Demonstration in Berlin

250.000 Bürger demonstrierten gegen TTIP und CETA

Am Samstag war Berlin die Hauptstadt der TTIP-Gegner. Nach Angaben der Veranstalter waren rund 250.000 Menschen gegen TTIP und CETA auf die Straße gegangen.

Foto: ISSB
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Es war die größte Demonstration seit dem Irakkrieg 2003. Vom Brandenburger Tor und bis zur Siegessäule erstreckte sich die Menschenmenge. Nach Angaben der Veranstalter waren es etwa 250.000 Demonstranten. Weit mehr als 100 Organisationen, Vereine und Initiativen hatten zum Protest aufgerufen. Die Bahn musste fünf Sonderzüge bereitstellen, um die große Anzahl an Demonstranten nach Berlin bringen zu können.

Die Bandbreite der Unterstützerorganisationen offenbarte, dass die Kritik an den Abkommen TTIP und CETA von großen Teilen der Bevölkerung geteilt wird. Alle Altersgruppen und Gesellschaftsmilieus waren vertreten.

Die Zahl der Kritiker wächst unaufhörlich

Schon vor einem Jahr gab es die ersten TTIP-Proteste. Damals waren die Demonstrationen noch klein. Doch schon im Januar waren in Berlin rund 50.000 Menschen auf die Straßen gegangen. Von dem Teilnehmerrekord an diesem Wochenende waren sowohl die Polizei, die Veranstalter als auch die Medien überrascht.

Dabei waren nicht alle Demonstrationsteilnehmer generelle Freihandelsgegner. Es sind vielmehr die Umstände, unter denen TTIP und CETA verhandelt werden, sowie unzählige Details, die die Bürger aufhorchen lassen.

TTIP (Abkürzung für „Transatlantic Trade and Investment Partnership“) ist ein „Freihandelsabkommen“, das zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Union verhandelt wird. CETA (Abkürzung für „Comprehensive Economic and Trade Agreement“) ist ein Abkommen zwischen Kanada und der EU.

Verschiedene Vertreter der Wirtschaft behaupten, die Abkommen würden für mehr Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze sorgen. Denn dadurch würden Handels- und Investitionshemmnisse abgebaut werden. Außerdem würden internationale Richtlinien und Verbindlichkeiten bei Produktionsstandards Erleichterungen für die Exportwirtschaft bringen.

Dagegen befürchten die Gegner der Abkommen Einschränkungen beim Verbraucherschutz, Umweltschutz und den Sozialstandards. Denn sowohl in den USA als auch in der EU gibt es unterschiedliche Standards, die jeweils angeglichen werden müssten.

Angst vor der Unumkehrbarkeit der Abkommen

Doch der Kern der Sorgen und Kritik ist die Unumkehrbarkeit der beiden Abkommen. Denn sind die Abkommen TTIP und CETA erst einmal unter Dach und Fach, müssten sich die Staaten daran halten. Wenn nun aber die Bevölkerung eines Landes eine Gesetzesinitiative auf den Weg bringen möchte, die einzelnen Punkten der beiden Abkommen widerspricht, drohen heftige Straßen, die am Ende vom Steuerzahler aufgebracht werden müssten. Denn Konzerne könnten Staaten und somit ganze Bevölkerungen in Milliardenhöhe verklagen.

Schlüsselproblem sind die geheimen Schiedsstellen, die von privaten Anwaltskanzleien gestellt werden. Dieses Streitbeilegungsverfahren namens ISDS (Abkürzung für „Investor-State Dispute Settlement“) könnten dazu führen, dass die demokratischen Prozesse der Gesetzesbildung gestört werden. Ein wichtiger Punkt ist hierbei das Konzept der „Regulativen Kooperation“. Dies bedeutet, dass Vertreter der jeweiligen Konzerne bei der Entstehung und Gestaltung zukünftiger Gesetze von Anfang an beteiligt werden sollen. Was das für die gesetzesgebenden Organe einer parlamentarischen Demokratie bedeutet, kann sich jeder vorstellen. Die Konzerne hätte auf diese Art und Weise eine Art Sonderrecht, das die Einflussmöglichkeit der Bürger einschränkt, einzelner Investoren jedoch stärkt.

Was wäre die Alternative?

Ob die Bürger TTIP und CETA wirklich aufhalten können, ist fraglich. Selbst wenn die Abkommen gestoppt werden könnten, würden die Lobbyisten mit weiteren Vorschlägen einen neuen Versuch starten.

