Eine Analyse vom Bayrischen Rundfunk, die nachverfolgt hat, woher die meisten Änderungen kamen, hat eine Überraschung ans Tageslicht gebracht: Sie kamen aus dem Bundestag.

In der Analyse werden Beispiele genannt:

"Joachim Pfeiffer gilt als Befürworter des Einsatzes von Atomkraftwerken."

So hieß es auf der Seite des CDU-Abgeordneten Joachim Pfeiffer. Bis zum 22. Juni 2017. Danach hieß es:

"Die Energiewende bezeichnet er als Umbau der Energieversorgung und drängt in diesem Zusammenhang auf eine schnelle Markteinführung der Erneuerbaren Energien."

Ein anderer Fall ist die CSU-Abgeordnete Silke Launer. In ihrem Wikipedia-Eintrag hieß es:

"Ich zahle lieber ein paar Milliarden für die Flüchtlingscamps, anstatt alle Probleme im eigenen Land zu haben."

Dann verschwand das Zitat. Es wurde gelöscht. Entweder war es die Abgeordnete selber, die den Satz nicht mehr gesagt haben wollte. Oder ein anderer anonymer Bearbeiter ließ ihre Meinung verschwinden.

Nun sollte man denken: Kein Problem. Wenn die Abgeordnete das nicht wollte, kann sie das Zitat wieder hochladen. So war es auch. Das Zitat war wieder da. Und dann wieder weg. In so einem Fall setzt sich derjenige durch, der mehr Energie für die Manipulation aufwendet und hartnäckiger ist.

Dies sind keine Einzelfälle. Von etwa einem Drittel der Abgeordneten werden die Seiten auf Wikipedia verändert und dem Trend angepasst. Betroffen sind Seiten von Abgeordneten aller Fraktionen.

Ob in allen Fällen die Abgeordneten selbst, ob ihre Mitarbeiter oder gar Mitglieder anderer Fraktionen die Einträge womöglich gegen ihren Willen verändert haben, lässt sich nicht sagen. Entweder sind es Wendehälse, die sich freiwillig anpassen oder jemand dreht ihnen bildlich gesprochen den Hals um. In welche Richtung der Hals gedreht wird, ist klar.

Klar ist auch, dass die Änderungen mit IP-Adressen des Bundestags getätigt wurden. Das lässt sich nachvollziehen, weil Wikipedia bei anonymen Veränderungen statt eines Benutzernamen die IP-Adresse anzeigt.

Es muss einen unter diesen Umständen nicht wundern, wenn das Vertrauen in die Abgeordneten schwindet. Auch das Vertrauen in eine Einrichtung wie Wikipedia, die mit großen Erwartungen angetreten war und inzwischen ihren Kredit verspielt hat.

Siehe dazu auch den Beitrag Wie Wikipedia als Pranger funktioniert, der Links auf die dunkle Seite von Wikipedia enthält.