Die stille Revolution im Iran

Was bedeutet der Umgang mit dem Kopftuch?

Im Iran findet gerade eine stille Revolution statt, bei der es um das Kopftuch geht. Der Skandal liegt darin, dass hierzulande die prominenten Frauenstimmen dazu schweigen.

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Eine der traditionellen Bräuche beim Kölner Karneval, den Gerd Buurmann auf der Achse des Guten als den wohl »feministischsten Brauch« beschreibt, ist das »Mötzenbestot«. Im 18. und noch im 19. Jahrhundert skandierten Frauen am Tag der Weiberfastnacht – am Wieverfastelovend – um genau zwölf Uhr mittags auf dem Alter Markt den Schlachtruf »Mötzenbestot«, was in etwa so viel bedeutete wie: »Runter damit, heute tue ich, was ich will.« Dabei rissen sie sich ihre Bedeckungen vom Kopf.

Dieser Brauch rührt daher, dass noch bis ins 19. Jahrhundert hinein für Frauen ein Zwang zur Kopfbedeckung bestand. Denn die Hauben auf dem Kopf gaben Aufschluss darüber, ob eine Frau schon verheiratet, also »unter der Haube« war oder »noch zu haben war«. Die Haube galt als Zeichen der Frauenwürde und der Wohlanständigkeit. Eine Frau ohne Kopfbedeckung wiederum galt als »loses Frauenzimmer«.

Wir haben also auch unsere Geschichte mit dem Kopftuch und mit der Bedeutung, die damit einhergeht. Zurzeit erleben wir eine Ausnahmesituation der anderen Art im Iran.

Da ist kein Karneval. Da gibt es aber auch eine bedeutende Kopftuch-runter-Bewegung.

Auch der Achse des Guten heißt es dazu: »Seit Wochen stürmen Frauen auf die Straßen des Iran und reißen sich demonstrativ ihre Kopftücher vom Haupt. Sie demonstrieren damit gegen den im Iran herrschenden Kopftuchzwang für Frauen und die alltäglichen Verfolgungen und Gewalttaten gegen Frauen. Mittlerweile hat die Polizei im Iran schon mehrere Frauen festgenommen, weil sie ihr Kopftuch ausgezogen haben. Einige von ihnen trugen die Kopftücher demonstrativ auf Stöcken vor sich her.«

In der Zeit lesen wir etwas über die Hintergründe: »Seit der Machtübernahme der Islamisten 1979 gilt in dem Land der Verhüllungszwang für Frauen. Festnahmen wegen Verstößen  Festnahmen gibt es ständig; allein im Jahr 2014, so gab die iranische Polizei bekannt, habe sie 3,6 Millionen Mal wegen ‚schlechten Hidschab-Tragens’ eingreifen müssen.«

Diese »Eingriffe« sind brutal. Umso mutiger ist das Aufbegehren dagegen. »Vida Movahed hieß die erste, die sich traute, ihr Kopftuch ebenso öffentlich wie demonstrativ abzulegen. Am 27. Dezember stieg die 31-Jährige auf einen Stromkasten an einer belebten Teheraner Kreuzung und hielt ihr Kopftuch an einem Stock weit von sich gestreckt. Das Bild der Unerschrockenen wurde schnell zur Ikone.«

Die Frauen im Iran riskieren viel. Wie reagieren die Frauen hierzulande? Hier gilt es neuerdings als feministisch, ein Kopftuch zu tragen. Das Kopftuch ist inzwischen zu einem hippen Modeaccessoire geworden. In Berlin will man demnächst sogar Lehrerinnen, Polizistinnen und Richterinnen das Kopftuchtragen erlauben.

Erinnert werden soll in dem Zusammenhang auch an den österreichischen Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der im April 20 sagte: »Wir werden noch alle Frauen bitten müssen, Kopftuch zu tragen, aus Solidarität mit jenen, die es aus religiösen Gründen tragen.«

Die Zeit fasst es so zusammen: »Mutige iranische Frauen legen das Kopftuch ab. Und wie reagiert Deutschland? Mit falscher Zurückhaltung.«

 

 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Dirk S

Zitat:"Im Iran findet gerade eine stille Revolution statt, bei der es um das Kopftuch geht."

