Realität in Merkel-Deutschland

Ausbeutung einer ganzen Wissenschaftsgeneration

Billige Doktoranden leisten Forschungsarbeit, Habilitierte lehren für umsonst, HiWis schuften im Hintergrund. Und wer nicht rechtzeitig den Absprung findet, darf sich als überqualifizierter Akademiker beim Job-Center melden.

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Wenn Landespolitiker und Bildungspolitiker über Ausbeutung in der Wirtschaft schimpfen, vergessen sie dabei, dass die Behörden und sonstigen staatlichen Einrichtungen nicht besser dastehen. Gerade an den Universitäten wird ein Großteil der Akademiker gnadenlos ausgebeutet.


Beispiel Doktoranden: Wissenschaft ist teuer? Wissenschaftler kosten teures Gehalt? Nicht bei Doktoranden. Immer mehr akademische Abschlussarbeiten ufern völlig aus. Dissertationen von 1000 bis 2000 Seiten sind keine Seltenheit mehr. So kann Forschung zum Nulltarif geleistet werden. Jahrelang stehen die Nachwuchswissenschaftler im Labor oder sitzen in der Bibliothek.


Beispiel Habilitierte: Wer Professor werden will, muss sich habilitieren. Dafür braucht man nicht nur eine zweite Forschungsarbeit, die vom Umfang her einer zweiten Doktorarbeit entspricht. Man muss auch nach der Habilitation als Privatdozent unterrichten – oft ohne Entgelt. Falls man das nicht tut, verliert man seine Venia Legendi (Lehrberechtigung). Dann hat sich das Berufsziel Professor von selbst erledigt. Für viele Wissenschaftler ist die Habilitation eine hochgefährliche Einbahnstraße. Für fast alle Stellen sind sie überqualifiziert. Es bleibt nur die gnadenlose Endschlacht: Professur oder Straße bzw. Jobcenter. Für viele trifft eher das zweite zu. Als Alternative flüchten viele Akademiker ins Ausland.


HiWis und Praktikanten: Hungerlöhne sind für Praktikanten und Volontäre in der Wirtschaft gang und gäbe. Doch können sie sich mit dem Gedanken beruhigen, dass Lehrjahre keine Herrenjahre seien und später die guten Gehälter warten. Bei HiWis in der Wissenschaft sieht das anders aus. Die mager bezahlten HiWi-Stellen bieten einen Vorgeschmack auf das schlecht bezahlte Akademikerleben. Auch bei den Behörden und Institutionen der Bundesbürger tappen so manche Praktikanten im Minilohnbereich herum, ohne ausreichend Hoffnung aus Übernahme zu haben. Vater Staat ist keinesfalls besser als die freie Wirtschaft.


Problem Arbeitsrecht: Wer zu lange im Rahmen von Zeitverträgen an der Uni als HiWi, Assistent oder Lehrbeauftragter gejobbt hat, kann sich seine ganze Universitätszukunft verbaut haben. Denn das deutsche Arbeitsrecht gebietet es, befristete Angestelltenverhältnissen nach einigen Jahren in unbefristete zu überführen. Aus Angst die Angestellten nicht mehr loszuwerden, werden Akademiker mit einigen Jahren Einsatz nicht mehr wieder eingestellt. Das bedeutet, dass jeder Akademiker nur eine gewisse Zeitspanne hat, sich zur Professur hochzuarbeiten. Wer seine Zeit überschreitet, dem verschließen sich die Türen. Es bleibt nur das Ausland oder der Berufswechsel.


Problem Projektstellen: Achtung: Mausefalle für junge Akademiker! Nach dem Master oder der Promotion lockt die Stelle in einem Forschungsprojekt. Als PostDoc an einem DFG-Projekt mitarbeiten (DFG = Deutsche Forschungsgemeinschaft) oder an einem Sonderforschungsbereich (SFB) mitwirken? Auch hier lockt die böse Falle. Junge Akademiker werden in dem Glauben gelassen, in der Wissenschaft gebraucht zu werden. Es werden Hoffnungen auf wissenschaftliche Karrieren geweckt, die nicht erfüllt werden. Denn auf die große Zahl der befristeten Projektstellen folgt eine nur kleine Zahl unbefristeter Forschungsstellen oder Lehrstühle. Viele junge Akademiker werden so vom rechtzeitigen Absprung aus der Wissenschaft abgehalten. Wenn sie dann Ende 30 oder Anfang 40 sind und bereits eine Familie haben, kommt das böse Erwachen. Dann ist es oft zu spät. Die Wissenschaft ist wie eine Mutter, die ihre Kinder verstößt.


