Dr. Kerstin Funk Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Umsteuern in der Gesundheitspolitik - Interview mit Kerstin Funk

Dr. Kerstin Funk ist Referentin für Gesundheitspolitik, Finanzen und Steuern bei der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. Sie ist Ansprechpartnerin für die Stiftungsinitiative "umSteuern-Freiheit braucht Mut!". FreieWelt.net sprach mit Kerstin Funk über die Initiative "umSteuern", Gesundheitspolitik und die Reform der sozialen Sicherungssysteme.

Veröffentlicht:
von

FreieWelt.net: Was ist „umSteuern“?

Kerstin Funk: Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit hat im letzten Jahr die Initiative „umSteuern – Freiheit braucht Mut!“ gestartet. Mit dieser Initiative will die Stiftung für die Freiheit Politikentwürfe aufzeigen, die dem Menschen mehr Freiheit und eigene Verantwortung lassen. Denn Selbständigkeit und soziale Sicherheit erschöpfen sich nicht nur in staatlicher Zuteilung.

FreieWelt.net: Um welche Politikentwürfe geht es konkret?

Kerstin Funk: Schwerpunkte der Initiative im letzten Jahr waren das liberale Steuersystem und das liberale Bürgergeld. Das Steuer- und Sozialsystem muss so reformiert werden, dass es ein selbständiges Leben der Bürger fördert und keine Abhängigkeiten schafft. Das liberale Steuermodell ist einfach, niedrig und gerecht und entlastet vor allem die Mitte der Gesellschaft. Es entfacht die Wirtschaftsdynamik und schafft somit Arbeitsplätze. Und das liberale Bürgergeld ist das soziale Modell, das Anreize für Arbeit schafft und den Bedürftigen hilft. In diesem Jahr liegt der Schwerpunkt der Initiative im Bereich der Gesundheitspolitik und der Reform der sozialen Sicherungssysteme.

FreieWelt.net: Wer ist die Zielgruppe der Initiative?

Kerstin Funk: Mit der Initiative möchten wir die Mitte der Gesellschaft erreichen. Denn diese Mitte bildet den Teil der Bevölkerung, der – ohne notwendigerweise über Spitzeneinkommen zu verfügen – von Erwerbsarbeit lebt und sich damit Vermögen zur Sicherung der eigenen, unabhängigen Existenz ansparen möchte. Diese Mitte trägt unser Land und in einer pluralistischen Demokratie fällt ihr die Rolle des Motors der Bürgergesellschaft zu. Gerade deshalb ist es fatal, dass sie hierzulande zusehends an Substanz verliert und von der Politik bedrängt wird.

FreieWelt.net: Wie kann liberale Politik den Menschen in der Mitte der Gesellschaft helfen?

Kerstin Funk: Liberale Politik traut den Menschen mehr zu. Sie traut ihnen zu, dass sie selbst am Besten über ihr Einkommen verfügen können. Und sie traut ihnen zu, dass sie selbst am Besten für ihre Zukunft und ihre finanzielle Sicherheit bei Krankheit und im Alter vorsorgen können. Wir können den Menschen helfen, indem wir ihnen mehr von ihrem Einkommen lassen. Dieses zusätzliche Geld können sie verwenden, um selbst vorzusorgen. Denn liberalen Politik setzt auf den verantwortungsbewussten, engagierten und freien Bürger.

FreieWelt.net: Der Schwerpunkt der Initiative in diesem Jahr liegt auf der Gesundheitspolitik und der Reform der sozialen Sicherungssysteme. Warum?

Kerstin Funk: In seiner heutigen Form ist das Sozialsystem kaum noch überlebensfähig. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund der hohen Staatsverschuldung – denn fast die Hälfte des öffentlichen Haushaltes fließt in die soziale Sicherung. Hier ist ein „umsteuern“ gefragt. Die Stiftungsinitiative vermittelt den Bürgern, dass eigene Vorsorge dringender denn je ist, weil sie mehr Sicherheit bietet als die Vorsorgemacht des Staates. Wir brauchen ein Vorsorgesystem, das effizienter ist, das den Herausforderungen des demographischen Wandels gerecht wird und das vor allem finanzierbar ist. An diesem Punkt setzt die Initiative im Jahr 2010 an. Sie diskutiert, inwieweit unter den gegebnen Bedingungen der Staat die Übernahme von Eigenverantwortung ermöglichen und fördern kann.

FreieWelt.net: Wo genau liegen die Probleme des heutigen Gesundheitssystems?