Sicher? Wäre nicht das erste mal, dass uns von der Presse eine "Revolution" aufgetischt wird, wo es in Wirklichkeit keine gibt. Auch der "Arablische Frühling" war nur selten so etwas wie eine Volkserhebung, sondern meist nur das Herumnöhlen einer kleinen, jungen und wirtschaftlich privilegierten Minderheit, die westliche Freiheiten für sich und ihr Smartphone wollten.

Zitat:"Der Skandal liegt darin, dass hierzulande die prominenten Frauenstimmen dazu schweigen."

Geht ja auch nicht gegen alte weiße heterosexuelle Männer. Aber mal abgesehen davon: Es geht um die inneren Angelegenheiten des Iran. Und wenn sich die deutschen "prominenten Frauenstimmen" lieber zu DE zu ihrem eigenen Vorteil empören, nun denn, ist ihr Recht. So etwas ist kein Skandal, so etwas ist völlig normal. Da sollten mal so langsam einige von ihrem Empörungstrip runterkommen, solange sie es noch können.

Zitat:"Dieser Brauch rührt daher, dass noch bis ins 19. Jahrhundert hinein für Frauen ein Zwang zur Kopfbedeckung bestand."

Man sollte allerdings nicht vergessen zu erwähnen, dass es damals für alle üblich war, eine Kopfbedeckung zu tragen, für Männer wie Frauen.

Zitat:"Die Haube galt als Zeichen der Frauenwürde und der Wohlanständigkeit."

Ist mit der heutigen Situation nicht vergleichbar.

Zitat:"Eine Frau ohne Kopfbedeckung wiederum galt als »loses Frauenzimmer«."

Ist mit der heutigen Situation nicht vergleichbar. Das Problem ist doch, dass es Gruppen gibt, die Frauen ohne eine bestimmte Kopfbedeckung als Frauen minderen Rechts betrachten.

Zitat:"Wir haben also auch unsere Geschichte mit dem Kopftuch und mit der Bedeutung, die damit einhergeht."

Wir haben in DE eine lange Geschichte mit Kopfbedeckungen. So wie so ziemlich alle europäische Staaten zwischen der Antike und den 1960er Jahren. Ungefähr ab dann ist Barhäuptigkeit im Westen in Mode gekommen.

Zitat:"Zurzeit erleben wir eine Ausnahmesituation der anderen Art im Iran."

Tur wir das? Oder versucht man nur, uns da was weis zu machen? Wäre ja nicht das erste mal.

Zitat:"Da gibt es aber auch eine bedeutende Kopftuch-runter-Bewegung."

Ist dem wirklich so? Oder sind das nur wieder privilegierte Töchter, die ein paar Extrafreiheiten für sich haben wollen? Twitter-Tweets repräsentieren weder die Realität noch eine Mehrheit.

Zitat:"Auch der Achse des Guten heißt es dazu: »Seit Wochen stürmen Frauen auf die Straßen des Iran und reißen sich demonstrativ ihre Kopftücher vom Haupt. Sie demonstrieren damit gegen den im Iran herrschenden Kopftuchzwang für Frauen und die alltäglichen Verfolgungen und Gewalttaten gegen Frauen."

Leider nennt die Achse des Guten keine Quelle, genauso wenig wie die Zeit. Wenigstens TP ( https://www.heise.de/tp/features/Iran-Aufstand-der-Frauen-3961070.html , übrigens vom 6.2.) nennt so etwas wie Quellen: Twitter-Tweets und das Blog "Moon Of Alabama" (aus den USA...).

Zitat:"Mittlerweile hat die Polizei im Iran schon mehrere Frauen festgenommen, weil sie ihr Kopftuch ausgezogen haben. Einige von ihnen trugen die Kopftücher demonstrativ auf Stöcken vor sich her."