Warum die Akademikerschwemme noch kein Drama geworden ist


Von ausgesuchten Fächern abgesehen, sieht die Zukunft für Akademiker düster aus. Der Akademikermangel beschränkt sich hauptsächlich auf Ingenieure und Ärzte. Doch die Fachrichtung und Spezialisierung muss stimmen. Allgemeinaussagen helfen nicht weiter.


Warum die Akademikerschwemme noch nicht in einer Katastrophe geendet ist? Zwei Gründe sind ausschlaggebend: Erstens sind viele Akademiker in fachfremden Jobs der Wirtschaft untergekommen, wo sie oft ein trostloses und unterbezahltes Dasein fristen, das mit ihrer Ausbildung nichts zu tun hat. Zweitens haben die großen Pensionierungswellen in den Lehramtsberufen dazu geführt, dass sich viele in den Lehrerberuf flüchten konnten, obwohl sie eigentlich gar kein Interesse an der Arbeit mit Schülern haben. Aber wo sonst soll ein Philosoph oder Literaturwissenschaftler unterkommen, wenn nicht als Lehrer für Deutsch und für Werte und Normen?


Aufstieg durch Bildung?


Es ist in Europa wie in Amerika dasselbe trostlose Bild: Je mehr Menschen einen bestimmten Bildungsabschluss erwerben, desto mehr verliert dieser Bildungsabschluss an Wert. Dadurch verlieren viele Menschen wertvolle Lebenszeit und die Gesellschaft produktive Arbeitskräfte.


Universität als lebensbereichernde Erfahrung? Das traf vor den Studienreformen zu, als die Studenten noch Zeit hatten, sich neben dem eigentlichen Curriculum auch Veranstaltungen anderer Fächer anzuhören und im Studium Generale das Allgemeinwissen zu vertiefen. Heute schießen die Studenten gleich in die Welt der Hochspezialisierung, die am Ende nur zu mehr Umschulungen zwingt, um in der Berufswelt noch unterzukommen.


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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Alessia

In der aktuellen Zeit ist wirklich jeder auf sich selbst gestellt. Ein Studium erfolgreich abzuschließen, heißt nicht gleich auch guten Job zu bekommen (je nach Branche natürlich unterschiedlich). Aber sehr oft muss man mit nierdrigen Gehältern und vielen Arbeitsstunden ins Berufsleben einsteigen. Letzendlich muss jeder für sich entscheiden, was für ihn das Richtige ist.

Gravatar: Mino Cair

Goldene Worte. Fallbeispiel: als Dr.-Ing. mit Bestnoten abgeschlossen, jahrelang als HiWi Vorlesungen in Vertretung des Prof. gehalten, dann Ochsentour durch die Wirtschaft im Bereich automotive bis zum CEO, hervorragende Ergebnisse geliefert dank KAIZEN, nach der Krise 2008 mit Mitte 50 auf der Straße gestanden, ausgewandert und sich in wenigen Jahren totgearbeitet. Friede seiner Asche.

Gravatar: Helena

@Datko : Mir ging ehr durch den Kopf was Studierende Hiwis und Postgraduierte an Hungerlohn bekommen, deren Arbeit für die Forschung besonders in Naturwissenschaften und Technik auch zukunftsorientierte nichtakademische Arbeitsplätze schaffen würde. Aber hier ist mangelnde Unterstützung und Investition, fehlen Ausstattungs- und Forschungsmittel, wird Fortschrittverhinderung betrieben und Zukunftssicherung wohl unerwünscht.

Hingegen hat der Analphabeth mit multipler Identität, der braucht nur ein "Zauberwort" zu sagen, wohl das erwünschtere Geschäftsmodell.

Gravatar: Hans Meier

Zu diesem Thema gibt es weitere Aspekte, die vor allem „Schein-Wissenschaften“ für Scharlatanerie betreffend, wie das hier http://wupperinst.org/karriere/

und ganz besonders „wirksam“ ist eine Stiftung https://www.boell.de/de/stipendien-partner

Die haben ein Partei-Netzwerk bundesweit durch die Hochschulen gezogen, wie Sie erkennen können, wenn Sie für Ihre Umgebung nachsehen wollen (scrollen!), wo die „Kontakt-Kader“ der Hochschule sind, und wie diese zur Verfügung stehen.
Mit Tutoren und „Blindenhunden“ wird noch immer „ein grüne Doktor gefunden“, es ist zum Schlapplachen, wenn ich daran denke was vor 48 Jahren an der Ingenieurschule, in 6 Semestern durchgebissen wurde, wo „Bauräte“ denen, die an aufwendigen Statik-Berechnungen in`s Grübeln kamen rieten, stellen sie lieber Zahncreme her, oder werden sie Mediziner, aber niemals Ingenieur, denn dann sind sie für Alles verantwortlich und stehen immer mit einem Fuß im Kittchen, siehe VW.

