiten angepassten Weg.
Übernehmt , DIE ZIELFÜHRENDEN ELEMENTE DES WESTENS,
Für den Rest gilt
stellt die Schwadronierenden ,,Westler,, vor die Türe.
Selber anpacken oder auf unabsehbare Zeit als Elendskontinent
weiterserbeln.
Eine andere Alternative ist NICHT in Sicht.

Gravatar: Freigeist

Die Entdeckungen von Charles Darwin lassen sich in Afrika wie im Labor betrachten. Evolution: Der am besten Angepasst überlebt besser und hat mehr Nachkommen. Für die Verlierer gibt es kein Erbarmen: Hunger, Krankheit, Kriege, Tod. Evolution pur. Flüchtlinge wollen aus diesem System ausbrechen.

Gravatar: Alexander Scheiner, Israel

Warum wollen die jungen Menschen von Afrika nach Europa auswandern und nicht in islamische und arabische Länder?

Die meisten Auswanderer sind Muslims, es gibt kaum Christen.

Warum nehmen die islamischen und arabischen Länder diese muslimischen Auswanderer nicht auf?

Gravatar: Volker Seitz

Überall wo ordentlich regiert wird gibt es keinen Exodus nach Europa oder SA . Beispiel Ruanda:In Lampedusa kommen keine Ruander an. Paul Kagame sieht in Singapur sein Vorbild. All die Erfolge, die sich Singapur zugutehalt- die fehlende Korruption, effiziente Bürokratie und Wirtschaft, Schutz der Umwelt- gehören auch zu den Zielen der Regierung Ruandas. Er schuf eine Leistungsgesellschaft, eine funktionierende Verwaltung und damit eine höhere Lebensqualität. Kagame pflegt einen autoritären Stil mit starken Zügen einer Erziehungsdiktatur, aber Ruanda bürgt für Stabilität und profitiert davon, dass seine Führung Resultate vorweisen kann.Im aktuellen Korruptionsindex von Transparency International rangiert es vor den EU-Ländern Tschechien, Kroatien und Italien.Es gibt zumindest die Hoffnung, dass Kagame bei weiterer positiver Wirtschaftsentwicklung langfristig eine Zivilgesellschaft und freie Presse zulassen wird.Die Geburtenrate ging von sechs Kinder pro Frau auf vier zurück, die Bürger bekommen Ausweise, Geburtsurkunden oder andere wichtige Dokumente inzwischen in ihrer Nähe. Gesundheits-und Bildungseinrichtungen werden überall im Land gebaut, und nicht nur im Dorf eines allmächtigen Ministers, wie das in anderen Staaten üblich ist. In keinem anderen Land Afrikas gibt es bisher eine flächendeckende Krankenversicherung. Die Ärmsten zahlen überhaupt keine Beiträge. Obwohl Ruanda das mit Abstand am dichtesten besiedelte Land des Kontinents ist, kann es sich eine vorausschauende Politik heute selbst ernähren. Es gibt also nur wenige Gründe, um dieses Land zu verlassen.

Gravatar: Dr. Gerd Brosowski

Versuchen wir doch einmal, eins und eins zusammenzuzählen. Da verhandelt die Regierung eines Landes, das auf die Einfuhr von Rohstoffen und Nahrungsmitteln erpicht ist, mit den Chefs ( früher: Häuptlingen) eines zentralafrikanischen Landes. Die Chefs lassen sich bestechen, liefern die Ressourcen und die landwirtschaftlich verwertbaren Teile ihres Landes an die Partner aus Übersee ( früher: Kolonialherren) aus. Die Infrastruktur, die zur Ausbeutung der Ressourcen aufgebaut werden muss, treibt für eine Weile das Bruttosozialprodukt und den Lebensstandard einiger weniger hoch (ehedem als „Zivilisierung“ bezeichnet). So weit, so bekannt: Ein neues Kapitel des Kolonialismus ist eröffnet, dieses Mal mit China als Kolonialherren.

Neu sind die technischen Hilfsmittel, die heutzutage bei der Erschließung und Ausbeutung der Rohstoffquellen und der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen eingesetzt werden. Neu ist folglich der Umgang mit dem Teil der einheimischen Bevölkerung, der beim Ausbeuten nicht gebraucht wird, sondern der eher im Wege steht. Das sind die jungen Männer, deren Hände Arbeit nicht benötigt wird und die möglicherweise Ärger machen könnten.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem neuen Kolonialismus und dem in jüngster Zeit einsetzenden Exodus dieser jungen Männer nach Europa und Südafrika? Und jetzt möge jeder eins und eins zusammenzählen.

Gravatar: Volker Seitz

Mindestens 20 afrikanische Staaten könnten wegen ihres Öl- und Mineralreichtums prosperiende Staatswesen sein, sind jedoch wegen Misswirtschaft, Korruption und Unfähigkeit ihrer Führung in den Ruin getrieben worden. Diese politischen Eliten arbeiteten daran, reich zu werden, und nicht ihre Länder reich zu machen. Mit ihrer ruinösen Politik machen sie ihre Länder schwer bewohnbar und treiben damit ihre Mitbürger zur Flucht.Das Problem Afrikas ist der flagrante Mangel an Verantwortungsgefühl der Eliten. Die Probleme wie Bürokratie, Korruption und Rechtsunsicherheit stellen neben dem übergroßen Einfluss des Staates das Hauptproblem dar. Die Frage, auf welcher programmatischen Grundlage eine Regierung in Afrika arbeitet, bleibt leider oft unbeantwortet. Der Hauptgrund für den Stillstand in Afrika findet sich in dem fehlenden politischen Willen seiner Eliten, ihre Länder und Menschen zu entwickeln. Sie sind nicht an irgendeiner Form von Entwicklung, die in der Regel über bessere Bildungsstandards führen sollte, interessiert. Die dünne Führungsschicht ist für gewöhnlich weder dem Gemeinwohl noch einer „guten Regierungsführung“ verpflichtet. Geprägt werden die politischen Systeme in Afrika häufig von einer absolutistisch anmutenden Machtfülle der Staatschefs – und einem Verständnis vom Staat, das diesen als reine Einnahmequelle der herrschenden Volksgruppe oder Familie begreift. Ich fürchte, dass eine Lösung der grundlegenden Probleme in Afrika wie Korruption, Intransparenz, fehlende Rechtssicherheit erst nach einem Generationswechsel zu erwarten ist. Erfreuliche Entwicklungen gibt es indes z.B. in Botswana, Ruanda, Kap Verde, Namibia, Mauritius, Senegal. Bei Swasiland und Lesotho habe ich Zweifel.
Volker Seitz, Botschafter a.D./Buchautor

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