Es wäre dem ganzen Prozess dienlich, wenn die Investitionsschutzklauseln und Schiedsgerichte, vor allem aber die Regulative Kooperation aus dem Vorhaben gestrichen würden. So stünde den Bürgern der EU-Staaten sowie in den Vereinigten Staaten von Amerika und Kanada weiterhin die Möglichkeit offen, ihre Rechte an der Legislative durch Wahlen eines voll funktionsfähigen Parlamentes und durch Gesetzesinitiativen aus der Bevölkerung heraus vollwertig wahrzunehmen, ohne auf immer und ewig an ein supranationales Regelwerk gebunden zu sein.

Denn niemand weiß heute, welche Erkenntnisse morgen Änderungen des Datenschutzes, Verbraucherschutzes, Umweltschutzes und der Arbeitnehmerrechte notwendig machen. Die Flexibilität der staatlichen Legislativen muss bewahrt bleiben, damit auch morgen noch die Wünsche der Bevölkerung Berücksichtigung finden können.

Ein Hinweis zum Schluss: Auf der Seite Civil Petition gibt es eine Petition zum Thema Schiedsgerichte bei TTIP. Sie ist gegen die Investitionsschutzklausel und die geheimen Schiedsgerichte gerichtet und befürwortet die Freiheit und Unabhängigkeit der Abgeordneten aller Parlamente, damit die Wünsche und Belange der Bürger auch weiterhin in Gesetzen verankert werden können.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: KritischeStimme

Zuerst hat US/Nato uns i/d teuere Kriege gestuertzt mit MiO von Fluechtlingen,die Ukraine folgt noch mit AberMio v Fluechtlingen.Dann ist jetzt EU dabei uns mit Haut+Haar an die USA zu verkaufen ueber den TTIP Vertrag mit nachweisbaren Nachteilen.Ist das alles vorgeschrieben v/d Bilderbergsgruppe (Weltnebenregierung) wofuer Merkel sogar G7 Konferenz verspaetete am 29.Mai 2015?Wollen Europaeer hiermit einen grossen Niedergang riskieren+niedrigeren Wohlstand?
Auch verschliesst man sich m dem TTIP Abschluss fuer den Rest dieser Welt mit 85% seiner Bevoelkerung.Europa muss ja vom Handel leben+je mehr das eingeschraenkt wird umso nachteiliger.Mit TTIP kommt die finanzielle Ueberherschung ueber die EU,mit der Nato gibt es schon die militaire+politische Ueberherschung.
EU Parlament hat uns gezeigt wie undemokratisch es ist,ja sogar diktatorisch.Wir duerfen nur zuschauen aber nichts wissen,alles bleibt geheim bis zu 5 Jahre nach Abschluss,weil dann kann nichts mehr geaendert werden

Gravatar: KritischeStimme

Mit der CETA,TTIP+TISA Unterwerfung unter US-Strategie schädigt sich das kontinentale Europa selbst.Der Niedergang Europas ist allgegenwärtig+das geschaetzte TTIP-Wachstum von 0,049% ist unbedeutend.Die Orientierung zum eurasischen Kontinent mit Anbindung a/d gerade entstehenden neuen BRICS-Machtblock wäre eine geopolitische Ausrichtung auf Zukunft mit hoeheren Wachstumsraten wie EU/USA in kommenden 20 Jahren. Die Investitionsschutzabkommen,die jetzt ratifiziert oder beraten werden bringen die finanzielle Hegemonie ueber Europa,ueber die Nato gibt es schon die politike+militaire US Hegemonie. 2013 sind nach bilateralen Investitionsschutzabkommen 572 Schadensersatzklagen verhandelt worden.Anfang 2014 waren ca. 200 Verfahren anhängig.Brasilien hat nie ein solches Abkommen geschlossen und ist damit gut gefahren.Südafrika,Bolivien+Australien haben ihre bereits geschlossenen bilateralen Verträge gekündigt.CETA,TTIP+TISA verbauen uns diesen Ausweg

Gravatar: KritischeStimme

Ueber TTIP werden viele unerwuenschten Auswirkungen im Finanzsektor v USA hineingearbeitet welche fuer EU sehr dramatisch sind.Zockerei wird zum Normalgeschaeft+wenn Banken pleite gehen soll der Steuerzahler das richten.LehmannPleiten werden zum Normalfall.In seinem Buch Der große Ausverkauf-Das TTIP-Komplott-macht SZ-Journalist Franz Kotteder das alles deutlich.Wirtschaftliche Aussichten fuer EU auf Termin sind so schlecht dass Politiker den Freihandel verkaufen wollen als Allesloeser.Dabei hat die Politik selbst die desolate Situation zum groessten Teil verursacht+die EU durch NatoKriege+v USA verlangten Sanktionen,in die Isolation getrieben.Durch den TTIP m USA werden zukuenftige internationale Handelsvertraege nahezu unmoeglich+bestehende werden gekuendigt.Weitere Buecher,Thilo Bode Die Freihandelsluege,Prof.Dr.Wolfgang Berger Freihandel o Freibeuter?
Prof.Dr.Fisahn Die Freihandelsfalle, 38 Argumente gegen TTIP,CETA,TiSA & Co. v Harald Klimenta,Maritta Strasser,Peter Fuchs

