Thomas Schührer, Hedwig von Beverfoerde Durchblick e.V., Zivile Koalition e.V.

Unser Einsatz für ein PID-Verbot war nicht umsonst - Bilanz der Initiative "PID stoppen!"

Nach der Entscheidung im Bundestag zur künftigen Regelung der Präimplantationsdiagnostik (PID) ziehen die Sprecher der Initiative „PID stoppen – Selektion verhindern!“ auf AbgeordnetenCheck.de, Hedwig Freifrau von Beverfoerde und Thomas Schührer, im Interview mit FreieWelt.net Bilanz.

Veröffentlicht:
von

FreieWelt.net: Anfang Mai haben Sie Herr Schührer gemeinsam mit Hedwig von Beverfoerde die Initiative „PID stoppen – Selektion verhindern!“ auf AbgeordnetenCheck.de gestartet. Mit Ihrer Initiative haben Sie sich dafür eingesetzt, daß die Präimplantationsdiagnostik (PID) in Deutschland verboten bleibt. Wie beurteilen Sie den Verlauf Ihrer Initiative?

Thomas Schührer: Also ich bin absolut begeistert vom Engagement der Menschen und ihrem umwerfenden Einsatz für den Schutz des ungeborenen Lebens. In den letzten beiden Monaten haben sich ca. 18.000 Teilnehmer an unserer Initiative auf AbgeordnetenCheck beteiligt und zusammen über 70.000 E-Mail-Petitionen für ein PID-Verbot an den Bundestag geschickt. Mehr als bei jeder anderen Kampagne auf AbgeordnetenCheck.de.  Das hatte ich so nicht erwartet, zumal wir mit PID ein sehr spezielles Thema aufgegriffen haben. Wir haben alle zusammen wirklich toll gekämpft!

Hedwig von Beverfoerde:  Das Abstimmungsergebnis zur PID im Bundestag ist niederschmetternd! Aber: Wir haben den guten Kampf gekämpft – und darauf kommt es an. Sie müssen sich das einmal vor Augen führen: Einige Abgeordnete, vor allem die prominenteren unter ihnen, haben im Zuge der Kampagne zum Teil mehrere Tausend E-Mails gleichzeitig von den Bürgern bekommen. Dazu kamen noch unzählige individuelle und persönliche Anfragen zu diesem Thema. Ich bin fest davon überzeugt, daß dieser starke Druck der Bürger zum Beispiel bei Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) oder Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) den Ausschlag gegeben hat, uns - zumal im Sinne unserer Forderung - zu antworten. Sehr hilfreich waren auch unsere Gespräche und Besuche bei Abgeordneten im Bundestag. Insgesamt waren die Reaktionen der Politiker auf diese Abgeordneten-Check-Kampagne so zahlreich, wie nie zuvor – das macht uns schon ein bißchen stolz.

FreieWelt.net: Dennoch stimmte am 07. Juli 2011 eine Mehrheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages für eine Zulassung der PID. Sind Sie sehr enttäuscht über das Ergebnis?

Thomas Schührer: Natürlich hatte ich mir einen anderen Ausgang der PID-Debatte gewünscht. Zwar konnten wir eine ganze Reihe unentschlossener Abgeordneter auf unsere Seite ziehen. Doch im letzten Wahlgang stimmten schließlich 326 für eine bedingte Freigabe der PID und nur 260 dagegen (bei 8 Enthaltungen). Daß das Ergebnis damit doch recht eindeutig ausgefallen ist, hat mich doch enttäuscht. Gleichzeitig bin ich aber auch überzeugt davon, daß unser Einsatz für ein PID-Verbot nicht umsonst gewesen ist: Der nächste Schritt – die Aufweichung der zunächst engen Grenzen der PID – wird dadurch jedenfalls erschwert und hoffentlich hinausgezögert.

Hedwig von Beverfoerde: Der massive Druck durch unsere E-Mail-Aktion in Verbindung mit den aufrüttelnden Einwänden und zahlreichen Briefen von Kirchen und Lebensrechtsorganisationen und nicht zuletzt die Anti-PID-Demonstrationen am Abstimmungstag vor dem Reichstag und zur Anhörung vor dem Gesundheitsausschuß haben den politisch Verantwortlichen ganz deutlich gezeigt, daß die Bürger in grundsätzlichen Lebensrechtsfragen empfindlich sind und es Mühe kostet, derartige Gesetze durchzubringen. Das ist sehr wichtig zur Abschreckung.