Kerstin Funk: Das Gesundheitssystem heute ist gekennzeichnet von mehr Planwirtschaft als Marktwirtschaft. Der Gesundheitsfonds  zeichnet sich aus durch unzureichende Einheitsversorgung, wenig Wettbewerb und fehlende Effizienz. Die gesetzlichen Krankenversicherungen sind chronisch unterfinanziert – das drückt sich gerade in diesen Tagen durch die zahlreichen Meldungen über geplante Zusatzbeiträge der gesetzlichen Krankenkassen aus. Die Beitragssätze für die Versicherten sind bereits heute sehr hoch und sie werden noch weiter steigen. Dennoch sind zur Sicherung des Systems weitere staatliche Zuschüsse erforderlich. Hinzu kommt: Nicht derjenige, der die Gesundheitsleistung erhält und folglich auch für die Kosten, die er verursacht, verantwortlich ist, trägt diese Kosten. Vielmehr werden sie von der Solidargemeinschaft – die sich freilich nur auf die Gruppe der gesetzlich Krankenversicherten beschränkt – finanziert. Verantwortungsvolles Handeln wird damit nicht gefördert. Und weiter: Infolge des demographischen Wandels und des medizinisch-technischen Fortschritts wird die medizinische Versorgung immer teurer. Aber der Gesundheitsfonds kann die Kostensteigerungen nicht auffangen.

FreieWelt.net: Und wie will liberale Gesundheitspolitik diesen Herausforderungen begegnen?

Kerstin Funk: Die liberale Gesundheitsreform setzt an einem zentralen Problem des heutigen Systems an. Die Beiträge zur Krankenversicherung werden nicht mehr vom Einkommen abhängig sein und damit vom Lohn abgekoppelt. Statt dessen richten sich die Beiträge nach dem individuellen Risiko der Versicherten. Sie ist ein Weg hin zu mehr Marktwirtschaft auch im Gesundheitssystem. Die Trennung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung wird aufgehoben. Dies ermöglicht Wettbewerb, Freiheit und soziale Sicherheit. Der Staat gibt lediglich einen Rahmen vor, innerhalb dessen effizienter Wettbewerb gerechte Leistungen hervorbringt.

FreieWelt.net: Was bedeutet das konkret für den Bürger?

Kerstin Funk: Nach der liberalen Gesundheitsreform wird jeder Bürger verpflichtet, bei einem Krankenversicherer seiner Wahl eine Gesundheitsversicherung abzuschließen. Diese Versicherung umfasst einen Katalog medizinisch notwendiger Leistungen. Leistungen, die über diesen Katalog hinausgehen, kann jeder Bürger individuell versichern.

FreieWelt.net: Aber dann zahlt der Direktor die gleiche Prämie wie der Sachbearbeiter…

Kerstin Funk: Im Prinzip ja. Doch müssen hier zwei wesentliche Dinge klargestellt werden. Zum einen ist der Direktor im heutigen System in der Regel privat versichert. Denn in der gesetzlichen Krankenversicherung müssen sich nur jene Bürger versichern, deren Einkommen unter die sogenannte Beitragsbemessungsgrenze fällt. Das sind derzeit 45.000 Euro pro Jahr. Bis zu diesem Betrag müssen Arbeitnehmer von ihrem Bruttoeinkommen insgesamt 14,9 Prozent an die Kasse überweisen: Sieben Prozent werden vom Arbeitgeber übernommen, die anderen 7,9 Prozent vom Arbeitnehmer. Der Teil des Bruttojahreseinkommens, der über 45.000 Euro liegt, ist beitragsfrei. Das bedeutet zum einen, dass der Direktor, der zum Beispiel ein Bruttojahreseinkommen von 90.000 Euro bekommt, im Verhältnis nur halb so viel an Beiträgen zahlt wie der Sachbearbeiter. Und weil der Direktor sich privat versichern kann, tritt er aus der Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten aus. Dies bedeutet, dass er letztlich nicht zum Solidarausgleich beiträgt. Zum anderen sind die Kosten für eine medizinische Leistung ja immer gleich. So spielt es zum Beispiel bei einer Blinddarmoperation keine Rolle, ob der Blinddarm des Direktors oder des Sachbearbeiters entfernt wird. Und darüber hinaus muss der Sachbearbeiter – ganz im Gegensatz zum Direktor – die Prämie für seine Versicherung nicht alleine bezahlen, wenn er kein ausreichendes Einkommen hat. Statt dessen erhält er einen Zuschuss aus Steuermitteln. Zu diesem Zuschuss trägt dann auch der Direktor bei, den dieser bezahlt ja aufgrund seines deutlich höheren Einkommens auch deutlich mehr Steuern.

FreieWelt.net: Was bewirkt der Wettbewerb im Gesundheitssystem?