Gravatar: SigismundRuestig

Allein die Tatsache, dass sich die USA aufgrund ihrer NSA-Aktivitäten einen unfairen Verhandlungsvorteil bei den Freihandelsabkommen (TTIP, TISA, ...) verschafft, wäre schon Grund genug, diese Verhandlungen erst mal auf Eis zu legen. Darüberhinaus sollte bekannt sein, dass die USA die meisten der internationalen Arbeits-, Umwelt- und Arbeitsschutzabkommen bis heute nicht ratifiziert hat, diese also offensichtlich zur Disposition stehen würden.
Verkehrte Welt?
http://youtu.be/QqoSPmtOYc8
Und im übrigen: nach der Wahl ist vor der Wahl:
http://youtu.be/0zSclA_zqK4
Und was sagen unsere Bundestagsabgeordneten dazu?
http://youtu.be/QGOx8I0COYg
PS: Was die angebliche neue Transparenz anbelangt, hat die zuständige EU-Kommissarin Malmström jüngst folgendes erklärt: Bisher hat die EU nur einige ihrer eigenen Verhandlungsangebote ins Internet gestellt, nicht aber die Angebote der Amerikaner und gemeinsame Texte, die den Stand der Gespräche zusammenfassen. Noch Fragen?

Rock-Blogger, Blog-Rocker und Roll'n Rocker Sigismund Rüstig posted auf multimediale Weise Meinungen und Kommentare zu aktuellen Reiz-Themen in Form von Texten und Liedern.

Gravatar: Manfred J. Ludwigs

UN-Experten äußern Sorge ...

Am 02.06.2015 verbreiteten die UN (das Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte) eine Medienverlautbarung mit dem Titel: „UN experts voice concern over adverse impact of free trade and investment agreements on human rights“ (UN-Experten äußern Besorgnis über negative Auswirkungen der Freihandels- und Investitionsschutzabkommen auf die Menschenrechte).

Mit Blick auf die Schiedsgerichte zu Investor-Staats-Streitigkeiten führt die Verlautbarung aus: „The experience demonstrates that the regulatory function of many states and their legal ability to legislate in the public interest have been put at risk“ (Die Erfahrung zeigt, daß die regulatorische Funktion vieler Staaten und ihre rechtliche Fähigkeit, im öffentlichen Interesse gesetzgeberisch tätig zu sein, gefährdet worden ist).

Die Lektüre dieses von nicht-involvierten internationalen Fachleuten erarbei-teten Textes (drei Seiten) ist, besonders für TTIP-Aktivisten, sehr empfehlenswert.

http://www.ohchr.org/FR/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=16031&LangID=E

Gravatar: Karin Weber

Heute früh im Deutschlandfunk kam zu der Protestdemonstration ein Beitrag. Ich kannte bereits die Teilnehmerzahl von 250.000 Bürgerrechtlern und musste zu meinem Erstaunen vernehmen, dass der DLF-Sprecher von "... einigen Zehntausend Teilnehmern" sprach. Ich hab mich nicht verhört, denn eine knappe Stunde später wurde das so wiederholt.

Dieses artgerechte Verhalten der staatlich gelenkten und zwangsabgabenfinanzierten Qualitätsmedien erlaubt aber tiefe Einblicke in die Psyche dieser Strukturen. Der Sprung von "einigen Zehntausend" zu 250.000 tatsächlichen Teilnehmern ist ja gewaltig. Diese Vorgehensweise der Teilnehmerreduzierung ist ja bei anderen Großdemonstrationen (wie z.B. Pegida) analog zu beobachten. Gezählt werden 23.000 Pegida-Demonstranten, die Qualitätsmedien sprechen dagegen von 9.000 Teilnehmern. Man kann also bei der Angabe von Teilnehmern durch die Qualitätsmedien beruhigt einen Faktor von 3-4 ansetzen, um die tatsächlichen Teilnehmerzahlen zu ermitteln.

Gravatar: Alfred

Auch diese Demonstration wird keinen Erfolg bescheren. Das Volk spielt bei Geschäften eine untergeordnete Rolle.

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