FreieWelt.net: Bei der PID-Abstimmung gab es keinen Fraktionszwang, die Abgeordneten konnten ganz ihrem Gewissen folgen. Der Graben der Befürworter und Gegner des PID-Verbots lief dann auch quer durch alle Parteien. Welche Tendenzen lassen sich möglicherweise dennoch in dieser Debatte ausmachen?

Thomas Schührer: Gewisse Tendenzen gibt es da in der Tat: So haben vor allem die Unions-Politiker und weit über die Hälfte der Grünen Abgeordneten die Zulassung der PID abgelehnt. Auch bei den Abgeordneten der Linken stimmten noch beinahe 40% gegen die Zulassung, das hat mich fast ein wenig überrascht. Die Mehrheit der Zulassungsbefürworter findet sich bei den Sozialdemokraten und den Liberalen: 71% der SPD-Abgeordneten votierten schließlich für eine Zulassung der PID und dies obwohl so prominente SPD-Politiker wie Andrea Nahles und Wolfgang Thierse sich schon sehr früh und engagiert für den PID-Verbotsantrag eingesetzt hatten. Noch deutlicher zeigt sich das aber bei der FDP: Nur fünf von 93 FDP-Abgeordneten stimmten bei der entscheidenden letzten Abstimmung gegen eine Zulassung.

Hedwig von Beverfoerde: Von FDP und SPD hatte ich leider nicht viel anderes erwartet. Was mich jedoch sehr erschüttert, ist das Abstimmungsverhalten vieler Abgeordneter der Union. Daß aus den Reihen von CDU und CSU ganze 70 Abgeordnete für die weitgehende PID-Zulassung und damit für die Selektion von Menschenleben gestimmt haben, ist für mich absolut indiskutabel. Ich muß mich als Wähler einer sich „christlich“ nennenden Partei darauf verlassen können, daß deren Abgeordnete auch im Sinne der christlichen Gebote und Werte abstimmen, um so mehr, als der CDU-Parteitag 2010 die Ablehnung der PID nochmals bestätigt hatte. Dem PID-Verbotsantrag haben am Ende 66 Stimmen gefehlt. Das waren genau die Stimmen dieser abtrünnigen Unionsabgeordneten. Die PID-Abstimmung ist ein Menetekel für die C-Parteien.

FreieWelt.net: Worin sehen Sie die Ursachen für diese schwache Haltung in den C-Parteien?

Thomas Schührer: Während sich die katholische Kirche klar für ein PID-Verbot ausgesprochen hat, waren die Äußerungen der evangelischen Kirchen leider eher gespalten. Es gab zwar auch klare Stellungnahmen gegen eine Zulassung der PID, aber eben auch viel Zurückhaltung und z.T. sogar Befürwortung für PID. Das hat die christliche Position geschwächt. Auch das Argument, es gehe ja nur um wenige hundert Paare im Jahr, denen man viel Leid ersparen könne, hat sicher sein übriges getan. Daß es hier aber um weit mehr geht, haben viele leider nicht gesehen oder sehen wollen.

Hedwig von Beverfoerde: Darüber hinaus bin ich überzeugt, daß auch die Profiteure einer PID-Zulassung, beispielsweise aus Forschung und Pharmaindustrie, im Hintergrund sehr starken Druck ausgeübt haben. Und der Frage, was mit den für die PID erzeugten und dann nicht in die Gebärmutter eingesetzten Embryonen geschehen soll, sind die Unterstützer der PID-Zulassung bis zuletzt ausgewichen. Dabei ist das beispielsweise für die Stammzellenforschung, die an den „aussortierten“ Embryonen u.a. seltene Erbkrankheiten untersuchen könnte, eine höchst lukrative Frage. In der jetzt durch den Bundestag beschlossenen gesetzlichen PID-Regelung findet sich dafür keine aussagekräftige Klärung.

FreieWelt.net: Welche Bilanz ziehen Sie aus Ihrer Kampagne „PID stoppen – Selektion verhindern!“?

Thomas Schührer: Auch wenn es am Ende nicht für ein Gesetz zum PID-Verbot gereicht hat, war unsere Arbeit sehr wichtig und diese Kampagne ganz sicher nicht die letzte! Ich bin sehr beeindruckt von der professionellen und engagierten Arbeit der gesamten Mannschaft. Ich halte den AbgeordnetenCheck.de für ein Projekt mit ungeheurem Potential für die Zukunft. Durch den AbgeordnetenCheck.de haben die Wähler die Möglichkeit, zu sehen, ob bestimmte Abgeordnete im Sinne ihrer Wertvorstellungen abstimmen. Dieses Wissen allein nützt aber wenig, wenn dem keine Taten folgen. Deshalb scheint es mir wichtig, Mechanismen zu schaffen, durch die wertorientierte Wähler einzelne Abgeordnete politisch auch notfalls abstrafen können.

