Expertise zur Schuldensteuer

Schuldensteuer: In Zeiten der zugespitzten Krise möglich

Dr. Stefan Bach, wissenschaftlicher Mitarbeiter am DIW Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin, sieht in Deutschland derzeit keine Gründe, die für eine Vermögensabgabe sprechen. In den Südländern kann die Vermögensabgabe jedoch in akuten Krisensituationen erwogen werden – gerade auch zur Entlastung der Geberländer.

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FreieWelt.net: Herr Bach, Die Staatsschulden sind seit der Finanzkrise auf Höchststände geschnellt – dies gilt für fast alle westlichen Industrieländer. Ist das derzeitige Niveau noch tragbar?

Dr. Stefan Bach: Wir haben in der Tat mittlerweile ein sehr hohes Niveau erreicht. Das hat insbesondere bei den Ländern, die sich sowohl im Privat- wie im Staatssektor zu stark verschuldet haben, in der Krise zu Problemen geführt. Hier ist die finanzielle Nachhaltigkeit gefährdet und es ist unumgänglich, die Schulden zu senken. Um die öffentlichen Haushalte zu konsolidieren und die Staatsschulden abzubauen, kann die Vermögensabgabe ein Instrument sein – insbesondere in Zeiten der zugespitzten Krise. Damit können die Finanzmärkte beruhigt und in den öffentlichen Finanzen Freiräume für sinnvolle Zukunftsinvestitionen geschaffen werden.

FreieWelt.net: Rechtfertigt die aktuelle Krisenlage wirklich eine Vermögensabgabe?

Dr. Stefan Bach: Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland ist relativ günstig und die öffentlichen Haushalte sind weitgehend konsolidiert. Daher gibt es hier keine Notwendigkeit für außerordentliche Maßnahmen. Anders ist die Situation in den Ländern, die fiskalisch in einer schwierigen Phase sind – darauf bezogen sich ja auch die Erwägungen von Bundesbank und Internationalem Währungsfonds. Griechenland, Zypern, Spanien und bis zu einem gewissen Grad auch Italien könnten zur Haushaltskonsolidierung neben den üblichen Strukturanpassungen auch die höheren Vermögen der Bürger heranziehen. Aus Sicht der helfenden Nordländer lässt sich dies auch begründen: Erst sollen die Krisenstaaten die hohen Privatvermögen im eigenen Land heranziehen, bevor sie die internationale Staatengemeinschaft um Hilfskredite und Rettungspakete anrufen. Nicht zuletzt wurden in diesen Staaten die direkten Steuern in der Vergangenheit nicht so konsequent erhoben. Gleichzeitig hat man die wohlhabenden Leute durch die staatlichen Rettungsaktionen bisher weitgehend geschont. Das Vermögen der Privathaushalte ist in diesen Ländern durchaus hoch, wie die Erhebung der Zentralbanken letztes Jahr gezeigt hat.

FreieWelt.net: Bisher war es ja eher andersherum: Es gab Rettungspakete aber keine Vermögensabgaben.

Dr. Stefan Bach: Ansatzweise gibt es schon höhere Vermögensteuern in Griechenland, Spanien und Italien. Die Staaten haben zwar keine Vermögensabgabe erhoben. Aber Immobilien – die man nicht vor dem Fiskus verstecken kann – werden in diesen Ländern inzwischen höher besteuert.

FreieWelt.net: Würde eine Vermögensabgabe nicht gerade den notwendigen Reformdruck von der Politik nehmen?

Dr. Stefan Bach: Einerseits ja, andererseits verschafft der Staat sich Luft und signalisiert dem Kapitalmarkt und den Geberländern, dass man wirklich entschlossen ist, das Problem anzugehen. Natürlich ist es wichtig, auch die öffentlichen Haushalte zu konsolidieren und auch Strukturreformen für mehr Wachstum anzugehen. Denn nur so wird eine nachhaltige Konsolidierung erreicht.

FreieWelt.net: Eine Vermögensabgabe ist ja keine Neuheit. Wann haben die Vermögensabgaben der Vergangenheit funktioniert und wann haben sie nicht funktioniert?

Dr. Stefan Bach: Die Vermögensabgabe in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg war ein durchaus erfolgreiches Projekt. Sie wurde letztlich akzeptiert, weil die materielle Not der Flüchtlinge und Bombenopfer wirklich sehr groß war. Die Betroffenen haben eine Starthilfe bekommen und wurden wirtschaftlich schnell wieder auf eigene Beine gestellt, was das Wirtschaftswunder deutlich gefördert hat. Nach dem ersten Weltkrieg war die Situation anders: Beim so genannten Reichsnotopfer gab viel Steuerflucht und die Hyperinflation hat dann die riesige Staatsverschuldung komplett entwertet.

FreieWelt.net: Wo sehen Sie die größten Probleme bei der Umsetzung einer Vermögensabgabe in die Praxis?

Dr. Stefan Bach: Zunächst gibt es Probleme bei der praktischen Umsetzung. Das Vermögen der Steuerpflichtigen muss ermittelt und veranlagt werden. Steuerflucht muss unterbunden werden nach Ankündigung der Abgabe. Der Aufwand ist beträchtlich, selbst wenn man nur die reichsten fünf oder ein Prozent der Bevölkerung erfasst.