Wer also Sorgenkinder hat und die studieren lassen will, muss sich nur an die „Böll-Beauftragten“ wenden, und dann bekommt das „Claudialein einen Dr. Titel“ worauf die grüne Mama dann ganz stolz wie Bolle is.

Es läuft bestens und wie geschmiert mit den „Uni-Böllern“, von Gender bis Bullerbüh, im Kreislauf der Blöden, und mit Klima-Klingelingling-Alarm, plus „akademischem Geweih vorm Namen“ aber zu blöd was Praktisches in eigenständiger Regie hinzukriegen.

„Weil die Realität immer so gemein, objektiv ist“ verzieht man sich und strickt an virtuellen Projekten, man lässt „Illusions-Strom“ von der Sonne ernten und Windmüllert, fährt mit dem Anlasser sein Auto, voll mit Batterien geladen, die zweidrittel des Fahrzeug-Gewichts ausmachen ist somit ein „Kluger ein Überflieger“, einer der die Wiwo-Green am Startrt hat und im akademischen „Öko-Teppich-Segler-Verein“, sogar Loopings hinkriegt.

Gravatar: Joachim Datko

Helena - 14:45 Zitat: "Aber anscheinend sind Lern- und Bildungswille, Leistungswille, Forschungswille und Eifer, insbesondere in Naturwissenschaften und Technik die falschen und somit unerwünschten "Geschäftsmodelle". "

Zur eigene Tüchtigkeit kommen noch Selbstbewusstsein und Glück.

Gravatar: H.von Bugenhagen

Na iss denn dass
Wer braucht schon deutsche mit Diplomen,wenn jetzt die Gelehrten aus Afrika zu uns kommen.

Gravatar: Helena

@Karin Weber : Das im westen Deutschlands schon lange ein Mißstand. Lange Studienzeiten oder ein Studium oder anschließende wissenschaftliche Weiterqualifikation abbrechen müssen, auch aus materieller Notlage, hat oft nichts mit mangelden Leistungswillen oder mangelden Können der Betroffenen zu tun.
Aber anscheinend sind Lern- und Bildungswille, Leistungswille, Forschungswille und Eifer, insbesondere in Naturwissenschaften und Technik die falschen und somit unerwünschten "Geschäftsmodelle".

Gravatar: Joachim Datko

Flexibel sein!

Ich habe mich immer an die aktuellen Gegebenheiten angepasst.

Sicherlich hat die Wissenschaft einen ganz besonderen Reiz, man hat die Chance sich in die Wissenschaftsgeschichte einzuschreiben. Die Gefahren zu scheitern sind allerdings groß, wie es im Artikel gut beschrieben wird.

Ich habe mein Glück in der Industrie gesucht. Es hat geklappt. Der Bereich war damals sehr innovativ, es gab viel zu tun und das Einkommen war sehr hoch. Nach knapp zwei Jahrzehnten, in denen ich buchstäblich Tag und Nacht gearbeitet hatte, konnte ich mich aus dem Erwerbsleben zurückziehen.

Mir wäre es wichtig, dass Menschen, die ein gesichertes Auskommen ohne eine Erwerbstätigkeit haben, auf ihren Arbeitsplatz verzichten. Wir werden durch die Rationalisierung bei steigendem Wohlstand immer weniger Arbeitskräfte brauchen.

Joachim Datko - Ingenieur, Physiker

Gravatar: Frank Endres

Ach, wie gerne doch würde ich dem Autor bzw. der Autorin widersprechen, aber es ist eher noch schlimmer, da auch Professor(inn)en für politische Ziele ausgenutzt werden und gewisse Drittmittelquoten erwartet werden. Wer ein erfolgreich laufendes BMBF-Projekt hat, kann nicht einmal einen Verlängerungsantrag stellen, sondern muss hoffen, dass es eine passende Ausschreibung gibt, bei Bewilligungschancen um 10 %. So gesehen ist die DFG vergleichsweise fair, auch wenn dort immer mehr die Politik Einzug hält. Ich rate niemandem mehr, in Deutschland noch eine Professur anzustreben. Die USA waren schon immer interessant, in der Zukunft dürfte auch China eine große Rolle spielen, weshalb ich jungen Menschen mit Ambitionen einer Karriere in den Naturwissenschaften das Erlernen der chinesischen Sprache ans Herz lege, so schwer ist Chinesisch nicht.

Ingenieure sind übrigens nur selten habilitiert.

Gravatar: Karin Weber

Ein ernüchternder Artikel. Hier bei Freiewelt respektive der Zivilen Koalition wurde das Probem erkannt. Die Altlastenpolitik sieht derweil andere Prioritäten. Erschreckend, wie diese Regierung mit unserer Zukunftsfähigkeit umgeht, wo doch Frau Merkel immer von "nachhaltig" blubbert.

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