Hedwig von Beverfoerde: Mit unserer Kampagne „PID stoppen!“ haben wir den Abgeordneten sehr deutlich und erfolgreich gezeigt, daß gezielter Protest - vor allem in dieser modernsten Form – keineswegs nur eine Sache von linken oder ökologischen Organisationen ist. Wir können das mindestens so gut und werden dies  in zukünftigen Kampagnen noch stärker zum Ausdruck bringen.

Ich danke Ihnen für das Gespräch!

Das Interview führte Kerstin Schneider

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Herr Winer

Hallo an Frau Huber und die vielen Vor-Redner und Vor-Rednerinnen.
Es ist freilich nicht möglich, hier einen ausführlichen Beitrag aus Sicht eines Ethikers zu liefern - ich befürchte, er würde mit Glaubenssätzen und Bibelzitaten weggeschwemmt.
Zunächst: Das Engagement der beiden Interview-Partner ist zu loben, wenn es auch nicht ganz so altruistisch sein mag: Wer "den guten Kampf gekämpft" hat, erhält ja schließlich Belohnung von dem Gottwesen, an das er gerade glaubt. Aber das sind Feinheit der Religionspsychologie. Dahin gehören auch die Beiträge an/gegen Herrn Schönherr.
Nur weil "Embryonen" (das stimmt so nicht) "das Potential zu einem Menschen habe[n]" sind sie noch lange kein Mensch. Und darum m.E. nur bedingt schützenswert. Und wann das menschliche Leben beginnt, ist sowohl von der Wissenschaft als auch in religiöser Hinsicht völlig strittig - der Islam bspw. lässt nach einer bestimmten Rechtsschule eine Abtreibung bis zum 120. Tag zu! Und der Islam beruft sich ja ebenfalls auch eine Gebot/eine Offenbarung des Gottes Abrahams, der auch der Gott der Christen ist/sein soll.
Phrasen wie "wahrscheinlicher ist eher das Forschungsinteresse oder aber der Mülleimer" bringen in der Sache - der Ethik - nicht weiter. Ebenso wenig die Drohung(?) mit der Rache Gottes, die in einem Beitrag zumindest anklingt. Ich hoffte derartige Reden gehörten der Vergangenheit an. Nun, scheinbar nicht.
PID ist nötig, um Eltern die Möglichkeit auf ein gesundes Kind zu gewähren. Das ist aus ethischer Sicht der entscheidende Zugewinn, der hier endlich erlangt worden ist.

Gravatar: @ Brigitte Huber, Beverfoerde etc.

Diese unsachlichen Behauptungen und Stimmungsmache ist unerträglicgh. Die betroffenen Paare wünschen sich nicht ein "perfektes Kind", sondern ein gesundes. Das Verfahren wird unter strengen Regelungen nur bei Paaren angewand die entweder schon ein behindertes Kind zur Welt gebracht haben oder bei denen nachweislich eine schwere Erbkrankheit vorliegt.
Diese Stimmungsmache hier mit falschen Behauptungen wie "Designer Babys" etc ist vollkommen unpassend.

Sie schreiben sich hier das Mitgefühl für einen Embrio auf die Fahne der noch nicht einmal als Mensch zu bezeichnen ist, sich mehr noch im Stadium einer Kaulquappe befindet. Sie haben jedoch sicherlich kein Problem damit Tiere zu Essen oder Lederkleidung zu tragen. Und ganz offensichtlich fehlt die Fähigkeit Mitgefühl für die bereits geborenen, lebenden Mensch zu entwickeln.

Gravatar: Erna Duerr

Es haben zu allen Zeiten Menschen versucht, sich an Gottes Stelle zu setzen. Das ging immer schief und rächte sich bitter. Gott sei Dank hat Gott auch heute noch alle Fäden in der Hand.

Gravatar: Josef Maria Lindner

Sehr geehrte Frau Hedwig von Beverfoerde, sehr geehrter Herr Thomas Schürer,danken Ihnen, Kopf hoch, so weiter machen. Nach vorn und HALLELUJA!!