Kerstin Funk: Die Krankenkassen werden zu privaten Versicherungsunternehmen. Die Wahlfreiheit der Versicherten bringt zwischen diesen Versicherungsunternehmen Wettbewerb mit sich. Und der Wettbewerb wiederum bringt Effizienz und ein leistungsfähiges Preissystem mit sich. Die Versicherungsunternehmen bilden zudem Altersrückstellungen für die Versicherten. So sorgen sie auch für die Finanzierung der Gesundheitskosten älterer Versicherter vor. Durch die Einführung des Kostenerstattungsprinzips erhält der Versicherte eine Rechnung für seine medizinische Behandlung. Er kennt dann die Kosten der Behandlung und kann eigenverantwortlich entscheiden, ob er die Kostenübernahme durch die Versicherung beantragt oder im Rahmen der Eigenbeteiligung selbst für die Kosten aufkommt und damit seine Versicherungsbeiträge gering hält. Zudem wird auch ein Wettbewerb zwischen den Leistungsanbietern zu niedrigeren Kosten und zu effizienteren Behandlungsalternativen führen.

FreieWelt.net: Und was geschieht mit den Menschen, die sich den Beitrag für die Krankenversicherung nicht leisten können?

Kerstin Funk: Bürger, die nicht selbst in der Lage sind, die Beiträge für die Grundversorgung zu bezahlen, erhalten staatliche Unterstützung. Sie werden zu einem Garantietarif versichert und dürfen von den Krankenkassen nicht abgewiesen werden. So wird sichergestellt, dass alle Menschen eine ausreichende medizinische Versorgung erhalten. Die staatliche Unterstützung wird über das Steuersystem finanziert. Auf diese Weise tragen alle Steuerzahler zum Solidarausgleich im Gesundheitswesen bei. Nicht – wie im heutigen System – nur diejenigen, die gesetzlich krankenversichert sind. So wird das System auch wesentlich gerechter.

FreieWelt.net: Können auf diese Weise auch die Lohnnebenkosten gesenkt werden? Warum ist das so wichtig?

Kerstin Funk: Das Gesundheitssystem ist Teil des Sozialsystems. Und es ist damit Teil des Systems der sozialen Marktwirtschaft. Ein System der sozialen Marktwirtschaft kann aber nur dann funktionieren, wenn vor allem der Arbeitsmarkt nicht mit hohen Kosten belastet wird, die Arbeit künstlich verteuern. Denn wenn der Faktor Arbeit zu hoch mit Lohnnebenkosten belastet ist, werden Arbeitgeber große Mühe haben, wirtschaftlich lohnenswerter Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. Arbeit muss daher möglichst von den Kosten, die nicht die Produktivität eines Arbeitnehmers entlohnen, getrennt werden. Nach der liberalen Gesundheitsreform sollen die Arbeitgeberzuschüsse zur Krankenversicherung als steuerpflichtige Lohnbestandteile ausgezahlt werden. So werden die Lohnnebenkosten gesenkt und Arbeitsplätze gesichert. Dies trägt schließlich auch zu mehr Wachstum und Wohlstand in unserem Land bei.

Mehr unter: Umsteuern.org

und Freiheitdenken.org

Foto: freiheit.org

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: A. Eichholtz

Ach ja, die FDP. Aber gleichzeitig den Drogsiten verbieten wollen Medikamente verkaufen zu dürfen. Außerdem wird sicherlich alles besser, wenn Beiträge nunmehr bei Versicherungen geparkt werden, so a la Riester. Wo früher der Staat was verschleuderte kann nunmehr die Versicherungswirtschaft zwar mit den Beiträgen nicht spekulieren, das ist verboten, aber als Kapital in der Hinterhand verweisen, auf dass am Kreditgeldmarkt noch mehr große Räder gedreht werden können, um das exponentiell wachsende Giralgeldsystem am Laufen zu halten.Und dann wird bestimmt alles gut und nicht so furchtbar wie heute. Das wird man an den Zähnen sehen

Gravatar: Macula

Das Gesundheitssystem ist Teil des Sozialsystems: aber NICHT Teil der Sozialen Marktwirtschaft, denn es finanziert sich über ZWANGSBEITRAEGE. Die deutsche Parteien FIlZokrathie implantierte ein RENDITE-denken in das Gesundheitswesen, welches Krankenpflegepersonal und Ärzte ausbeutet und das einst vielleicht beste Gesundheitssystem der Welt bereits ruiniert hat.

Gravatar: D.S.

Käse, ganz großer Käse.
Und so durchsichtig, dass es peinlich ist. Die Versicherungswirtschaft lässt grüßen und zeigt sich sicher erkenntlich, dass eine neue Klientel akquiriert werden kann.

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang