Der "Gaskrieg" zwischen Russland und der Ukraine ist mehrschichtig. Da ist zum einen der Streit um das russische Gas, dessen Preis die Ukraine nicht bezahlen will. So gesehen ist die russische Entscheidung, der zahlungsunwilligen Ukraine den Hahn zuzudrehen rechtens. Dass Moskau dabei auch die Lieferung an weitere Kunden eingestellt hat, ist dagegen Vertragsbruch. Den rechtfertigt auch die Absicht Moskaus nicht, der Ukraine so die Möglichkeit zu nehmen, sich vom Gas anderer kostenlos zu bedienen. Ob die Einigung mit der EU auf eine Beobachterkommission Abhilfe bringt, bleibt abzuwarten.
In diesem Streit geht es indessen nicht nur um Gas und Geld, sondern um Politik und damit um Macht. Was Gasprom zu tun hat, entscheiden Putin und Medwedjew, niemand sonst. Deshalb wäre die Annahme, Moskau habe sich zu dem spektakulären Lieferstop nur aus geschäftlichen Gründen entschlossen, naiv. Im Kreml denkt man vor allem in der Kategorie der Macht. So auch hier. Weshalb aber hat man sich dann für eine Maßnahme entschieden, die so negative Auswirkungen hat, wie der Lieferstop? Denn soviel ist unstrittig: Das Ansehen, so wie einst die Sowjetunion ein absolut verlässlicher Vertragspartner zu sein, ist verloren. Westliche Kunden dürften versuchen, ihre Abhängigkeit von russischer Energiezufuhr zu vermindern und Deutschland sich außerdem in seiner Entscheidung bestätigt fühlen, eine direkte Pipeline durch die Ostsee nach Russland zu bauen, die es von Querelen anderer mit Moskau unabhängiger macht. Für Moskau verbessert sich dabei die Möglichkeit, sein Verhältnis zu westlichen Nachbarn unterschiedlich zu gestalten.
Im Kern der Moskauer Überlegungen aber steht die Ukraine; über Jahrhunderte Teil des russischen Imperiums. Moskau will Kiew nicht nach Westen abtriften und Nato-Mitglied werden lassen. Sie soll zumindest Teil der russischen Einflußspähre bleiben. Bewertet man den Gasstreit unter diesem Aspekt, so kommt man zu der Erkenntnis, dass dieser Streit die Kluft zwischen dem Westen und der Ukraine größer und deutlicher gemacht hat. Das ist die gleiche Wirkung, die die Intervention Russlands in Georgien im August vorigen Jahres hatte. Seither redet niemand mehr von einer Aufnahme Georgiens in die Nato. Im Fall der Ukraine dürfte es nicht anders sein. So setzt Moskau über den Gaspreis nicht nur seine finanziellen Interessen durch, sondern – was ihm weit wichtiger ist – seine politischen. Indem Moskau die Ukraine ihre wirtschaftliche Abhängigkeit von Russland spüren lässt, bindet es sie zugleich an sich. So wird aus Gas Politik
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