Gravatar: Brigitte Huber

Sehr geehrter Herr Schönherr, finden Sie die Entscheidung, Embryonen in der Petrischale, die das Potential zu einem Menschen haben wie Sie es sind, für die Interessen von Paaren, die sich ein perfektes Kind wünschen (das würde ich mir auch wünchen!)zu verzwecken, einen Sieg der Vernunft? Ist die Instrumentalisierung von Embryonen, die den Qualitätscheck nicht bestanden haben und "verworfen" werden, für Sie ein moralischer Fortschritt? Sie polemisieren gegen "katholischen und evangelikanen Fundamentalismus". Kennen Sie überhaupt deren ethische Argumente? Oder möchten Sie diese lieber beiseite schieben, weil sie einfach stören? Wissen Sie eine ethisch saubere Lösung, was mit den "übriggebliebenen" Embryonen geschehen soll? Adoption mag eine Lösung sein, wahrscheinlicher ist eher das Forschungsinteresse oder aber der Mülleimer. Schöne neue Welt! Brigitte Huber

Gravatar: Feindflug

Es gibt viele gute Gründe für die PID.
Dagegen gibt es nur die immer gleichen Meinungen:
- Mein imaginärer Freund verbietet mir das. Also muss ich es euch allen verbieten.
- Ich find das doof, weil "man das halt nicht macht". Frei nach dem Motto: Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht.
- Neid, weil man selbst diese Möglichkeiten noch nicht hatte.
- Nur weil der Papst sagt, mit der Verschmelzung von Eizelle und Samen entsteht das Leben, muss das noch lange nicht stimmen. Dieser Mann (in anderer Person) hat auch gesagt, dass die Sonne sich um die Erde dreht.

Aber es gibt nichtmal eine Meinung gegen die PID, dass überhaupt als Argument gewertet werden könnte, nur das Geschwafel religiös verblendeter Menschen.

Gravatar: Manuel

Sehr geehrter Herr Schönherr,

die Entscheidung des Bundestages ist eine Dummheit!
Wenn Leute wie sie so am wissenschaftlichen Fortschritt anhand von Menschenversuchen interessiert sind, dann sollten Sie sich selbst im Labor als Versuchskaninchen zur Verfügung stellen.

lg Man

Gravatar: Gabriele Klemm

Sehr geehrte Frau von Beverfoerde,
ich möchte dem Kommentar von Herrn Schönherr kurz widersprechen. Niemand, der sich ein vollständiges PID-Verbot gewünscht hat, betrachtet das Abstimmungsergebnis des Bundestages als "großen Erfolg". Im Gegenteil. Wir müssen leider damit leben, dass in unserer säkularen Gesellschaft viele Menschen unsere Werte nicht teilen, teilen wollen oder können, aber aus unserer Perspektive ist das Abstimmungsergebnis alles andere als ein "Sieg der Vernunft". Es ist genau das Gegenteil. So ist das in einer pluralen Gesellschaft, und wir leiden mehr oder weniger darunter, das auszuhalten. Zum Glück ermöglicht das Internet, an den Meinungsmachern der Medien vorbei, zu zeigen, dass es hierzulande noch Menschen gibt, die sich für Werte einsetzen, die in den Augen von Herrn Schönherr "unvernünftig" sind, und es ist gut, unseren Politikern zu zeigen, dass diese Menschen massiven Protest organisieren können, mit dem auch in Zukunft gerechnet werden muss. Für mich ist die zunehmende Entchristlichung unserer Gesellschaft kein Grund zur Freude. Gern beteilige ich mich auch bei zukünftigen Protestaktionen. Ihnen und Ihrem Team bin ich für Ihr wichtiges Engagement sehr dankbar und wünsche Ihnen dafür allen erdenklichen Erfolg.
Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Klemm

Gravatar: Michael Schönherr

@Frau von Beverfoerde

Immer wieder schön zu sehen,wie in Ihren Kreisen selbst herbste und bitterste Niederlagen doch noch als "große Erfolge" verkauft werden.Die Entscheidung des Bundestages ist ein Sieg der Vernunft und des Fortschrittes unserer säkularen und aufgeklärten Gesellschaft.Die Forschung und Wissenschaft muß weitergehen,ungehindert von katholischen und evangelikalen Fundamentalismus!Darum kann diese Entscheidung auch nur ein kleiner,erster Anfang sein.In anderen EU-Ländern ist man längst weiter.

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang