Interview Stefan Marotzke

Zwangsunion für Sparkassen

Die europäische Bankenlandschaft wird mit der Bankenunion neu reguliert. Die Vorgaben treffen auf das differenzierte deutsche Bankensystem, in dem Sparkassen und Volksbanken eine große Rolle spielen. Stefan Marotzke, Pressesprecher des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, der für rund 50 Mio. Bankkunden steht, spricht im Interview über die Folgen.

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Freiewelt.net: Herr Marotzke, wie bewerten Sie aus Sicht der Sparkassen das Gesamtpaket Bankenunion?

Stefan Marotzke: Der Bankenunion liegt ein grundsätzlich richtiger Gedanke zugrunde, nämlich für mehr Stabilität auf den Finanzmärkten zu sorgen. Allerdings hat das Regelwerk mehrere entscheidende Fehler. Der Größte ist, dass Brüssel versucht, ein einheitliches Regulierungsmodell über völlig unterschiedliche Banken zu stülpen. Es existieren aber verschiedene Geschäftsmodelle: Da sind einerseits die international tätigen Kreditinstitute. Für diese Gruppe ist es sicherlich sinnvoll, eine Aufsicht auf europäischer Ebene zu haben. Gleiches gilt für einen Abwicklungsmechanismus. Es gibt daneben aber auch Institute mit regionaler Ausrichtung. Diese brauchen eine andere Regulierung. Auch in einem Zoo würde man nicht auf die Idee kommen, Löwen und Zebras in einen Käfig zu stecken.

Freiewelt.net: Ein großer Streitpunkt war die Frage, ob die Einlagensicherung auf nationaler oder europäischer Ebene erfolgen soll. Wieso ist die nationale Einlagensicherung besser?

Stefan Marotzke: Eine europäische Einlagensicherung würde völlig falsche Anreize setzen. Es kann nicht sein, dass mit den Sicherungsmitteln regional ausgerichteter und stabiler Kreditinstitute die risikoreichen Abenteuer international ausgerichteter Geschäftsbanken abgesichert werden sollen. Da sind wir uns mit den Genossenschaftsbanken einig und finden auch bei der Bundesregierung Unterstützung. Deswegen ist dieses, ursprünglich als dritte Säule der Bankenunion geplante Projekt erst einmal in den Brüsseler Schubladen verschwunden. Dennoch: Wir werden wachsam sein, damit diese Pläne nicht wieder auf den Tisch kommen.

Wir haben in Deutschland – über die unterschiedlichen Institutsgruppen hinweg – gut funktionierende Sicherungssysteme: Es gibt die Einlagensicherung der Privatbanken und daneben die Institutssicherungssysteme von Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Dabei setzen die Institutssicherungssysteme deutlich früher an, d.h. es handelt sich um ein präventives System. Sobald ein Institut in eine Schieflage gerät, wird es solidarisch von den anderen Instituten des Verbundes unterstützt. Das hat den großen Vorteil, dass die Geschäftsbeziehungen grundsätzlich erhalten bleiben, weil das Institut bestehen bleibt. Die Einlagensicherung setzt dagegen erst ex-post an: Wenn eine Bank in die Insolvenz geht, entschädigt das System die Einlagengeber, sprich die Kunden. Wir halten ein präventives System für besser.

Freiewelt.net: Die Sparkassengruppe hat ja eine eigene Einlagensicherung – die Institutssicherung. Wie geht diese mit dem neuen nationalen Einlagensicherungsfonds zusammen?

Stefan Marotzke: Auf den gesetzlich vorgeschriebenen Sockel haben die Privatbanken ihre Einlagensicherung, Sparkassen und Genossenschaftsbanken die Institutssicherung aufgesetzt. Wir sind froh darüber, dass mit der in Brüssel vor kurzem verabschiedeten Einlagensicherungsrichtlinie die Institutssicherung jetzt erstmals gleichberechtigt neben die Einlagensicherung gestellt wurde. Auch Sparkassen und Landesbanken werden in ihren Sicherungssystemen künftig mehr Mittel vorhalten müssen als bisher. Diese Gelder müssen zu großen Teilen liquide vorgehalten werden. Darauf sind unsere Institute aber eingestellt.