Das kann sehr gut möglich sein. Es wird nicht wenige Frauen im Iran geben, die das Kopftuch nicht tragen müssen wollen. Nur lässt sich daraus keine große Bewegung oder gar eine Revolution ableiten. Es wird wie so häufig eine kleine, wirtschaftlich privilegierte und westlich orientierte Minderheit sein, die sich in den asozialen Medien gut präsentiert. Und dann springt die westliche Presse auf das Bild der "unterdrückten muslimischen Frau" an.

Zitat:"In der Zeit lesen wir etwas über die Hintergründe: »Seit der Machtübernahme der Islamisten 1979 gilt in dem Land der Verhüllungszwang für Frauen. Festnahmen wegen Verstößen Festnahmen gibt es ständig; allein im Jahr 2014, so gab die iranische Polizei bekannt, habe sie 3,6 Millionen Mal wegen ‚schlechten Hidschab-Tragens’ eingreifen müssen.«"

Und? Nullpe. Das sagt überhaupt nichts darüber aus, wie die Mehrheit der heutigen iranischen Frauen die Sache sieht. Die werden aller Wahrscheinlichkeit nach das Kopftuch toll finden, von wegen tolle Muslima und so. So wie schon die Iranerinnen 1979, die die Stütze der islamischen Revolution waren und gar nicht schnell genug unters Kopftuch kommen konnten.
Das einzige, was sich aus der Aussage der Polizei ableiten lässt, wäre, dass man "Hidschab-Anlegen" als Schulfach für Mädchen und als Volkshochschulkurs für Frauen einführen sollte. Anscheinend besteht da noch Lehrbedarf.

Zitat:"Diese »Eingriffe« sind brutal."

Ach kommt Leute, ich denk die muslimische Kultur ist so toll. Kann doch gar nicht sein.

Zitat:"Umso mutiger ist das Aufbegehren dagegen."

Ja. Aber erfahungsgemäß repräsentieren diese Leute eine kleine privilegierte Minderheit, die gerne westliche Freiheiten für sich (persönlich) haben möchte.

Zitat:"»Vida Movahed hieß die erste, die sich traute, ihr Kopftuch ebenso öffentlich wie demonstrativ abzulegen. Am 27. Dezember stieg die 31-Jährige auf einen Stromkasten an einer belebten Teheraner Kreuzung und hielt ihr Kopftuch an einem Stock weit von sich gestreckt. Das Bild der Unerschrockenen wurde schnell zur Ikone.«"

Schön dass die Zeit keine Quelle dazu bringt. Ein kleiner Link auf eine Aufnahme wäre ja auch zuviel verlangt. Immerhin ist auf Wiki da verlass:https://de.wikipedia.org/wiki/Vida_Movahed#/media/File:Enqelab_Doughter.png . Sieht aber nicht so aus, als wenn das da jemanden großartig interessiert hat.

Zitat:"Die Frauen im Iran riskieren viel."

Nicht nur die Frauen, jeder, der in dieser theokratischen Diktatur aufmuckt.

Zitat:"Wie reagieren die Frauen hierzulande?"

Warum sollen sich Deutschlands Frauen in die inneren Angelegenheiten des Iran einmischen? Die haben mit sich selbst mehr als genug zu tun.

Zitat:"Hier gilt es neuerdings als feministisch, ein Kopftuch zu tragen."

Und? Wenn's denen Spaß macht. Jeder blamiert sich so gut, wie er / sie / es kann.

Zitat:"Das Kopftuch ist inzwischen zu einem hippen Modeaccessoire geworden."

Und? Ist doch gut. So verliert es seine religöse Bedeutung und wird wieder zu dem, was es objektiv ist: Ein Stück Stoff.
Und das wäre so ziemlich das Schlimmste, was radikalen Muslimen und politischen Bevormundern passieren könnte: Das Kopftuch wird seiner religösen Bedeutung entleert und zu einem Modeaccessoire degradiert, so wie eine Handtasche oder Ohrringe. Sollte das so kommen, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Fanatiker Frauen das dann bedeutungsentleerte Kopftuch herunter reißen.