Zu den praktischen Problemen zählt beispielsweise die Bewertung der Vermögen: Allein alle Immobilien zu bewerten, ist schwierig, wenn es keine geeigneten Marktwerte gibt, wie bei vielen Eigenheimen. Außerdem ist es heikel, Unternehmen zu belasten. Die großen Vermögen bestehen aber zumeist aus Unternehmensvermögen. In den Krisenländern will man ja gerade nicht die Wettbewerbsfähigkeit weiter reduzieren. Im Gegenteil: Das Ziel ist die Stärkung privater Investitionen. Ausnahmen für die Betriebsvermögen sind kompliziert, lösen Gestaltungsanreize aus und mindern das Aufkommen deutlich.

Wenn zudem die wohlhabenden Leute befürchten, dass der Staat in regelmäßigen Abständen den Reichen das Vermögen wegnimmt, werden sie sich bei Investitionen künftig zurückhalten. Daher muss glaubhaft gemacht werden, dass es sich um eine einmalige Notaktion zur Entschuldung des Staates handelt. Dies ist erreichbar, indem die Vermögensabgabe mit glaubwürdigen Strukturreformen kombiniert wird.

Ein weiteres Problem ist bspw. in Griechenland und wahrscheinlich auch in Italien, dass die Finanzverwaltung gar nicht ohne weiteres in der Lage ist, eine Vermögensabgabe durchzuführen. Instrumente und ausgebildetes Personal sind notwendig, um die Vermögen für steuerliche Zwecke zu veranlagen.

FreieWelt.net: Eine Vermögensabgabe fließt dem Staat ja nicht kurzfristig zu, sondern wird über Jahre von den Steuerpflichtigen in kleinen Portionen abgeführt. Widerspricht dies nicht dem Ziel einer schnellen Schuldenreduzierung?

Dr. Stefan Bach: Der Staat verschafft sich Ansprüche – selbst wenn das Geld erst in Zukunft und dann sukzessive fließt, bedeutet dies eine Entspannung für den Staatshaushalt. Es muss nur glaubhaft sein, dass die Abgabe auch erhoben wird. Dann werden die Risikozuschläge auf Staatsanleihen entsprechend sinken.

FreieWelt.net: Die Staatsschulden steigen schon seit mehr als 40 Jahren. Kann eine Vermögensabgabe diesen Trend überhaupt aufhalten?

Dr. Stefan Bach: In der Vergangenheit wurden oft Konsumausgaben über Schulden finanziert oder Investitionen finanziert, die keine volkswirtschaftliche Rendite gebracht haben – letzteres beispielsweise bei der Wiedervereinigung Deutschlands. Das hat über die letzten Jahrzehnte den Schuldenberg anwachsen lassen.

Allerdings hat sich in den letzten Jahren ein Bewusstseinswandel vollzogen: Die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen wird stärker beachtet – gerade vor dem Hintergrund der Schuldenkrise und des demografischen Wandels. Generationengerechtigkeit ist ein wichtiger Aspekt hierbei. In Deutschland ist man so weit, dass die Politik die Schuldenbremse im Grundgesetz verankert hat. Auch in den Krisenstaaten sollen vergleichbare Mechanismen etabliert werden. Die Schuldenbremsen müssen natürlich auch wirksam sein. Bisher werden sie zu wenig ernst genommen. Daher sollten sie „gehärtet“ werden, indem sie beispielsweise an automatischen Steuererhöhungen bei Nichteinhaltung gekoppelt werden.

FreieWelt.net: Kommt eine Vermögensabgabe in Europa mittelfristig?

Dr. Stefan Bach: Nein, in den nordeuropäischen Ländern ist die fiskalische Notlage nicht so groß, daher gibt es auch verfassungsrechtliche Probleme. In den Südländern hat man die administrativen Instrumente dazu nicht. Aber es muss ja nicht die Vermögensabgabe sein. In den Südländern werden ja teilweise schon Immobiliensteuern oder Reichensteuern realisiert. Eine weitere wichtige Maßnahme wäre, die Einkommensteuer systematisch einzureiben sowie Schattenwirtschaft und Steuerhinterziehung gründlicher zu bekämpfen. Damit ließen sich Milliardenbeträge realisieren, ohne zu große wirtschaftliche Schäden anzurichten.

Dr. Stefan Bach ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am DIW Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: H.von Bugenhagen

Na ist denn das...
Da bin ich dann auch für Verschwendungs Steuer wenn unsere Politiker nicht mal für Ihre Diäten Steuer zahlen.

Gravatar: FDominicus

Übersetzung. Der Staat bricht alle sich selbst gegebenen Gesetze (Schuldenstand, Verschuldung) nimmt immer mehr Schulden auf aber im Endeffekt "darf" er sich ungeniert bei den Bürgern bedienen?

"Lasen Sie mich mal schauen: Dr. Stefan Bach ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am DIW Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin."

Ah ja ein Unproduktiver.....

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