Freiewelt.net: Kern der Bankenunion sind die einheitlichen Vorschriften zur Bankenabwicklung mit der Einführung des Instrumentes Bail-In, also der Beteiligung von Gläubigern und Eigentümern im Falle einer Schieflage. Wird der potenzielle Bail-In die Banken wirklich zu einer risikoärmeren Politik verleiten?

Stefan Marotzke: Das muss sich zeigen, wir sind zumindest skeptisch. Wir haben auf den Bankenmärkten völlig unterschiedliche Risikolagen – einerseits Regionalbanken mit ihrem an der Realwirtschaft ausgerichteten und deshalb risikoarmen Geschäftsmodell. Für diese Institute spielt die Bail-In-Problematik, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle. Daneben gibt es die international agierenden, börsennotierten Bankkonzerne mit dem klaren Fokus auf der Erzielung maximaler Renditen. An den Bedürfnissen dieser Institute sind auch die Bail-In-Regeln ausgerichtet. Nicht die Steuerzahler, sondern Eigentümer und Gläubiger einer Bank sollen im Falle einer Schieflage haften. Dieser Ansatz ist richtig und wird von uns unterstützt. Ob das Konzept aufgeht, wird sich aber erst in der Praxis zeigen Derzeit stellen wir fest, dass sich die „Too big to fail-Problematik“ eher vergrößert und international agierende Investmentbanken ihr Geschäftsmodell nicht wesentlich verändert haben.

Freiewelt.net: In welcher Reihenfolge müssen Anteilseigner und Gläubiger herangezogen werden?

Stefan Marotzke: Der Bail-In-Mechanismus sieht vor, dass im Krisenfall zunächst die aufsichtsrechtlichen Eigenkapitalgeber und dann die Fremdkapitalgeber sukzessive an den Verlusten teilnehmen: In der Reihenfolge sind zuerst die Kernkapitalgeber – das sind die Aktionäre – dann Kapitalgeber des ergänzenden Kernkapitals, beispielsweise stille Vermögenseinlagen, dann aufsichtsrechtliche Ergänzungskapitalgeber in der Haftung. Dann kommt das Fremdkapital an die Reihe, zunächst das nachrangige, unbesicherte Fremdkapital. Ausgenommen sind gedeckte Einlagen bis 100.000 Euro, besicherte Verbindlichkeiten wie Pfandbriefe usw. In der Theorie steht das System. Ob die unglaubliche Komplexität der Regeln den Praxistest besteht, bleibt abzuwarten.

Freiewelt.net: Bei einem Bail-In werden Gelder in Höhe von acht Prozent der Gesamtverbindlichkeiten der Bank zur Stabilisierung herangezogen. Wie ist diese Zahl zu bewerten?

Stefan Marotzke: Acht Prozent der Bilanzsumme eines Institutes sind die Mindestquote, die voraussichtlich für Institute unter direkter EZB-Aufsicht gefordert wird. Der Abwicklungsfonds soll nur dann Mittel zur Verfügung stellen, wenn mindestens für acht Prozent der Summe aus Kapital und Verbindlichkeiten bereits ein Bail-In stattgefunden hat. Auch hier muss sich zeigen, inwieweit Theorie und Praxis zusammenpassen.

Freiewelt.net: Genügt der Bail-In nicht, werden Mittel aus dem europäischen Abwicklungsfonds herangezogen. Die Zielgröße des Abwicklungsfonds liegt bei 55 Mrd. Euro. Ist das nicht viel zu wenig?

Stefan Marotzke: Es ist die Zahl, auf die man sich verständigt hat. Entscheidend ist, dass alle Institute in diesen Topf einzahlen müssen, obwohl nur die großen Banken davon profitieren. Deswegen werden wir bei den bevorstehenden Verhandlungen zur Beitragsbemessung darauf achten, dass diese sich an den Regelungen der deutschen Bankenabgabe orientiert und an Größe, Vernetztheit, Systemrelevanz und Komplexität des jeweiligen Kreditinstitutes ausgerichtet wird. Die Tatsache, dass der Fonds bereits nach acht, statt wie ursprünglich geplant nach zehn Jahren, sein Zielvolumen erreicht haben soll und bereits im ersten Jahr 40% der eingezahlten Mittel in den europäischen Überlauf fließen, verdeutlicht, dass hier den Interessenlagen der Krisenstaaten Rechnung getragen wurde.

Freiewelt.net: Warum wurden die Sparkassen nicht einfach ausgenommen aus der Regulierung und nur die internationalen Geschäftsbanken reguliert?

Stefan Marotzke: Wir sind nicht gegen Regulierung, wir sind für richtige Regulierung. Nehmen sie zum Beispiel die Eigenkapitalvorschriften nach Basel III. In Europa müssen alle Banken die Basel III-Anforderungen ohne Rücksicht auf ihr Geschäftsmodell in gleicher Weise erfüllen. In den USA hingegen gelten die Basel-III Anforderungen nur für die Wallstreet-Banken, nicht für die so genannten Mainstreet-Banken. Ähnlich war unser Ansatz bei den Plänen zur Bankenunion: Die Regulierung muss sich am Risiko orientieren. Die Kommission hat aber das Leitbild der international agierenden, börsennotierten Aktienbank und ordnet diesem Leitbild alles andere unter. Dis Finanzkrise hat aber deutlich gemacht, dass gerade regional agierende Institute, wie Sparkassen und Genossenschaftsbanken, aufgrund ihres risikoaversen Geschäftsmodells besonders stabil sind. Auch deswegen ist Deutschland vergleichsweise gut durch die Krise gekommen. Dieses System wird in Brüssel aber nach wie vor nicht verstanden und droht unter die Räder zu kommen, weil alles dem einen Leitbild untergeordnet werden soll. Wir werben dafür, dass die Stärken, die in einem regionalen System liegen, stärker gefördert werden, anstatt alles zu nivellieren.

Freiewelt.net: Die Sparkassen müssen auch zum Abwicklungsfonds beitragen. Hat dies letztlich höhere Kosten für die Sparkassenkunden zur Folge?

Stefan Marotzke: Nein, Deutschland ist einer der wettbewerbsintensivsten Märkte in der Kreditwirtschaft, das zeigt sich auch in der Preispolitik. Im Übrigen sind wesentliche Punkte im Rahmen des einheitlichen Abwicklungsmechanismus noch völlig offen. Dazu gehört die Bemessung des Beitrags, den jedes Institut zum Abwicklungsfonds zu leisten hat. Es soll einen jährlichen Sockelbetrag geben, der von allen Instituten getragen werden muss. Daneben soll es aber noch eine risikoorientierte Komponente geben. In welchem Verhältnis die beiden Komponenten stehen, ist noch unklar. Auch die Frage nach dem Freibetrag ist wichtig. Kurz: Sämtliche Fragen zur Beitragsbemessung sind stand heute noch nicht geklärt.

Freiewelt.net: Was müssen Bankkunden mit Einlagen von über 100.000 Euro konkret befürchten?

Stefan Marotzke: Bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken nichts, da sie über die Institutssicherung abgesichert sind. Auch bei Privatbanken ist über die Einlagensicherung der abgesicherte Teil so hoch, dass sich auch dort niemand sich Sorgen machen muss. Beim überwiegenden Teil der Institute beträgt der Einlagenschutz mehrere Millionen Euro pro Kunde. Gesetzlich festgeschrieben ist jedoch immer nur der Anspruch auf 100.000 Euro.

Freiewelt.net: Was raten Sie Bankkunden, die Einlagen von mehr als 100.000 Euro haben? Sollten sie es auf mehrere Banken verteilen, um auf Nummer sicher zu gehen?

Stefan Marotzke: Das würde ich für übertrieben halten. Eines ist bei der Geldanlage noch wichtiger geworden: Wer sein Geld einem Kreditinstitut anvertraut, sollte zuvor ganz genau auf Stabilität, Seriosität und das Geschäftsmodell des Kreditinstitutes schauen – insbesondere auch auf die Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells. Wenn mit Renditen jenseits des Marktes gelockt wird, ist dies in aller Regel auch mit einem höheren Risiko für die Kunden verbunden.

Freiewelt.net: Herr Marotzke, wir danken Ihnen für das Gespräch!

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