Zitat:"Die Zeit fasst es so zusammen: »Mutige iranische Frauen legen das Kopftuch ab. Und wie reagiert Deutschland? Mit falscher Zurückhaltung.« "

Gehts nicht auch ein bischen kleiner? "Wie reagiert Deutschland" auf die inneren Angelegenheiten Irans? So wie es üblich ist, gar nicht. Ist deren Sache, nicht unsere.

Leute, gerade von der Zeit, bis jetzt ist es der muslimischen Frau immer schlecht bekommen, wenn sich der europäische Kulturkreis für die "Befreiung der muslimischen Frau" stark gemacht hat. Schon mal auf die Idee gekommen, dass nicht nur Muslimas im Westen das Kopftuch freiwillig tragen? Warum konnten die iranischen Frauen 1979 nicht schnell genug unters Kopftuch kommen? Vorher unter dem Schah war es Ihnen verboten, aber anscheinend war ihnen das überaus wichtig, Frauen waren die Stütze der islamischen Revolution. Ohnehin war in vielen muslimischen Ländern das "muslimische Kopftuch" in den 1950ern/60ern/70ern verboten, was die vielen Bilder aus der Zeit mit Frauen ohne Kopftuch erklärt. (2 Beispiele: https://static.metro.se/0b4/def/Falskigf-LARGE.jpg , https://pbs.twimg.com/media/DB46MaNUwAAQIyN.jpg ) Aber das war nicht freiwillig, sondern Zwang. Und wenn denen das gefällt, bitte, sollen sie, nicht unsere Sache. Und es ist auch nicht unsere Sache, wenn die Frauen im Iran das Kopftuch nicht mehr tragen müssen wollen, denn wenn die Ablehnerinnen eine Mehrheit bilden, dann wird sich das schon von alleine erledigen.

Und nochmals: Das mit dem Kopftuch ist deren Bier, lasst sie die eigne schale Plörre schlürfen. Und vor allem sollte die deutsche Presse mal langsam wieder zum Informationsjournalismus zurückkehren und die Empörungskampagnien kleiner Randgruppen nicht weiter tragen. Die Zeit war einmal eine seröse Zeitung, heute hechelt sie wie alle nur dem schnellen Klick hinterher. Mag sein, dass Empörung Klicks produziert. Seriöser Journalismus produziert etwas anderes: Zahlende Leser. (Und ein Festgehalt.) Aber mit solchen manipulativen Meinungsartikeln wie in der Zeit wird das nichts.

Kopfbedeckungsfreie Grüße,

Dirk S

Gravatar: Catilina

Na, und wer steckt mal wieder dahinter? Ganz sicher keine feministische Bewegung. Im Vergleich mit sunnitisch regierten Staaten ist das schiitische Persien geradezu tolerant. Minderheiten werden geduldet, es gibt dort weder Verfolgung von Juden noch von Christen (Armeniern). Iran soll aber aus naheliegenden Gründen destabilisiert werden, denn es liegt als Sattel zwischen der Türkei und dem Iraq auf der einen Seite und Afghanistan/Pakistan auf der anderen Seite. Das Land ist riesig, mit einer intelligenten Bevölkerung. Die Iraner unterstützen sowohl ihre schiitischen Glaubensgenossen im Iraq als auch die legitime Regierung in Syrien und wegen ihrer kurdischen Minderheit selbstverständlich auch die türkischen Kurden. Aufgrund seiner Größe, seiner Wirtschaftsmacht und geographischen Lage ist der Iran vielen Geostrategen ein Dorn im Auge. Derzeit ist die dortige Regierung die liberalste seit der islamischen Revolution vor vierzig Jahren. Mit den jetzigen, von außen angestachelten (und bezahlten) Protesten zwingt man den Iran zu repressiven Maßnahmen, also wieder zurück zu den muslimischen Hardlinern. Sehr schade.

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